2, die in den Industrieregionen Nordrhein-Westfalens nach dem Bombenkrieg besonders ausgeprägt war.
befanden sich nun in einem kriegszerstörten Land, das mit der Aufnahme von Millionen mittelloser Menschen vor immense Herausforderungen gestellt wurde. Das gilt insbesondere für Nordrhein-Westfalen. Zuwanderung aus dem Osten war hier seit der Industrialisierung zwar nichts Neues, und auch vor 1945 waren viele Arbeitsmigranten nicht freiwillig gekommen – etwa die Zwangsarbeiter in den beiden Weltkriegen. Alle früheren Zuwanderungswellen waren jedoch vom Bedarf an Arbeitskräften bestimmt und erfolgten, während die Industriegesellschaft an Rhein oder Ruhr auf- oder ausgebaut wurde. Die Zwangsmigration nach 1945 endete dagegen in einer in Trümmern und Not lebenden „Zusammenbruchgesellschaft“
5 Zahlreiche Dorfbewohner empfanden die große Zahl der Flüchtlinge und Vertriebenen als Bedrohung der geschlossenen Lebenswelt des Dorfes und seiner „alteingewurzelten Lebensordnung“.6 Die Flüchtlinge und Vertriebenen ließen die Einwohnerzahlen mitunter sprunghaft ansteigen, wodurch die Dörfer ihr Gesicht veränderten und ihre alte soziale Geschlossenheit verloren. Oft waren die neuen Einwohner Angehörige der jeweils anderen Konfession, die mit der Zeit eigene Kirchen bauten. Andere gingen gar nicht in die Kirche und trugen damit zur fortschreitenden Säkularisierung bei. Neben der Religionszugehörigkeit brachten Flüchtlinge auch fremde Bräuche, Dialekte und Lebenserfahrungen mit. Wenn sie ihre alten Berufe ausübten, beschleunigten sie die Vergewerblichung und Industrialisierung des ländlichen Raumes.7 Dadurch halfen die Flüchtlinge andererseits bei der Bewältigung der landwirtschaftlichen Strukturkrise der fünfziger Jahre. Insgesamt wurden sie in den ländlichen Gemeinden zu einem „gewichtigen Modernisierungsfaktor“.8 Diese massive Umgestaltung der Dorfgemeinschaften als Folge der Zuwanderung ging bereits in den fünfziger Jahren als „Revolution des Dorfes“9 in die Literatur ein.
zeigte sich, dass ihre Aufnahme nicht nur materielle Probleme wie Unterbringung, Versorgung und Arbeitsbeschaffung nach sich zog. Viele Dörfer waren vom Krieg völlig unberührt geblieben, doch das Eintreffen von Flüchtlingen und Vertriebenen machte den Einheimischen bewusst, dass nun auch sie vor einer Krisen- und Umbruchsituation standen.10, die mit einfachen Mitteln dem Bedarf des Arbeitsmarktes entsprechend gelenkt werden konnte und sich daher gut dazu eignete, Lücken in den Belegschaften zu schließen. Ihre Aufnahme in den Industriestädten hatte weit weniger soziale oder kulturelle Verwerfungen zur Folge als auf dem Land, insbesondere im durch Arbeitsmigration geprägten Ruhrgebiet.11 Dennoch stießen sie auch hier auf Ablehnung: Nahrung und Wohnraum waren knappe Ressourcen und zusätzliche Konkurrenten nicht erwünscht.12 Dazu kamen die Vorbehalte Lagerbewohnern gegenüber, denn Aufnahme in der Stadt bedeutete vor allem ein Leben in Sammellagern oder Notunterkünften – oft bis weit in die fünfziger Jahre hinein.13 Wer in intimer Nähe vieler fremder Menschen in einem solchen Lager lebte und noch dazu zerschlissene Kleidung trug, musste nach Meinung vieler Einheimischer moralisch verwahrlost sein.14 Dieser Ansicht schlossen sich selbst einzelne Behördenvertreter an. So erklärte ein Vertreter des nordrhein-westfälischen Sozialministeriums im Flüchtlingsausschuss des Landtages, wie seiner Meinung nach mit diesen „asoziale[n] Einwanderer[n]“ zu verfahren sei: Neben der polizeilichen Überwachung der Lager seien vor allem Arbeit und Erziehung die geeigneten Instrumente, um Flüchtlinge „wieder zu ordentlichen Menschen zu machen.“15 Ungeachtet solcher Entgleisungen bemühten sich die behördlichen Stellen jedoch in der Regel um eine zügige und konfliktfreie Eingliederung und richteten dazu spezielle Flüchtlingsämter ein.16
erfolgte in dem Maße, in dem insbesondere der Bergbau neue Arbeitskräfte rekrutierte. Flüchtlinge und Vertriebene waren eine „manövrierbare Masse“17 Dabei war für die meisten Menschen, die nach Nordrhein-Westfalen kamen, nicht von vornherein absehbar, dass sie tatsächlich für immer bleiben würden. Viele von ihnen hatten auf ihrer Flucht zahlreiche Zwischenstationen18 durchlaufen, von denen die ersten immer fremdbestimmt19 und damit „Zufallsheimaten“20 waren. Der Weg ins Ruhrgebiet war dagegen oft das Ergebnis gezielter Planungen und bewusster Entscheidungen – um zu Verwandten zu ziehen oder im Bergbau zu arbeiten. Fanden sich tatsächlich Wohnung und Arbeit, zeichnete sich für viele damit ab, dass das Ruhrgebiet mehr als eine von vielen Zwischenstationen werden konnte. Die Ankunft im Revier bedeutete in der Regel „das Ende ihrer unsicheren Jahre“.21
.22 auch eine Menge Hilfsbereitschaft gab. Zahlreiche Einheimische entwickelten gerade aus ihrer eigenen Verlusterfahrung viel Verständnis für die Situation der Flüchtlinge und Vertriebenen. Neben Privatleuten versuchten auch deutsche und internationale Hilfsorganisationen, Flüchtlinge und Vertriebene mit dem Notwendigsten auszustatten. Die populärste unter ihnen, die amerikanische Cooperative for American Remittances to Europe (C.A.R.E. genannt), wurde mit dem von ihr verteilten CARE-Paket zum Symbol für internationale Unterstützung in der Nachkriegszeit.
– auch die der im Bombenkrieg evakuierten Einheimischen, die bei ihrer Rückkehr viele Wege und Erfahrungen von Flüchtlingen und Vertriebenen teilten. Dabei wird immer wieder sichtbar, dass es ungeachtet der eher ablehnenden Haltung Flüchtlingen und Vertriebenen gegenüber