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Vorwort

Vorwort

von Dr. Helmut Knirim
und Dr. Uwe Rüth

Im Oktober 1999 wurde seitens des Integrationsamtes des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe beim Westfälischen Museumsamt angefragt, welche Möglichkeiten hier bestünden, die berufliche Integration eines blinden Akademikers innerhalb der Kulturpflege zu verwirklichen. Viele Überlegungen wurden angestellt und schnell verworfen, weil die Aufgaben entweder zu umfangreich oder zu wenig konkret schienen. Auch der Gedanke, eine Publikation mit dem Arbeitstitel "Behinderte Menschen im Museum" zu verfassen, wurde aufgrund dessen fallen gelassen. Im Zuge der Überlegungen entstand schließlich die Idee zur jetzigen Ausstellung, in der Kunstwerke präsentiert werden, die sich über ihre optische Erfahrbarkeit hinaus mittels anderer Sinneswahrnehmungen erschließen. Um die Idee auch als Ausstellung real umsetzen zu können, wurde bald mit dem Skulpturenmuseum Glaskasten Marl ein adäquater Partner gefunden, der schon in der Vergangenheit auf diesem Gebiet seine Erfahrungen gesammelt hatte.

Alle Sinne sind ursächlich mit dem Denken verbunden. Konkrete Wahrnehmungen sind Voraussetzungen für Einsichten. Fehlt ein Wahrnehmungssinn, sind Einsichtsmöglichkeiten wohl eingeschränkt, aber dennoch vorhanden.

In der Ausstellung "Mit Sinnen" wünschen wir uns einen verstärkten Dialog zwischen den Besucherinnen und Besuchern, zwischen sehenden und blinden Menschen. Gerade die reiche Erfahrungswelt der blinden Museumsbesucherinnen und -besucher im Einsatz von Gehör und Geruch, Tastsinn und Geschmack, verschafft den Sehenden möglicherweise erweiterte Einsichten in die Kunst, differenziertere Eindrücke, als sie diese bei rein optischer Betrachtung von Kunstwerken vielleicht erfahren hätten. Der Dialog über die Kunstwerke, durch den blinde und sehende Menschen - so hoffen wir - Deutungsansätze des anderen erfahren, kann am Ende zu einer ohne diesen Dialog vielleicht nicht erreichbaren Erkenntnissteigerung führen. Dann wäre es keine philosophische Frage mehr, ob man mit einem blinden Menschen über bildende Kunst reden kann.

Im Museum und in Kunstausstellungen werden Dinge dem Gesichtssinn dargeboten, sie stehen quasi zu Diensten des Auges. Das Museum hat seine Exponate zu schützen, es stellt sie in Vitrinen, um den Zugriff, das Berühren, zu verwehren. Schutzmaßnahmen sind häufig sinnesfeindlich, aber zum Erhalt von Kulturgut zwingend erforderlich. Für den blinden Menschen scheint sich der Gang ins Museum zu erübrigen. Vielfach ist er auch auf eine Begleitung angewiesen, die ihn führt und darüber informiert, was zu sehen ist. In der Ausstellung "Mit Sinnen" soll vieles anders sein: ein Leitsystem gewährt blinden und sehbehinderten Besucherinnen und Besuchern Bewegungsfreiheit bei der Wegewahl, Audiogeräte vermitteln sehenden und blinden Menschen gleiche Informationen zu den Kunstwerken, eine CD-ROM ersetzt den klassischen Ausstellungskatalog.
Konzipiert wurde keine Ausstellung, die sich vornehmlich an blinde Menschen wendet, in der man dann üblicherweise robuste Kunstwerke berühren und betasten darf.

Unser Versuch, Kunst jenseits optischer Wahrnehmung, mit anderen Sinnen zu begreifen, mag anmuten wie die Quadratur des Kreises, also unmöglich. Timm Ulrichs jedoch, ein Künstler der auch in der Ausstellung vertreten ist, hat in einer Arbeit bereits nachgewiesen, dass die Quadratur des Kreises realisiert werden kann. Wir wünschen allen Besucherinnen und Besuchern spannende Sinneserlebnisse.

Allen Künstlerinnen und Künstlern, die sich auf unser Ausstellungsvorhaben eingelassen, eigens dafür Werke geschaffen oder Werke aus ihrem reichen Exponatenschatz zur Verfügung gestellt haben, sei an erster Stelle herzlich gedankt. Ihr Entgegenkommen und ihre Experimentierfreude haben dieses Projekt erst möglich gemacht. Zu danken ist ferner Herrn Professor Bernd Damke, der an der Fachhochschule Münster, Fachbereich Design, eine Projektgruppe leitete, in der das Wegeleitsystem dieser Ausstellung entwickelt wurde. Auch den Studentinnen und Studenten, die an der Entwicklung und Ausgestaltung des Wegeleitsystems maßgeblich beteiligt waren, gilt unser herzlicher Dank. Zu nennen sind hier: Stefanie Bielefeldt, Gesa Dörfler, Claudia Dumstorff und Martin Henschel. Unser herzlicher Dank gebührt ferner den Autorinnen und Autoren der CD-ROM sowie Frau Christa Heistermann, der die umfangreiche Katalogredaktion oblag, und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Westfälischen Museumsamtes, die am Zustandekommen der Ausstellung mitgewirkt haben. Insbesondere soll die kollegiale und erfreuliche Zusammenarbeit zwischen dem Westfälischen Museumsamt und dem Skulpturenmuseum Glaskasten Marl hervorgehoben werden.

Herr Dietmar Schade hat die schwierige inhaltliche Aufarbeitung des Ausstellungsprojektes geleistet und ihm oblag ferner die gesamte Vorbereitung und Abwicklung. Für die hervorragende Arbeit ist ihm besonders zu danken.
Bei der wissenschaftlichen Arbeit und der Umsetzung des Projektes wurde er tatkräftig unterstützt von Frau Elizabeth Harding, Frau Eva Schmitsdorf und Herrn Volker Werner sowie durch Herrn Dr. Karl-Heinz Brosthaus vom Marler Skulpturenmuseum Glaskasten, denen ebenfalls unser herzlicher Dank gebührt.
Das Ausstellungsthema hat bei den Förderern großes Interesse geweckt; die Bereitschaft, das Vorhaben finanziell zu unterstützen wurde schnell signalisiert. Für ihr großzügiges Entgegenkommen gebührt der Stiftung Kunst und Kultur des Landes Nordrhein-Westfalen, der Kulturstiftung der Westfälischen Provinzial-Versicherungen und der Europäischen Union unser aller Dank.


Dr. Helmut Knirim
Westfälisches Museumsamt

Dr. Uwe Rüth
Direktor des Sklupturenmuseums Glaskasten Marl