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Die westfälische und die englische Landwirtschaft um 1800
 
Aus: Wolf-Dieter Könenkamp, Der weite Weg vom Holz zum Eisen. Die Modernisierung der westfälischen Landwirtschaft, in: „Zerbrochen sind die Fesseln des Schlendrians" - Westfalens Aufbruch in die Moderne, hg. von Gisela Weiß zusammen mit Gerd Dethlefs, Münster 2002, S. 162-165:


„Resümierend kann man den Zustand der westfälischen Landwirtschaft um 1800 dahingehend verallgemeinern, dass Ansätze zum Übergang von einer spätfeudalen zur ‚rationellen Landwirtschaft‘ so gut wie nicht vorhanden waren; den Standard bildeten die tradierten Produktionsmittel und -verfahren. Schwerz’ Kommentar zum ‚Zustand der Cultur‘ im sandigen Teil des Münsterlandes lässt sich darum mit einigen Abstrichen wohl auf die alte Landwirtschaft ganz Westfalens anwenden: ‚Mehr Fleiß als Intelligenz, und mehr Intelligenz als Kraft!‘ Um es mit einem aktuelleren Begriff zu beschreiben: Westfalen war hinsichtlich seiner Landwirtschaft am Ende des 18. Jahrhunderts ein Entwicklungsland.
 
Landwirtschaftliche Tätigkeiten auf einer Ansicht des Dorfes Hövelhof in der Senne, 1713
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Dieser Umstand war freilich weder der abhängig-bäuerlichen Landbevölkerung noch der davon zehrenden Grundherrenschicht geläufig. Wer sich aber Gedanken über die Verbesserung der Landwirtschaft machte, wusste wohl, wo in Europa die fortschrittlichsten Landwirtschaften zu finden waren: in den fruchtbaren Ebenen von Brabant (1830 zwischen Belgien und den Niederlanden aufgeteilt) und vor allem in Großbritannien. Besonders die Grafschaft Norfolk im englischen Osten wurde im letzten Drittel des Jahrhunderts Reiseziel vieler Deutscher, die sich hier Anregungen für Verbesserungen der heimischen Landwirtschaft holen wollten.
Der Hauptgrund lag in der berühmten Norfolker Fruchtwechselwirtschaft, die in der vierfeldrigen Variante (neben einer sechsfeldrigen für schwere Böden) eine feste Abfolge von Klee, Weizen, Rüben und Gerste vorsah. Wer diese Wechsel auf seinen Ackerflächen anwandte, verfügte stets über genügend Futter für das Vieh, konnte also seinen Viehstock erhöhen – und erhielt so wiederum mehr Dünger für den Getreidebau. Alle Seiten des landwirtschaftlichen Betriebes zogen also Vorteile aus diesem integrierenden System. Voraussetzung für sein rundes Funktionieren war jedoch die individuelle Verfügbarkeit des Ackerbodens und des Weidelandes, die mit der Einführung der eingehegten Weiden gegeben war (etwa ab 1760). Es war die logische Konsequenz der steigenden Nachfrage nach Nahrung aufgrund der Bevölkerungsvermehrung, dass im 18. Jahrhundert systematisch neue Schaf- und Rinderrassen gezüchtet wurden, die mehr Fleisch liefern konnten; die Grundlage dafür war aber der Anbau von Futterpflanzen wie z.B. Rüben, die zur massenhaften Viehmast geeignet waren.
Aus Norfolk stammte auch einer der frühen Pioniere der Landtechnik, Jethro Tull (1674-1741), der nicht nur die erste englische Sämaschine erfand, sondern – im engen Zusammenhang damit – die Hackmaschine. Tulls Maschine säte in Reihen, war also eine ‚Drillmaschine‘, wie die des Pfarrers James Cooke, der sie 1785 so grundlegend verbesserte, dass alle späteren Sämaschinen auf seiner beruhten. Etwa gleichzeitig konstruierte Andrew Meikle aus Schottland die erste gebrauchstüchtige Dreschmaschine, die nach dem Schlagleistenprinzip funktionierte. Nach wenig ergebnisreichen Versuchen im 18. Jahrhundert gelang es dem Pfarrer Patrick Bell erst um 1826, eine anwendbare Mähmaschine zu entwickeln.
Im Mittelpunkt des technologischen Interesses stand aber die Verbesserung des Pfluges, des Symbols bäuerlicher Arbeit schlechthin. ‚Auf dem Pfluge beruht das Wesentliche von unserem Ackerbau. Wer solchen recht zu führen weiß, ärntet gut Korn, und wer ihn verabsäumt, wird sein Land nicht zu rechter Fruchtbarkeit bringen ...‘. Dieses Zitat aus der Krünitz’schen Realenzyklopädie, Stichwort ‚Pflug‘, belegt nicht nur die fast mythische Überhöhung eines Arbeitsgerätes, der Tenor des gesamten Artikels zeugt von ausgeprägter Technologiegläubigkeit, von der Überzeugung, man müsse nur die Konstruktion von Ackergeräten verbessern, um der Landwirtschaft aufzuhelfen – selbst bei sonst unveränderten Verhältnissen.
Zieht man noch einmal das englische Vorbild heran, wird das Missverhältnis sehr deutlich: Es waren die strukturellen Veränderungen des 18. Jahrhunderts, die die englische Landwirtschaft zur leistungsfähigsten jener Zeit machten; erst danach und auf deren Grundlage konnten neuartige Geräte und Maschinen ihren Teil zur Leistungssteigerung beitragen.
[...]
Das englische Beispiel zeigt, dass die ‚agrarische Revolution‘ ein komplexes Phänomen war, das auf der Grundlage rechtlicher Regelungen die umfassende Veränderung der landwirtschaftlichen Produktionsweise umfasste: die Transportwege, die Verbesserung der Arbeitsgeräte bis zur Mechanisierung von Produktionsschritten, die Umstellung der Bodenkultur auf passende Fruchtwechsel, Düngung und Hebung der Viehzucht. In England fand diese Umwälzung statt, als mit dem beschleunigten industriellen Fortschritt ein deutliches Bevölkerungswachstum einherging und der Bedarf an landwirtschaftlichen Produkten sehr erheblich anstieg. Die Entwicklung in Westfalen verlief in durchaus vergleichbarer Weise – nur deutlich später.“


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