Das "Verarbeitende Gewerbe" in Westfalen – Grundstrukturen und Beschäftigte

01.01.2013 Peter Wittkampf

Inhalt

Methodische Vorbemerkungen

Gemäß der ab 2008 europaweit gültigen Klassifikation der Wirtschaftszweige (WZ 2008) und ihrer Nomenklatur, der sich auch die folgende Darstellung bedient, wird das, was früher als die eigentliche "Industrie" galt, als "Verarbeitendes Gewerbe" bezeichnet.

Es geht hier um die "sozialversicherungspflichtig Beschäftigten" am Arbeitsort im Verarbeitenden Ge­werbe – ohne "Bergbau und Ge­winnung von Steinen und Erden", ohne "Energie- und Wasserversorgung" und ohne "Baugewerbe".

Die Daten entsprechen, wenn nicht anders angegeben, jeweils dem Stand vom 31.12.2011.

Der hier vorgegebene Textrahmen erlaubt naturgemäß keine detaillierte Darstellung. Einige vergröbernde Generalisierungen sind leider unvermeidlich.

Abb. 1: Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten des Verarbeitenden Gewerbes an der Gesamtzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (Quelle: IT NRW 2012)

Die Anteile des ''Verarbeitenden Gewerbes''

In Westfalen-Lippe arbeiteten Ende 2011 insgesamt mehr als 720.000 Menschen im Verarbeitenden Gewerbe. Das entspricht 26,4% aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (s. Beitrag Wittkampf). Im Jahre 2003 beispielsweise betrug dieser Prozentsatz noch 35,5%. Die "Tertiärisierung", also die Bedeutungszunahme der Verwaltungs- und Dienstleis­tungsberufe, ist auch in Westfalen-Lippe ein wichtiges Kennzeichen des wirtschaftlichen Strukturwandels (s. Beitrag Wittkampf). Dennoch bleibt das Verarbeitende Gewerbe das "Rückgrat" der Wirtschaft. "Wir le­ben von der Indus­trie" – so lautete im Sommer 2012 eine Aussage der Landesregierung Nordrhein-Westfalens auf der Homepage www.nrw.de. Dies gilt in besonderer Weise für den Landesteil Westfalen-Lippe, der Ende 2011 deutlich mehr Beschäftigte im Verarbeitenden Gewerbe und auch mehr entsprechende Betriebe aufwies als das Rheinland.

Bei den kreisfreien Städten und Kreisen sind die Anteile der im Verarbeitenden Gewerbe Beschäftigten – im Vergleich zur Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten insgesamt – in Münster und Dortmund am geringsten, also dort, wo sehr viele zentrale Einrichtungen, Verwaltungen, Dienstleistungen, Bildungseinrichtungen usw. konzentriert sind (Abb. 1).

Abb. 2: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Zweigen des Verarbeitenden Gewerbes in Westfalen und nach räumlichen Schwerpunkten (Quelle: IT NRW 2012 und eigene Berechnungen)

Die ''Metallbranchen''

Generell lässt sich sagen, dass in Westfalen die "Metallbranchen" wirtschaftlich am bedeutsamsten sind. Ungefähr vier von zehn Beschäftigten des Verarbeitenden Gewerbes arbeiten in den entsprechenden Wirtschaftszweigen, davon 17,3% im Maschinenbau. In den beiden Branchen "Metallerzeugung und -bearbeitung" und der "Herstellung von Metallerzeugnissen" sind zusammen 26,6% der Beschäftigten tätig (Abb. 2). In 11 der 27 Kreise bzw. kreisfreien Städte von Westfalen-Lippe weisen diese Wirtschaftszweige die jeweils höchsten Anteile auf. In neun weiteren Kreisen bzw. kreisfreien Städten steht der Maschinenbau an der Spitze (Abb. 3).

Räumlich haben die "Metallbranchen" in Südwestfalen einen eindeutigen Schwerpunkt (Abb. 3; s. Beitrag Krajewski). Wenn man die "Metallerzeugung und -bearbeitung" und die "Herstellung von Metallerzeugnissen" zusammenfasst, ergibt sich, dass in den fünf Kreisen Ennepe-Ruhr-Kreis, Hochsauerlandkreis, Märkischer Kreis, Olpe und Siegen-Wittgenstein über 90.000 Menschen in diesen Wirtschaftszweigen arbeiten. Das sind 48% der gesamt-westfälischen Beschäftigten dieser Branchen. Weitere 34.000 Beschäftigte arbeiten dort im "Maschinenbau" (= 27,4% der gesamtwestfälischen Maschinenbau-Beschäftigten).

Eine herausragende Stellung hat hierbei der Märkische Kreis. Fast 20% der westfälischen Beschäftigten in der Herstellung und Bearbeitung von Metall bzw. Metallerzeugnissen sind hier konzentriert. Da der Märkische Kreis auch in anderen Wirtschaftszweigen eine große Bedeutung hat, weist er mehr Beschäftigte im gesamten Verarbeitenden Gewerbe auf als die Städte Dortmund, Bochum, Gelsenkirchen, Bottrop, Herne und Hamm zusammengenommen.

Voraussetzungen für die Bedeutungsentwicklung der Metallbranchen im Sauerland und Siegerland waren – schon in vorindustrieller Zeit – Erzvorkommen, Holzkohle und Wasserkraft (s. Beitrag Walter). Auch als diese Standortfaktoren ihre Bedeutung verloren, hielt man an der Tradition der Metallverarbeitung weiterhin fest. Es kamen sogar Betriebe aufgrund der verfügbaren Arbeitskräfte und wegen der Agglomerationsvorteile neu hinzu. Durch Spezialisierung und technische Innovationen konnten viele Unternehmen zu Marktführern und sogar zu "Global Playern" aufsteigen. Eine erhebliche Anzahl von Betrieben ist im Bereich "Automotive" tätig, beliefert also die Fahrzeugindustrie mit Bauteilen.

Auch in den Ruhrgebietsstädten, im Münsterland und in Ostwestfalen gibt es bedeutende Unternehmen der Metallbranche und des Maschinenbaus. Oft haben sie sich aus ursprünglich kleinen Familienbetrieben zu großen Unternehmen entwickelt, einige von ihnen haben inzwischen auch internationale Bedeutung erlangt.

Abb. 3: Wirtschaftszweige des Verarbeitenden Gewerbes mit den jeweils meisten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in den Kreisen/kreisfr. Städten (Quelle: IT NRW 2012)

Andere Wirtschaftszweige

Bestimmte Wirtschaftszweige, die noch vor einigen Jahrzehnten die westfälische Wirtschaft entscheidend prägten, haben ihre frühere Bedeutung längst eingebüßt. Hierzu gehört beispielsweise die Textilin­dus­trie im nordwestlichen Münsterland, die dort u. a. wegen der Konkurrenz aus "Billiglohnländern" außerordentlich stark ge­schrumpft ist (s. Beitrag Lassotta). Andere Branchen, z. B. die Mö­belherstellung in Herford, konnten sich dagegen an ihren traditionellen Standorten durchaus behaupten.

Jeder zehnte sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Westfalen-Lippe ist inzwischen mit der Herstellung von elektrischen Ausrüstungen, elektronischen Erzeugnissen oder Datenverarbeitungsgeräten beschäftigt. Dies kann durchaus als Zeichen der "Modernität" der westfälischen Wirtschaft gesehen werden.

In den sieben Kreisen bzw. Städten, in denen nicht Metallbranchen oder der Maschinenbau dominieren, wird die statistische Dominanz anderer Branchen häufig durch Unternehmen mit vielen Beschäftigten entscheidend beeinflusst. So arbeiten etwa in Münster mehr als 2.000 Beschäftigte beim Lackhersteller BASF Coatings (s. Beitrag Heineberg), in Bochum ca. 3.200 bei Opel, in Rheine (Kreis Steinfurt) etwa 1.300 bei apetito, einem der größten Produzenten von Tiefkühlgerichten (s. Beitrag Wittkampf). Bei Hella in Lippstadt, Kreis Soest, produzieren rund 6.000 Mitarbeiter Lichtsysteme. Bekannte Markennamen der Glasherstellung in Bad Driburg, Kreis Höxter, sind z. B. Leonardo oder Ritzenhoff (s. Beitrag Rohleder).

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Weiterführende Literatur/Quellen

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Erstveröffentlichung 2013