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Harsewinkels „Auswanderer nach Amerika“
 
Aus: Petra Koch, Franz Wilhelm Harsewinkel: Die Auswanderer nach Amerika, um 1850 (Das Kunstwerk des Monats Juni 1993), Münster 1993


„Das Gemälde schildert eine Auswanderungsszene, das ist eindeutig – und doch steht es in starkem Kontrast zur Realität einer Auswanderung. Zwar wanderten nicht die ganz Armen aus, aber die hier gezeigten Personen können wohl nicht einmal der Unterschicht zugerechnet werden. Die gepflegte Kleidung, der Schmuck der Frauen, Kaffeetrinken und Tabakrauchen als Statussymbole zeugen von einem gewissen Wohlstand. Die äußeren Bedingungen einer Reise nach Amerika sind gar nicht erfaßt – schon daß die Personen keine Reisekleidung tragen, verwundert. Das Segelschiff ist zu klein für eine Atlantiküberquerung. Vergegenwärtigt man sich Schilderungen der Überfahrten im Segel- und später im Dampfschiff, so wird die Realitätsferne noch offensichtlicher. Im Zwischendeck eines Segelschiffs mußten sich mehrere Personen eine Koje teilen, frische Luft gab es kaum – und da sollen zwei Hunde, eine Katze und ein Spinnrad Platz gefunden haben? Die Ankunft in den Städten der amerikanischen Ostküste hat man sich auch damals schon anders vorzustellen. So beschreibt August Hölscher, ein Auswanderer aus Epe bei Gronau sein Eintreffen in New York im Juni 1849: ‚... und der große Mastenwald und ungeheure Stadt setzte mich in Erstaunen die Straßen sind regelmäßig gebaut sehr breit und auf beiden Seiten schöne Trotuars das ist hier ein lärmen rennen ...‘

Eine Erklärung für diese eigenartige, naiv-sentimentale Umsetzung des Themas kann sowohl in der Person des Malers als auch in der speziellen Überlieferungssituation des Bildes gefunden werden.
[...] Das Auswandererbild stammt aus einer münsterländischen Familie, aus der um die Mitte des 19. Jahrhunderts Angehörige nach Amerika auswanderten. Der Urgroßvater der früheren Besitzerin, Josef Orthaus, geboren 1822 in Wüllen, seit 1841 in Borken lebend, entschloß sich – wie viele seiner Zeitgenossen – in erster Linie zur Auswanderung, um dem preußischen Militärdienst zu entgehen. Daher dürfte die Auswanderung zwischen 1841 und 1847/50 stattgefunden haben. Eine offizielle Entlassungsurkunde ist nicht erhalten; der junge Mann wird sich zur heimlichen Auswanderung entschlossen haben. Sie fand vielleicht 1843 oder 1844 statt, denn in den Akten wird zwar Josef Orthaus nicht genannt; dafür sind aber fast 30 andere Personen aus Borken erfaßt. Ob die Überfahrt schon mit einem Dampfschiff oder noch mit einem Segelschiff erfolgte, kann man nicht sagen. Nachdem in Bremen 1847 eine erste Dampferlinie eingesetzt war, wurde bis 1868/70 die Segelschiffahrt fast völlig verdrängt.

In Amerika angekommen, blieb Josef Orthaus direkt in New York. Im Jahre 1851 heiratete er dort Franziska Robers, die, geb. am 17.4.1831 in Südlohn, ebenfalls ausgewandert war. Die beiden bauten in Amerika ein florierendes Bauunternehmen auf und gelangten zu einem gewissen Reichtum. Im Laufe der Zeit wurden fünf Kinder geboren: Josef Heinrich (geb. 1854), Leo, Lydia, Mathilde und Alwine. In den 1880er Jahren plante man – aus welchen Gründen, ist nicht bekannt – die endgültige Rückkehr nach Deutschland. Am 3. Mai 1886 reiste die Familie mit dem Dampfschiff ‚Main‘ nach Bremen zurück und ließ sich dann in Borken bzw. Bocholt nieder; in der überlieferten Passagierliste wie auch im Kabinenplan sind die Eltern und die fünf Kinder eingetragen.

Der Maler könnte das Bild zwar einfach gemalt haben, um ein damals aktuelles Thema künstlerisch zu verarbeiten. Vor dem geschilderten familiären Hintergrund könnte man aber auch vermuten, daß er irgendwann in den 1850er Jahren, vielleicht 1851, als Josef Orthaus heiratete, oder 1857, als sich die junge Familie Orthaus zu Besuch in Deutschland befand, den Auftrag erhielt, in einer fiktiven Ankunftsszene in Amerika die gesamte Familie wieder zusammenzuführen. Denn Josef Orthaus wanderte allein aus; das Bild zeigt aber drei Generationen einer Familie.

Offensichtlich ohne sich näher über den Ablauf einer Auswanderung zu informieren, hat Harsewinkel es vorgezogen, die Menschen in ihren verschiedenen Reaktionen auf die ungewöhnliche Lebenssituation zu charakterisieren. Das Bild bietet keine reale Schilderung, wie etwa Briefe oder Fotos von Auswanderern, und doch dokumentiert es ein historisches Phänomen auf eine ganz eigene, ästhetisch reizvolle Weise.“

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