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Mitteilung vom 03.04.12

Presse-Infos | Kultur

Ratschen, Klappern, Böllern - Lärmen in der ¿stillen Zeit¿

Neue LWL-Datenbank informiert über Bräuche zu Ostern

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Westfalen (lwl). ¿Ostern ist im Archiv für westfälische Volkskunde nicht nur sichtbar und lesbar, sondern auch hörbar¿, freut sich Frederik Grundmeier von der Volkskundlichen Kommission für Westfalen beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL). ¿Tatsächlich war die sogenannte ¿stille Zeit` geprägt durch verschiedene Lärminstrumente wie Klappern und Ratschen. Denn in der Karwoche wurden die Glocken und Schellen der Kirchen nicht genutzt, andere Geräuschquellen übernahmen in dieser Zeit ihre Aufgaben.¿ Eine Datenbank mit verschiedenen Materialien über das Alltags- und Festleben in Westfalen ermöglicht nun die Recherche nach diesen regionalen Besonderheiten.

Noch vor 50 Jahren zogen in vielen Gemeinden wie Bad Sassendorf (Kreis Soest), Paderborn, Marsberg, Sundern (beide Hochsauerlandkreis), Mettingen (Kreis Steinfurt) und Vreden (Kreis Borken) sogenannte Rappeljungs durch die Straßen, die mit Ratschen und Klappern auf den Beginn der Gottesdienste aufmerksam machten. Auch in der Messe wurden die Schellen durch Lärminstrumente ersetzt. Höhepunkt war das nächtliche Wecken für die sogenannte ¿Ucht¿, die in den frühen Morgenstunden stattfindende Ostermesse. Im Archiv für westfälische Volkskunde finden sich neben zahlreichen Bildern und Texten auch Tonaufnahmen und Aufzeichnungen bei dieser Gelegenheit gesungener Osterlieder. Die Belege stammen unter anderem aus Bielefeld, Borken, Plettenberg (Märkischer Kreis), Rheda-Wiedenbrück (Kreis Gütersloh) und Warstein (Kreis Soest).

In vielen Gemeinden wurde Lärm auch als Zeichen der Freude über die Auferstehung Jesu Christi verstanden. In Warendorf-Milte ist es bis heute üblich, an den Osterfesttagen zu böllern. Mit Milchkannen, denen mit einem Gemisch aus Karbid und Wasser der Deckel abgesprengt wird, kann ganz ohne Feuerwerkskörper ein beträchtlicher Lärm erzeugt werden. Auch in Münster-Coerde war das Böllern verbreitet.

Hintergrund
Ein Berichterstatter des Archives für westfälische Volkskunde erinnerte sich an seine Jugendzeit um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert: ¿Es wurde geladen, alles genau aufgestellt bei Stalllaternenlicht. War alles fertig, dann kam für mich der schönste Augenblick des Osterfestes. Die Lunte wurde angezündet und an die Zündstelle von einem der Böller gehalten. Das Herz klopfte bis zum Halse. Dann ein ¿Zisch`, ein greller Blitz und ein Donnerschlag durchbrach die Stille der Osternacht. Ein donnerndes Echo rollte über den Hof, über die Wiesen und brach sich an den Wallhecken, um von dort zurückzurollen zum Ausgangspunkt, zu mir. An unserem großen Haus flogen die Fenster auf, und aus allen Kehlen scholl es hinein in die Auferstehungsnacht: ¿Das Grab ist leer, der Held erwacht...`¿ In Bottrop-Kirchhellen existierte gar ein ¿Böller-Club¿, der auch an anderen kirchlichen Feiertagen und privaten Festen in Aktion trat.

Zu einer touristischen Attraktion hat sich das Ende der ¿stillen Zeit¿ im sauerländischen Hallenberg entwickelt. In der sogenannten Krachnacht von Karsamstag auf Ostersonntag versammeln sich Gläubige und Besucher vor der Pfarrkirche, wo mit dem letzten Glockenschlag das Hallenberger Fastenlied ertönt. ¿Danach beginnt ein unvorstellbares Lärmen, das mit allen möglichen und unmöglichen Geräten, teils auch mit sogenannten ¿Lärmmaschinen' erzeugt wird. Prozessionsartig bewegen sich die Krachnacht-Teilnehmer durch die Straßen der Stadt und ziehen schließlich dreimal um die Kirche herum", berichtet LWL-Volkskundlerin Christiane Cantauw. ¿Ähnliche Lärmumzüge waren in der Barockzeit weit verbreitet. Mit Böllern, Lärm, lautem Gesang und Halleluja-Rufen verleihen die Gläubigen ihrer österlichen Freude Ausdruck", so die Geschäftsführerin der Volkskundlichen Kommission für Westfalen weiter.
Ab April 2012 sind erstmals alle Bestände der Volkskundlichen Kommission für Westfalen online zugänglich. Eine benutzerfreundliche Recherche in den Bild-, Manuskript- und Ton- und Volksliedarchiven ermöglicht intensive und thematisch breit gefächerte Einblicke in das Leben in Westfalen in den letzten 150 Jahren.

Den Originalton zum Osterbrauch finden Sie unter folgendem Link:
http://www.lwl.org/LWL/Der_LWL/PR/tv_audioservice/Filme_Kultur/osterbrauch/

Weitere Informationen über das Projekt finden Interessierte auf der Internetseite der Volkskundlichen Kommission für Westfalen:
http://www.lwl.org/LWL/Kultur/VOKO.

Kontakt:
Volkskundliche Kommission für Westfalen (LWL)
Scharnhorststraße 100
48151 Münster
Telefon: 0251 83 24398
Telefax: 0251 83 28393
E-Mail: voko@lwl.org



Pressekontakt:
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
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