Home | Der LWL | Soziales | Psychiatrie | Jugend/Schule | Kultur

Die Preußische Treuhand GmbH & Co. KG a.A.

Björn Zech

Die Preußische Treuhand GmbH & Co. KG a.A. ist ein privatwirtschaftliches Unternehmen, dessen Ziel die Durchsetzung von Eigentumsansprüchen einzelner Vertriebener in ihren Heimatregionen ist. Zu diesem Zweck soll auf dem Rechtsweg über europäische Gerichte die Rückgabe konfiszierten Eigentums oder eine ausreichende Entschädigung erwirkt werden. Die Preußische Treuhand sieht sich in der Rolle einer Selbsthilfeorganisation für ihre Klienten sowie als strategisches Instrument der Vertriebenenverbände und Opfergruppen. Mitglieder und Anteilseigner der auf Aktien basierenden Gesellschaft sind zahlreiche Privatpersonen sowie die Landsmannschaften Schlesien, Ostpreußen und Pommern.

In der Vergangenheit führte die Gesellschaft auch die Bezeichnung „Prussian Claims Conference“, die sich an der „Jewish Claims Conference“ orientierte, einem Zusammenschluss jüdischer Organisationen, der Entschädigungsansprüche jüdischer Opfer des Nationalsozialismus vertritt. Nach zahlreichen Protesten wird diese Bezeichnung heute jedoch nicht mehr verwendet.

In Deutschland kaum bekannt, spielt die Treuhand in Polen ein große Rolle in der öffentlichen Diskussion – nicht zuletzt auch im Zusammenhang mit der EU-Mitgliedschaft.

Die Entstehung

Wenn Vertriebene sich bei der Bundesregierung nach der Rückgabe ihres verlorenen Eigentums erkundigen, erhalten sie vom Bundesausgleichsamt bis heute einen Standardbrief. Der Brief erläutert, dass die Bundesrepublik Deutschland keine Entschädigungsforderungen an Polen oder andere Länder habe, Privatpersonen jedoch nicht auf eventuelle individuelle Ansprüche gegenüber den jeweiligen Ländern verzichten müssten und diese vor internationalen Institutionen geltend machen könnten.

Rudi Pawelka, Vorsitzender der Schlesischen Landsmannschaft, interpretierte diese Standardbriefe als indirekte Aufforderung, den Rechtsweg gegen Polen zu beschreiten. Als der Deutsche Bundestag 1998 mit den Stimmen von CDU und FDP eine Resolution verabschiedete, die feststellte, dass die Vermögensfrage der Vertriebenen weiterhin offen sei, sah Pawelka sich bestätigt und gründete zwei Jahre später die Preußische Treuhand.

Polnische Reaktionen

Mit der für 2004 anvisierten EU-Mitgliedschaft würde Polen der Jurisdiktion europäischer Gerichtshöfe unterstellten werden. Die nationalkonservative polnische Partei „Prawo i Sprawiedliwosc“ (Recht und Gerechtigkeit) PiS sah die Gefahr, dass zahlreiche Deutsche dann mit Hilfe europäischer Gerichte in ihre ehemaligen Wohnorte zurückkehren, dort ansässige Polen enteignen und weitere Grundstücke erwerben könnten. Als Folge würden viele polnische Landkreise nach und nach wieder zu deutschen Gebieten. Eine im Auftrag des Hauses der Geschichte durchgeführte Studie stellte im Sommer 2004 fest, dass 61 % der Polen es tatsächlich für wahrscheinlich oder sehr wahrscheinlich hielten, dass die deutsche Regierung in Zukunft ehemalige deutsche Gebiete und Besitztümer zurückfordern werde.1

Die PiS und viele Polen setzten die Interessen der Preußischen Treuhand mit den Interessen der Bundesregierung und der Mehrheit der deutschen Bevölkerung gleich. Eine Erklärung des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder in Warschau, dass die Bundesregierung den Ansprüchen der Preußischen Treuhand entgegentreten und diese Haltung auch vor jedem Gericht deutlich machen werde, konnte die Befürchtungen in Polen nicht verringern. Im September 2004 verabschiedete das polnische Abgeordnetenhaus (der Sejm) daraufhin ohne Gegenstimme einen Appell an die polnische Regierung, nun ebenfalls Reparationen von Deutschland einzufordern. Allein für Schäden in der Stadt Warschau sollten mehr als 45 Mrd. US-Dollar Entschädigungen gezahlt werden.

Zwar hatte Polen 1953 gegenüber der DDR und 1970 im Warschauer Vertrag gegenüber der Bundesrepublik endgültig auf Reparationen verzichtet, nach Meinung der polnischen Abgeordneten galt dieser Verzicht jedoch nicht, da Polen unter der Dominanz der Sowjetunion keine außenpolitische Souveränität besaß. Gleichzeitig forderten die Abgeordneten die Bundesregierung auf, deutsche Bürger nicht weiterhin auf den Gerichts- oder Verwaltungsweg gegen Polen zu verweisen, womit auf das Schreiben des Bundesausgleichsamtes angespielt wurde. Um außenpolitischen Schaden abzuwenden und Polens Position als neues EU-Mitglied nicht zu belasten, verzichtete Polens Regierung jedoch darauf, dem Appell des Sejm Folge zu leisten.

Die juristische Beurteilung

Die Bundesregierungen bezogen stets eine klare politische Position gegen die Preußische Treuhand. Eine von den ehemaligen deutschen und polnischen Regierungschefs Schröder und Belka eingesetzte deutsch-polnische Expertengruppe kam ferner zu dem Schluss, dass die Klagen der Treuhand national und international völlig chancenlos seien.

Nicht alle führenden Juristen teilen jedoch diese Ansicht: Die EU schützt über die Europäische Menschenrechtskonvention das Recht auf Eigentum, und viele Vertriebene sind noch immer in den Grundbüchern ihrer ehemaligen Heimatorte als Besitzer eingetragen. Polnische Neubürger, die auf ihrem Grund siedelten, hatten in der Regel nur ein Pachtrecht erhalten. Wenn die Kläger laut Grundbuch noch Eigentümer sind und polnische Behörden ihnen den Besitz verweigern, läge damit tatsächlich ein Klagegrund vor. Sofern die Grundbucheinträge erst in den letzten Jahren geändert und ehemalige Besitzer dadurch enteignet wurden, könnte auch das Fehlen einer Entschädigung juristisch angegriffen werden. Vor allem dann, wenn polnische Enteignete in ähnlichen Fällen vom polnischen Staat Entschädigungen erhielten, könnten deutsche Enteignete auf Gleichbehandlung klagen. Für Enteignungen und Grundbuchänderungen in der unmittelbaren Nachkriegszeit ist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der erst in den 1950er Jahren gegründet wurde, jedoch nicht zuständig.

Die aussichtsreichsten Chancen auf Erfolg haben vor allem die Klagen von Spätaussiedlern aus den 1970er und 1980er Jahren. Sie mussten vor ihrer Ausreise oft eine rechtswidrige Erklärung unterzeichnen, mit der sie auf ihr zurückgebliebenes Eigentum und ihre Staatsangehörigkeit verzichteten. In einigen wenigen Fällen, in denen eine solche Verzichtserklärung nicht abgegeben wurde und die Betroffenen ihre polnische Staatsangehörigkeit behielten, wurde in der Vergangenheit bereits der polnische Rechtsweg erfolgreich bestritten und tatsächlich Entschädigungen erwirkt.

Klage vor dem EU-Gerichtshof für Menschenrechte

Die Einreichung der ersten Klage verzögerte sich bis Dezember 2006, da die Anwälte der Preußischen Treuhand – einige von ihnen hatten schon die Klagen jüdischer Enteignungsopfer vertreten – mehrfach ihr Mandat wieder niedergelegt hatten. Die Klageerhebung führte zu heftigen Reaktionen seitens der polnischen Regierung: Polens Ministerpräsident Lech Kaczynski drohte, dies könne die Zerstörung der deutsch-polnischen Beziehungen bedeuten. Die polnische Außenministerin Anna Fotyga schloss die Bemerkung an, dass nun das deutsch-polnische Nachbarschaftsabkommen von 1991 neu verhandelt werden müsse. Diese Äußerung wurde vorübergehend von deutschen Medien missverstanden und so interpretiert, als müsse sogar eine Neuverhandlung des Grenzvertrages von 1990 stattfinden.

Die Bundesregierung hat keine juristische Handhabe für ein Verbot der Treuhand. Sie kann ihren Bürgern auch nicht den Gang vor die Gerichte verbieten. Würde sie gegenüber Polen generell auf Ansprüche verzichten, könnten die Vertriebenen und die Preußische Treuhand sie wegen Missachtung ihrer Rechte verklagen.

Zum Seitenanfang Top

Fußnoten

  1. Süddeutsche Zeitung vom 09.11.2005, Seite 13

 

Zur vollständigen Literaturliste

nach oben Link zum Anfang der Seite