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Künstler

Mark Formanek

[Kunstwerk][Biografie]

Tonarchiv

Installation für das Museum Marl

Seit 1996 fertige ich Tonaufnahmen für mein Tonarchiv an. Der Umfang des Archivs ist auf 366 Aufnahmen begrenzt, eine für jeden Tag im Jahr. Geordnet werden die Aufnahmen nach Tag und Monat, nicht nach Jahr oder Aufnahmeort. Das Archiv strebt keine endgültige Fertigstellung an, vielmehr befindet es sich in steter Neuerung und Ergänzung, da Aufnahmen eines Jahrestages ausgetauscht werden können. Die archivwürdigen Aufnahmen entstehen weitestgehend auf Reisen. Die Aufnahmen entstehen ‘im Vorübergehen’ und sind stets zufällige Begebenheiten in meiner Umgebung. Das Archiv wird langfristig Lücken aufweisen. Der Bogen der Hörereignisse ist weit gespannt: eine Tagesaufnahme für den 1. Januar entstand nach Einbruch der Dunkelheit auf einem Souq in Kebili, einer kleinen Stadt am Rande der Sahara – es ist Ramadan, doch mit Einbruch der Dunkelheit strömen die Menschen auf die Straße, essen endlich, sind ausgelassen. Es scheint, als habe jeder Marktverkäufer seine eigene Stereoanlage mitgebracht, nebst eigener Musik. Die Tagesaufnahme für den 31. Dezember entstand in Tel Aviv entlang einiger Hauptverkehrsstraßen. Ein Krankenwagen fährt mit Hupen und Sirenen derart dicht an mir vorbei, dass die Mikrophone aussetzen. Zum Ausklang des Jahres, Minuten und Sekunden vor Mitternacht, fährt und hält ein Wagen der Müllabfuhr neben mir und verrichtet sein Nachtwerk. Das Tropfen eines Wasserhahnes in London, das Wackeln eines Tellers in Ringenberg, Handwerker in einem Berliner Hochhaus am frühen Morgen, die ersten Minuten des neuen Monats Mai – diese Aufnahmen stehen stellvertretend für andere Tage.

Technik des Archivs

Die Aufnahmen werden mit Digital-Audio-Tape DAT oder Mini-Disco MD aufgezeichnet. Die Stereomikrophone werden entweder für Grenzflächen- oder für In-Ohr-Aufnahmen eingesetzt.

Für Grenzflächenaufnahmen liegen die Mikrofone nebeneinander. Es entsteht ein allgemeines Klangbild ohne räumliche Ordnung. Diese Aufnahmen eignen sich gut für unaufdringliche atmosphärische Raumbeschallungen. Für In-Ohr-Aufnahmen werden die für diesen Zweck entwickelten Mikrofone in die Ohren gesteckt. Über Kopfhörer gehört entsteht bei diesen Aufnahmen ein, dem natürlichen Hören nahes, fast realistisches Raumbild.

Die über Kopfhörer präsentierten In-Ohr-Aufnahmen sollen den Schwerpunkt des Archivs bilden – zum einen, weil ihre akustische räumliche Darstellung von Orten überaus präzise ist, zum anderen, weil die Zuhörer während des Kopfhörer-Hörens keine Umweltgeräusche mehr hören und damit eine Art uneinholbarer Hörverlust eintritt, an dessen Stelle mein Erlebtes erklingt.

Präsentation

Aus neun Metallregalen werde ich einen durch eine Öffnung zu betretenden Präsentationsraum konstruieren.

Die Regale, je zwei Meter hoch, einen Meter breit und einen halben Meter tief, können untereinander verbunden werden, so dass eine frei stehende, in sich stabile Architektur entsteht. Aufgrund der Tiefe von 50 Zentimetern und einer Tragkraft der Böden bis zu 400 Kilogramm ist das Regal auch als Sitzgelegenheit zu nutzen, ausreichend bequem, um Besuchern ein Verweilen für die Dauer des Abhörens aller Tonaufzeichnungen zu erleichtern. Akustisch und räumlich wird das Regalsystem durch Holz/MDF-Platten an Rück- und Seitenflächen getrennt.

Über in das Regal gebaute Lautsprecher wird nach außen eine Aufnahme abgespielt, in der ich während einer Tonaufnahme von einem Passanten gefragt werde, was ich denn da täte.

Im Inneren des Regalraumes wird ein Ton aus dem Archiv über Lautsprecher abgespielt. Der weitere Bestand der Tonaufzeichnungen wird über Kopfhörer in den Sitznischen abgehört werden können.

Die Tontechnik wird im Inneren des Regals verstaut werden. Die Besucher können mit Schaltern, die in die Wände eingelassen sind, zum nächsten Stück weiterschalten oder das eben gehörte wiederholen lassen.

Ausstellung: Umgebung  2003

Satellit im Foyer des Landesmuseums

Die anrufbare Ausstellung "Umgebung" besteht aus einer stetig wachsenden Sammlung von Ortsbeschreibungen und Selbstportraits. Anrufer werden per Ansagetext dazu aufgefordert ihre Umgebung im Augenblick des Anrufes zu beschreiben. Es folgt der Hinweis, dass ihre Beschreibung Bestandteil einer Sammlung werden wird.

Die Ausstellung "Umgebung" besteht aus mehreren Teilen: aus Masseninformation, die die Rufnummer und einen knappen Erläuterungstext beinhaltet, aus einem anrufbaren Aufnahmegerät und, drittens, der Präsentation eines Zusammenschnittes der Anrufe.

Im Foyer des Landesmuseums wird die Arbeit in Form einer Regalkonstruktion ausgestellt werden.

Metallregale, je zwei Meter hoch, einen Meter breit und einen halben Meter tief, werden verwinkelt miteinander verbunden, so dass eine frei stehende, in sich stabile, möbelartige Architektur entsteht. Aufgrund der Tiefe von 50 Zentimetern und einer Tragkraft der Böden bis zu 400 Kilogramm ist das Regal auch als Sitzgelegenheit zu nutzen, ausreichend bequem, um Besuchern ein Verweilen für die Dauer des Abhörens aller Tonaufzeichnungen zu erleichtern. Akustisch und räumlich werden die Sitznischen innerhalb des Regals durch Holzplatten an Rück- und Seitenflächen getrennt.

Über in das Regal gebaute Lautsprecher wird nach außen der Mitschnitt eines Anrufes abgespielt: der Grundton einer Telefonleitung, gefolgt vom Verbindungstuten und endlich das Einschalten und Abspielen des Ansagetextes für die Ausstellung "Umgebung": "Beschreiben Sie Ihre unmittelbare Umgebung. Ihre Beschreibung wird Bestandteil einer Sammlung. Vermeiden Sie Sprechpausen".

Über Kopfhörer in den entstandenen Sitzecken kann die aktuelle Dokumentation bisheriger Anrufe abgehört werden. Hier finden die Besucher auch geeignetes kostenfreies Werbematerial, das auf die Möglichkeit einer aktiven Teilnahme ihrerseits hinweist: Visitenkarten und Postkarten mit der Rufnummer und einer knappen Erläuterung.

Mark Formanek