Mitteilung vom 28.11.18
Presse-Infos | Kultur
Das Ruhrgebiet als Schmelztiegel der Kulturen: "Integration war durch den Sport möglich"
Presseserie zur Wanderausstellung "Weimar im Westen: Republik der Gegensätze" (Teil 2)
Westfalen (lwl). Es ist ein bewölkter Tag am 24. April 1932 in Duisburg. Das Fußballstadion ist dicht besetzt. Auf dem Spielfeld geht es um den Einzug in das Finale der Westdeutschen Meisterschaft für den FC Schalke 04 und den Meidericher SV 1931/32. Schalke gewinnt das Halbfinale am Ende überlegen mit 5:1. Das Foto zeigt eine Szene des Spiels, wobei ein Schalker heraussticht: Es ist Ernst Kuzorra, der gerade zum Kopfball ansetzt. Das Bild wird eines von vielen sein, das in der ab Januar 2019 im Düsseldorfer Landtag gezeigten Wanderausstellung der Landschaftsverbände Westfalen-Lippe (LWL) und Rheinland (LVR) "Weimar im Westen: Republik der Gegensätze" im Rahmen des Projekts "100 Jahre Bauhaus im Westen" zu sehen ist. Eine vierteilige Presseserie stellt die verschiedenen Inhalte der Schau vor.
Das Foto steht für die LWL-Ausstellungsmacherinnen Regina Göschl und Dr. Julia Paulus für das Thema "Fremd-Sein" in Westfalen und im Rheinland während der Weimarer Republik, denn Kuzorras Eltern stammten aus Masuren. Sein Vater war Bergmann und kam wie etwa eine halbe Million aus Ostpreußen und dem heutigen Polen stammende Arbeiter Ende des 19. Jahrhunderts mit seiner Ehefrau ins Ruhrgebiet. Ihr Ziel war ein Arbeitsplatz in der vor Ort boomenden Montanindustrie.
Auch der 1905 in Gelsenkirchen geborene Ernst Kuzorra war zunächst auf der Zeche Consolidation tätig, bis er sich in den 1920er Jahren ganz auf seine Karriere als Fußballer konzentrierte. "Die ins Ruhrgebiet ausgewanderten Familien wie die Kuzorras wurden noch in der Weimarer Republik als Fremde wahrgenommen und fälschlicherweise auch häufig als 'Ruhrpolen' bezeichnet", erläutert Göschl und ergänzt: "Diese Bezeichnung ist nicht korrekt, da zwischen Polen und Masuren große Unterschiede in Kultur und Selbstverständnis bestanden." So waren die Masuren größtenteils Protestanten, sprachen ihren eigenen slawischen Dialekt und fühlten sich dem ehemaligen, preußisch regierten Kaiserreich verbunden. Dies hatte auch zur Folge, dass Spieler wie Ernst Kuzorra während der NS-Zeit für die antipolnische Propaganda vereinnahmt wurden. Kuzorra selbst trat in den 1930er Jahren der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) bei.
Das Thema "Fremd-Sein in Westfalen und im Rheinland" zeigt für die Ausstellungsmacherinnen Göschl und Paulus vom LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte, dass Migration und Fragen der Integration historisch gesehen schon immer Tatsachen waren. "Einerseits waren die häufig aus wirtschaftlichen Gründen Zugewanderten rassistischen Vorurteilen in der Weimarer Republik ausgesetzt. Andererseits wurde das Ruhrgebiet dadurch zu einem Schmelztiegel unterschiedlicher Kulturen. Das Beispiel des Schalke 04 zeigt dabei, dass eine Integration durch den Sport möglich war", sagt Göschl. Tatsächlich ist Ernst Kuzorra bis heute eine Identifikationsfigur für die Fans des Fußballvereins.
Hintergrund
Das Thema "Fremd-Sein" in Westfalen und im Rheinland ist nur ein Aspekt der Wanderausstellung "Weimar im Westen: Republik der Gegensätze", den die Landschaftsverbände Westfalen-Lippe (LWL) und Rheinland (LVR) 2019 im Rahmen des Projekts "100 Jahre Bauhaus im Westen" beleuchten. Bislang unbekannte Fotos und Filme stehen im Mittelpunkt der Schau, die erstmals einen umfassenden Blick auf "Weimar im Westen" eröffnet. Ergänzt wird die regionale Perspektive durch eine Einführung in die allgemeine Geschichte Deutschlands zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus mit ihren vielfachen Bezügen zu Westfalen und zum Rheinland. Eröffnet wird die Ausstellung zum 100. Jahrestag der Weimarer Nationalversammlung am 19. Januar 2019 im Düsseldorfer Landtag. Anschließend ist sie bis Ende 2019 an sieben weiteren Orten in Westfalen und im Rheinland zu sehen. Ausstellung und Begleitprogramm erarbeitet das LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte in Kooperation mit dem LWL-Medienzentrum für Westfalen und dem LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte.
Weitere Informationen: http://www.weimar-im-westen.de
Die Stationen der Wanderausstellung
1. 19.01. bis 10.02.2019: Landtag NRW (Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf)
2. 17.02. bis 27.03.2019: Geschichtsmuseum der Stadt Lüdenscheid (Sauerfelder Straße 14, 58511 Lüdenscheid)
3. 1.04. bis 16.05.2019: LVR-Landeshaus (Kennedy-Ufer 2, 50679 Köln)
4. 19.05. bis 23.06.2019: Museum für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund (Hansastraße 3, 44137 Dortmund)
5. 27.06. bis 27.07.2019: Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld (Neumarkt 1, 33602 Bielefeld)
6. 1.08. bis 16.09.2019: NS-Dokumentation Vogelsang (Vogelsang 70, 53937 Schleiden)
7. 21.9. bis 26.10.2019: Mindener Museum (Ritterstraße 23, 32423 Minden)
8. 5.11. bis 21.11.2019: LWL-Landeshaus (Freiherr-vom-Stein-Platz 1, 48133 Münster)
Pressekontakt:
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org
LWL-Einrichtung:
LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte
Karlstr. 33
48147 Münster
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Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
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