LWL-Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Mitteilung vom 11.06.14

Presse-Infos | Soziales

Vom Treckerführerschein bis zum Kapitänspatent

LWL unterstützt Arbeitgeber und arbeitslose Menschen mit Behinderung

Bewertung:

Westfalen (lwl). 14 Prozent beträgt die Arbeitslosenquote bei Menschen mit Behinderungen in Deutschland; bei Menschen ohne Behinderungen sind es ¿nur¿ 7 Prozent. Das ist ein Ergebnis des Inklusionsbarometers der Aktion Mensch. Die Bertelsmann-Stiftung hat gerade eine Studie veröffentlicht der zufolge nur wenige Jugendliche mit Behinderung einen Ausbildungsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt bekommen. Als Grund nennt die Studie, dass die Fördermöglichkeiten oft nicht bekannt seien. Genau da setzt die Arbeit von Dr. Monika Peters und Dr. Eva Beermann vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) an. Die Mitarbeiterinnen des LWL-Integrationsamt sehen die Aufgabe des LWL-Integrationsamtes auch darin, Menschen mit Behinderung und Arbeitgebern die richtige Anlaufstelle zu vermitteln. Laut Inklusionsbarometer gelingt ihnen das gut: Während bundesweit 78 Prozent der Personalverantwortlichen die Fördermöglichkeiten kennen, sind die Fördermöglichkeiten der NRW-Integrationsämter sogar bei 85 Prozent der Verantwortlichen bekannt. Im Interview geben die beiden Mitarbeiterinnen Antworten auf Fragen wie: Haben es behinderte Menschen schwerer, eine Arbeit zu finden und zu behalten? Welche Nachteile oder Vorteile haben Unternehmen, die behinderte Mitarbeiter beschäftigen? Und: Welche Hilfen gibt es für sie?

Warum haben behinderte Menschen es so schwer auf dem ersten Arbeitsmarkt?
Dr. Eva Beermann: So für sich allein wirkt die Quote schlechter, als sie ist. Da hat sich in den letzten Jahren Vieles verbessert. Soziale Verantwortung hat einen Wert in vielen Unternehmen. Auch der demografische Wandel bietet hier Chancen: Wir erkennen in Deutschland gerade, dass die Ressource Mensch endlich ist. Behinderte Facharbeiter sind auch eine wertvolle Ressource.

Auf welche Haltung treffen Sie bei den Unternehmen?
Dr. Monika Peters: Leider gibt es bei einigen Entscheidern das Vorurteil: ¿Wenn ich so jemanden einstelle, dann werde ich ihn nicht mehr los, wenn es Probleme gibt.` Trotzdem sehen wir: Viele Arbeitgeber sind sehr wohl bereit, behinderte Menschen einzustellen. Die einmalige Prämie, die sie dafür von uns erhalten, ist da eher ein Bonbon und gibt nicht den Ausschlag.
Beermann: Schwerbehinderte Menschen stehen zwar unter einem besonderen Kündigungsschutz. So steht es im 9. Sozialgesetzbuch. Aber auch bei behinderten Menschen wird Fehlverhalten nicht toleriert. Wenn wir so eine Situation begleiten, haben wir immer sowohl das Wohl des Arbeitgebers und das Wohl des Menschen mit Behinderung im Blick. Schließlich soll es allen Beteiligten gut gehen. Wir kümmern uns darum, vermitteln und helfen Barrieren abzubauen. Da lassen wir ein Unternehmen nicht allein, wenn es Probleme gibt.

Zahlen Unternehmen lieber eine Abgabe, um keinen behinderten Menschen beschäftigen zu müssen?
Beermann: Das erleben wir auch anders: Wer schon gute Erfahrungen mit behinderten Menschen gemacht hat, beschäftigt oft sogar mehr als die geforderten fünf Prozent. Viele öffentliche Arbeitsgeber übererfüllen die Quote gern. Aber wir möchten mit unseren Angeboten auch die Unternehmen erreichen, die noch Ausgleich zahlen oder keine Quotenpflicht haben, weil sie weniger als 20 Mitarbeiter beschäftigen.

Wie wollen Sie das erreichen?
Peters: Von der Kehrmaschine bis zum Kapitänspatent haben wir schon einiges mit Förderung möglich gemacht - und damit oft mehr bewirkt als ein bestehendes Arbeitsverhältnis zu sichern.
Wir haben tatsächlich einmal einem seelisch beeinträchtigten Mann ein Kapitänspatent finanziert. Ich durfte erleben, wie er sich damit einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt gesichert hat. Heute ist er sogar erfolgreich selbstständig.
Beermann: Wir können aus einer großen Fülle schöpfen. Das wissen viele Unternehmen leider nicht. Wir gehen in den Betrieb und schauen uns die Situation an. Dann können wir bedarfsgerecht und schnell entscheiden.

Was hält Unternehmen denn dann noch davon ab, einem behinderten Menschen dauerhaft Arbeit zu geben?
Peters: Unternehmen machen sich oft unnötig Sorgen über zusätzlichen Aufwand. Und Viele wissen nicht, wie viel Hilfe sie von uns bekommen können - nicht nur, um barrierefrei zu werden. Das geht von Schulungen für Bürotätigkeiten bis zum Motorsägeführerschein für den Garten- und Landschaftsbau. Unsere Job-Coaches sorgen dafür, dass behinderte Menschen an ihrem Arbeitsplatz die Qualifikation erhalten, die sie für ihre Arbeit brauchen. Egal, ob das ein Lese- und Schreibtraining für eine Köchin ist, die Rezepte notieren soll, ein PC-Training oder der Treckerführerschein.

Bei behinderten Menschen stehen oft ihre Defizite im Vordergrund. Gibt es besondere Stärken und Fähigkeiten, die Mitarbeiter mit Behinderungen in Unternehmen einbringen können?
Beermann: Das kommt natürlich auch auf die Behinderung an. Aber: Ja. Ich beobachte, dass viele behinderte Menschen hochmotiviert sind, weil sie diesen Arbeitsplatz behalten wollen. Deshalb sind sie oft sogar leistungsbereiter als Nicht-Behinderte. Und: In vielen Berufen spielt zum Beispiel eine Körperbehinderung gar keine Rolle. In einem Call Center ist wichtig, dass der Rollstuhlfahrer zugewandt ist und eine gute Telefonstimme hat. Da kann er mindestens so leistungsfähig und erfolgreich sein wie seine Kollegen.

Das klingt ja fast so, als wäre eine Behinderung eine Art Zusatzqualifikation...?
Beermann: Ja, eine Behinderung bedeutet nicht immer nur Defizite ...
Peters: ... sondern oft auch besondere Stärken.
Beermann: Da gibt es zum Beispiel das Unternehmen, das bewusst einen Hörbehinderten eingestellt hat. Neben der passenden Qualifikation dieses Menschen für den Job war die Behinderung eine Herausforderung für das Team. Das Unternehmen sah darin die Chance, dass die Mitarbeiter im Kontakt mit diesem Menschen neue kommunikative und soziale Fähigkeiten trainieren konnten.
Peters: Noch ein Beispiel: Ich habe da die junge Frau mit Down-Syndrom vor Augen, die jetzt mit einer halben Stelle in einem Altenheim arbeitet. Dort hilft sie nicht nur in der Küche, sondern betreut die alten Menschen auch liebevoll persönlich. Und die finden diese lebhafte, fröhliche Frau toll, von der sie eine Extra-Portion Zuwendung bekommen.

Wohin wendet sich ein Unternehmen, wenn es (mehr) behinderte Mitarbeiter beschäftigen möchte?
Beermann: An uns. Wir freuen uns über jeden Interessenten und helfen ihm gern dabei, den richtigen Ansprechpartner zu finden.
Peters: Ich höre oft von Unternehmen ¿Warum gibt es da so viele Ansprechpartner? Das ist unübersichtlich.¿ Da helfe ich dann gern, die richtige Anlaufstelle zu finden. Wir sehen uns da auch als Lotsen.

Weitere Informationen zum Thema Inklusion und Arbeit und finden Sie hier:
https://www.lwl.org/LWL/Soziales/Richtung-Inklusion/arbeit/



Pressekontakt:
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org




Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


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