Eine Trennung von Erwerbs- und Familienleben, von Berufs- und Privatsphäre bildete sich gerade in den meinungsbildenden und normsetzenden Schichten, im Besitz- und Bildungsbürgertum, heraus: der Mann ging außerhalb des Hauses seinem Erwerb nach und empfing dafür ein Gehalt – die Frau war am Broterwerb nicht mehr unmittelbar beteiligt war, sie stand nurmehr dem Haushalt vor.
Den äußeren Veränderungen der Lebensumstände entsprach ein Wandel der Wertmaßstäbe. Ehe und Familie wurden zum Ort einer neuen Gefühlskultur, mit der sich der gehobene „Mittelstand“ ausdrücklich von den Verhältnissen im Hofadel einerseits und dem „gemeinen Volk“ andererseits absetzen wollte. Da für die neue bürgerliche Elite aber auch zunehmend galt, dass die soziale Position des Einzelnen von individueller Qualifikation und Leistung abhing, büßte der Einfluss der Familie an disziplinierender Wirkung ein. Das eröffnete größere Spielräume bei der Wahl der Ehepartner, verstärkte das Motiv der
persönlichen Zuneigung gegenüber ökonomischen Motiven – bis hin zur Liebe als
großer Passion, mit der sich das (meist männliche) Individuum seine persönliche Autonomie bewies und zu der höheren Autorität des spontanen Gefühls bekannte.