Geschichte im Öffentlichen Raum > Hermannsdenkmal


 
Tobias Arand

Nationaldenkmäler und die politische Projektion des Nationalismus

Das Hermannsdenkmal bei Detmold

 
 
Oberthema
"Zur Konstituierung von Geschichte im öffentlichen Raum - zum Beispiel Denkmäler"
1. Nationaldenkmäler und die politischen Projektionen des Nationalismus
 
 
Stufe
13/II (Das o.g. Oberthema wird im Lehrplan 1999, S. 88ff., als Beispiel für die 13/II vorgeschlagen. Dieses Thema kann ebenso wie ein vergleichbares Thema auch in den anderen Stufen der S II bearbeitet werden.)
 
 
Zeit
Antike - Mittelalter - Neuzeit - Gegenwart
 
 
Grundbegriffe
  • Denkmal
  • Einheitsbestrebungen im 19. Jahrhundert
  • Demokratie
  • Verfassungsstaat
  • Revolution von 1848/49
  • Nationalstaatsgedanke/Nationalismus
  • Nationalsymbolik
  • Deutsche Einigungskriege
  • Deutsches Kaiserreich
  • Historismus
  • Wilhelm I.
  • Ernst von Bandel
  • Arminus/Hermann der Cherusker
  • Varusschlacht
 
 
Sachanalyse
Bereits im 16. Jahrhundert war die Figur Hermanns des Cheruskers im deutschen Sprachraum sehr populär. So gab es Arminiusromane und auch zahlreiche Gemälde zum Thema. Erste Pläne zur Errichtung eines Hermannsdenkmals wurden gegen Ende des 18. Jahrhunderts gefasst. Landgraf Friedrich V. von Hessen-Homburg betrieb vermutlich seit 1782 konkrete Denkmalspläne, die von dem Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock unterstützt wurden. Klopstock verfasste die vorgesehenen Inschriften. Diese Pläne kamen jedoch ebenso wenig zur Ausführung wie jene Wilhelm Tappes, Landbaumeister in Lippe von 1813 bis 1819, den Bau eines runden, leicht zugespitzten Turms aus rohen Felsstücken als Sockel für die Arminiusfigur vorgeschlagen hatte.

Erst der 1800 geborene Bildhauer Ernst von Bandel, einer preußischen Beamtenfamilie entstammend und von den Erfahrungen der Befreiungskriege geprägt, konnte die Pläne ernsthaft vorantreiben. Bereits 1819 entwarf Bandel erste Skizzen für ein Hermannsdenkmal, das er sich als nationales Symbol einer noch zu verwirklichenden deutschen und freiheitlichen Einheit wünschte. Bandel sah wie viele seiner Zeitgenossen im historischen Beispiel der getrennten Stämme der Germanen, welche die Römer vorgeblich nur durch Einigkeit besiegen konnten, ein Vorbild für die Erfüllung des Wunsches vieler Deutscher, auch das in Einzelstaaten zerrissene Deutschland möge in einem Staat vereint sein. 1837 wurde in Detmold ein "Verein für das Hermannsdenkmal" gegründet, dem später auch noch in vielen anderen deutschen Städten ähnliche Vereine folgten und deren gemeinsame Aufgabe in der Werbung für das Denkmal und der Beschaffung von Geld sein sollte. Da man damals noch der irrtümlichen Meinung war, dass die Varusschlacht tatsächlich in jenem Gebiet stattgefunden habe, die heute Teutoburger Wald heißt, wurde als Aufstellungsort des Denkmal die alte Grotenburg unweit Detmolds gewählt.

Am 8. September 1841 hielt der Detmolder Verein anlässlich der Schließung des Grundsteingewölbes eine Feier auf der Grotenburg ab. Im Jahr 1844 gingen die Einnahmen des Vereins zurück und überwarf sich Bandel mit dem Förderverein. Als Konsequenz hieraus musste der Bau unterbrochen werden. Auch der Umstand, dass Bandel sein Privatvermögen opferte, konnte keine Wende herbeiführen. 1862 gründete sich aber in Hannover ein neuer "Verein für das Hermannsdenkmal", durch dessen Wirken die Arbeiten wieder fortgesetzt werden konnten. Ein weiterer wichtiger Impuls zur Realisierung des Baus kam mit dem in der Presse vielbeachteten Besuch König Wilhelms I. von Preußen in der Werkstatt des Künstlers 1869. Nachdem Bandel sein Werk unter das Patronat des preußischen Königs gestellt hatte, spendete dieser mehrere tausend Taler für das Projekt.

Das Denkmal wurde am 16. August 1875 in Anwesenheit Kaiser Wilhelms I. feierlich eingeweiht. Bandel verstarb nur ein Jahr später hochdekoriert in Bayern.

Das Hermannsdenkmal besteht vorwiegend aus neugotischen Bau- und Schmuckelementen. Besonders die im Sockel untergebrachte s ogenannte'‚Ruhmeshalle', in der berühmter Deutsche - ähnlich der Walhalla bei Regensburg - gedacht werden sollte, ist neugotisch geprägt. Dieser Teil des Monuments blieb aber unvollendet. Am Unterbau des Denkmals sind verschiedene Inschriften zu finden. Diese beziehen sich auf die Schriften des Tacitus als Quelle für die Varusschlacht, auf die Befreiungskriege und auf die Reichsgründung. Vor der ‚Bandelhütte', in der Ernst von Bandel während der Bauarbeiten an dem Denkmal wohnte, erinnern zwei Gedenksteine an den Einweihungstag. Noch heute ist das Denkmal beliebtes Ausflugsziel, aber auch Werbeträger der Region und der dortigen Wirtschaft.

Deutsche Auswanderer, die nach der gescheiterten Revolution von 1848 nach Amerika geflohen waren, gründeten dort die Stadt New Ulm. In New Ulm wurde als Zeichen der kulturellen Verbundenheit mit der Heimat, aber auch als politisches Symbol 1897 ein kleineres Hermannsdenkmal errichtet, welches sich in der Gestaltung aber eng an 'den großen Bruder' in Deutschland anlehnte.
 
 
Didaktischer Kommentar
Denkmäler fehlen selbst in den kleinsten Orten nicht. Zumeist erinnern sie an historische Ereignisse oder Personen von lokalgeschichtlicher Bedeutung. Durch ihre Häufigkeit und Alltäglichkeit sind sie ein nicht zu unterschätzendes Medium historischer Vorstellungen und politischer Ideen. Möchte man Schüler zu historisch mündigen Menschen erziehen, ist die Schulung auch folgender Fähigkeiten durchaus von Bedeutung: Fähigkeit zur Kontextualisierung von Denkmälern in größere ideengeschichtliche und historische Zusammenhänge, zur Interpretation von Denkmälern nach ihren formalen Merkmalen, zur Dekonstruktion der in den Denkmälern enthaltenen historischen Narrationen, zur Erkenntnis der sich in der Zeit vollziehenden Änderungen in den Bedeutungszuweisungen an Denkmäler. Dass Denkmäler kaum etwas über das erinnerte Ereignis oder die erinnerte Person, dafür aber umso mehr über die sich wandelnde Sicht der Nachgeborenen auf das Ereignis oder die Person aussagen, zeigt sich am Hermannsdenkmal im Teutoburger Wald besonders deutlich.

An diesem Denkmal zeigt sich exemplarisch ein Wandel in der Bedeutungszuweisung, der gleichzeitig auch symptomatisch ist für die Entwicklung der deutschen Reichseinigung und ihrer Befürworter. Ursprünglich war das Hermannsdenkmal Symbol eines freiheitlich-bürgerlich-demokratischen und geeinten Deutschlands gedacht, wurde im Zuge der Reichseinigung aber uminterpretiert in das Nationaldenkmal der im blutigen Kriege gegen Frankreich (Rom) geeinten Monarchie. ‚Hermann - der tapfere Germane' war in der Folgezeit ein beliebtes Sujet des Historismus in Literatur und Malerei. Ohne die Auswanderung der radikalen Demokraten nach der gescheiterten Revolution von 1848/49 nach Amerika, die sich dort schließlich nicht zufällig ihren Hermann nachbauten, und die Anpassung der in Deutschland verbliebenen Revolutionäre an die Idee einer Einigung 'von oben' wäre weder diese Umdeutung des Denkmals noch die breite Akzeptanz der Reicheinigung in ihrer tatsächlichen Form möglich gewesen.

Doch auch die Indienstnahme des Denkmals und der Hermannslegende in folgenden Zeiten zeigt in nuce wichtige Etappen der politischen und ideologischen Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert auf. Nachdem es bereits 1893 Treffpunkt einer Versammlung der 'Antisemiten Deutschlands' war, wurde das Hermannsdenkmal im Dritten Reich Ort eines kruden und rassistischen Germanenkult. Im Ersten Weltkrieg war das Denkmal beliebtes Motiv patriotischer Bildpostkarten. Zwischen den Weltkriegen wurde das 50. Jubiläum des Denkmals feierlich, aber auch nicht ohne revanchistische Untertöne begangen. Besonders spektakulär waren dabei die Feierlichkeiten der Deutschen Turnerschaft, die im August 1925 einen deutschlandweiten 'Hermannslauf' zum Denkmal durchführten.

In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg noch Kundgebungsort Heimatvertriebener, ist das Denkmal in der Gegenwart weitgehend losgelöst von seinen ideengeschichtlich-politischen Kontexten nur noch Ausflugsziel, Werbeträger oder Scherzobjekt eines Fußballvereins. Die problemorientierte Thematisierung der Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte des Denkmals kann gerade unter Betonung der sich verändernden Sichtweisen einen wichtigen Beitrag zur Förderung reflexiven Geschichtsbewusstsein leisten. Es bietet sich für eine derartige Unterrichtseinheit natürlich zwingend an, Geschichte beziehungsweise ihre Deutung‚ vor Ort zu studieren.
 
 
Mögliche Stundenthemen
  • Die Varusschlacht - Wo war sie denn nun?
  • Frühe Hermannrezeption vom 16. bis 18. Jahrhundert
  • Die Hermannschlacht als antifranzösisch-patriotische Befreiungspropaganda -
    Heinrich von Kleist und sein Blick auf den Cheruskerfürsten
  • Wandel eines Denkmals im Wandel der deutschen Geschichte (mindestens 9 Stunden)
  • Das Hermannsdenkmal und seine bauliche Gestaltung
  • Ernst von Bandel - Leben und Werk
  • Vom Zeichen der Einheit in Freiheit zum Symbol der geeinten Monarchie
  • Hermannsdenkmal und Herrmannsschlacht im Kaiserreich als bildhafte
  • Projektionsflächen des deutschen Nationalismus (Historienmalerei, Literatur, Geschichtsschreibung)
  • Hermann als Kriegsheld - Bildpostkarten 1914-1918 und Methoden ihrer Interpretation
  • Das Hermannsdenkmal in der Weimarer Republik als Symbol des Revanchismus
  • Hermann und sein Denkmal im Kontext der nationalsozialistischen Ideologie
  • Das Hermannsdenkmal nach dem Krieg - Nur noch ein Ausflugsziel?
  • Abschließende Reflexion über die Bedingungen und Gründe der sich wandelnden Bedeutungszuweisungen vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts - Zusammenfassung
 
 
Unterrichtsmaterialien
Denkmal / Geschichte des Denkmals:
 
Einführungstexte:
Informationen für Lehrerinnen und Lehrer:
 
 

 
 
 
Inschriften
  • "Deutsche Einigkeit meine Stärke, meine Stärke Deutschlands Macht"
    Quelle: Inschrift auf dem Schwert, zitiert nach Bemmann 2002, S. 229
  • "Der lang getrennten Stämme vereint mit starker Hand, / Der welschen Macht und Tücke siegreich überwand, / Der längst verlorene Söhne heimführt zum Deutschen Reich,/Armin, dem Retter, ist er gleich."
    Quelle: Inschrift auf einer Tafel in einer Sockelnische des Hermannsdenkmals mit einem aus einer im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 erbeuteten Kanone gegossenen Bronzerelief Kaiser Wilhelms I., zitiert nach Bemmann 2002, S. 229f.
  • "Am 17. Juli 1870 erklärte Frankreichs Kaiser, Louis Napoleon, Preußen Krieg, da erstunden alle Volksstämme Deutschlands und züchtigten von August 1870 bis Januar 1871 immer siegreich französischen Übermut unter Führung König Wilhelms von Preußen, den das deutsche Volk am 18. Januar zu seinem Kaiser erkor."
    Quelle: In Stein gehauene Inschrift in einer Sockelnische des Hermannsdenkmals und dem Bronzerelief Kaiser Wilhelms I., zitiert nach Bemmann 2002, S. 230.
  • "Nur weil deutsches Volk verwelscht und durch Uneinigkeit machtlos geworden, konnte Napoleon Bonaparte, Kaiser der Franzosen, mit Hilfe Deutscher Deutschland unterjochen; da endlich 1813 scharten sich um das von Preußen erhobene Schwert alle deutschen Stämme, ihrem Vaterlande aus Schmach die Freiheit erkämpfend."
    Quelle: Inschrift auf einer Tafel in einer Sockelnische des Hermannsdenkmals, zitiert nach Bemmann 2002, S. 229f.
 
 
 
Mythos / Postkarten
 
 
Literatur
Primärquellen

Bär, Adolf / Quensel, Paul (Hg.)
Bildersaal Deutscher Geschichte. Zwei Jahrtausende deutsches Leben in Bild und Wort. Stuttgart [u.a.] 1890 (unveränderter Neudruck 2003).

Film  "Hermannschlacht"' nach der literarischen Vorlage Heinrich von Kleists. Deutschland 1924

Wahlert, Robert von
50 Jahre Hermannsdenkmal. Amtliche Festschrift. Detmold 1925.


Sekundärliteratur

Bemmann, Klaus
Arminius und die Deutschen. Essen 2002.

Dörner, Andreas
Politischer Mythos und symbolische Politik. Sinnstiftung durch symbolische Formen am Beispiel des Hermannsmythos. Opladen 1995.

Doyé, Werner Martin
Arminius, in Deutsche Erinnerungsorte. Bd. 3, hg. v. Etienne Francois und Hagen Schulze. München 2001, S. 587-602.

Engelbert, Günther (Hg.)
Ein Jahrhundert Hermannsdenkmal 1875-1975. Detmold 1975.

Kittel, Erich
Heimatchronik des Kreises Lippe. 2. Aufl. Köln 1978.

Lux-Althoff, Stefanie (Bearb.)
125 Jahre Hermannsdenkmal. Nationaldenkmale im historischen und politischen Kontext. Lemgo 2001.

Meier, Burkhard (Hg.)
Das Hermannsdenkmal und Ernst von Bandel. Zum zweihundertsten Geburtstag des Erbauers. Detmold 2000.

Mellies, Dirk
Arminius - Der Mega-Star. Mißbrauch und Vermarktung des Hermannsdenkmals von der Einweihung bis heute. Detmold o.J. [1993].

Wiegels, Rainer / Woesler, Winfried (Hg.)
Arminius und die Varusschlacht - Geschichte - Mythos - Literatur. 2. Aufl. Paderborn [u.a.] 1999.
 
 
Methoden
  • Außerschulisches Lernen
  • Text- und Bildinterpretation
  • Beschreibung von Sachquellen
 
 
Lernziele
Die Schüler sollen ...
  • Grundwissen über die Varusschlacht, Arminius und die unterschiedlichen in der Zeit veränderlichen Deutungen der Person und der Taten des Cheruskers erhalten,
  • den Bedeutungswandel des Hermannsdenkmals in den Zusammenhang der Wandlungen der deutschen Politik- und Ideengeschichte des 19. und 20 Jahrhunderts einordnen können und so die grundsätzliche Fähigkeit zur Kontextualisierung von Denkmälern in größere historische Zusammenhänge erlangen,
  • Denkmälern nach ihren formalen Merkmalen interpretieren können,
  • die Fähigkeit zur Dekonstruktion der in den Denkmälern enthaltenen historischen Narrationen entwickeln.
 
 
Lernorte
Hermannsdenkmal
Grotenburg 50
32760 Detmold-Hiddesen
Tel. 0170/9512937

Hermannsdenkmal-Stiftung
Landesverband Lippe
Schloßstrasse 18
32657 Lemgo
Tel. 05261/250219
URL: http://www.hermannsdenkmal.de

Lippisches Landesmuseum Detmold
Ameide 4
32756 Detmold
Tel. 05231/99250
 Weitere Informationen zum Lippischen Landesmuseum
 
 
Links
Institut für Lippische Landeskunde, Detmold
Am Lindenhaus 22
32657 Lemgo
Tel.: 05261/940040
URL: http://www.institut-lemgo.de
 Weitere Informationen zum Institut für Lippische Landeskunde