Mitteilung vom 30.03.12
Presse-Infos | Kultur
Gewitterschutz und Kinderfest
Neue LWL-Datenbank informiert über den Palmsonntag in Westfalen
Westfalen (lwl). Der Palmsonntag, dieses Jahr am 1. April, steht als kirchlicher Feiertag oft im Schatten des Osterfestes. Die Feier zum Einzug Jesu Christi in Jerusalem und seine namensgebende Huldigung mit Palmzweigen hat in Westfalen dennoch viele Bräuche hervorgebracht, die die Volkskundliche Kommission beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) erforscht hat. Der LWL hat jetzt eine Datenbank mit Texten, Bildern und Tondokumenten unter der Adresse https://www.lwl.org/medienarchiv_web/index ins Internet gestellt. Hier können Interessierte die Forschungsergebnisse über das Alltags- und Festleben in Westfalen finden und nach regionalen Besonderheiten suchen.
Das zentrale Element des katholischen Festtages bildet die Palmweihe. ¿Aus Mangel an echten Palmzweigen wurden die Palmstöcke aus Buchsbaum, Weidenkätzchen oder Wacholder hergestellt, die an einen einfachen Stock gebunden wurden¿, erklärt Volkskundler Frederik Grundmeier. Die in der Kirche geweihten Palmstöcke fanden im Anschluss eine vielseitige Verwendung in Haus- und Hofhaltung. Bei Gewittern wurden Zweige des Palmbusches zur Abwendung von Blitzeinschlägen verbrannt, etwa in Marsberg (Hochsauerlandkreis), Nordkirchen-Capelle (Kreis Coesfeld) und Warendorf-Milte. Bei schweren Leiden konnten sie wie in Haltern-Sythen (Kreis Recklinghausen) und Münster-Hiltrup auf den Nachttisch des Erkrankten gelegt werden oder dienten wie in Datteln (Kreis Recklinghausen) und Mettingen (Kreis Steinfurt) bei der Spendung der Sterbesakramente zur Besprengung mit Weihwasser.
Ein regionales Charakteristikum lässt sich in sauerländischen Orten wie Bestwig-Nuttlar, Brilon und Möhnesee-Wildebauer beobachten, wo das ¿Roggenpälmen¿ bzw. das ¿Roggenkrönen¿ üblich war. Dabei steckte man in der Hoffnung auf eine bessere Ernte an allen vier Ecken des Feldes Palmstöcke in den Boden.
Ab 1900 trat der Aspekt der Segnung vor allem im Münsterland in den Hintergrund. Stattdessen etablierte sich die Palmweihe als Fest für Kinder. Die Ausstaffierung des Palmstockes entwickelte sich regional unterschiedlich. Während sie in Büren (Kreis Paderborn) lediglich mit Äpfeln geschmückt wurden, zierten in Ladbergen (Kreis Steinfurt) bunte Bänder und in Rosendahl-Holtwick (Kreis Coesfeld) und Warendorf-Milte Schleifen sowie Rüschen aus Seidenpapier die Palmstöcke. Für die Gebiete an der niederländischen Grenze waren besonders geformte Teigwaren typisch, etwa der Palmvogel in Bocholt und Haltern-Sythen (Kreis Recklinghausen).
Hintergrund
¿Oft wurden Süßigkeiten, Nüsse und andere Obstsorten zur Dekoration verwendet. Der Kreativität waren dabei keine Grenzen gesetzt¿, erläutert Grundmeier. So berichtet eine Gewährsperson des Archivs für westfälische Volkskunde aus Vreden (Kreis Borken): ¿Nur vorschulpflichtige Kinder bekommen einen Palmenstock. Alle anderen nehmen genau wie die Erwachsenen nur Buchsbaum zur kirchlichen Palmweihe mit.¿ Der Stock sei etwa daumendick und 50 bis 80 Zentimeter lang gewesen. In den 1960er Jahren war ¿auf die Spitze oft eine Apfelsine gespießt, früher, d.h. vor und nach dem ersten Weltkrieg war es immer ein Apfel. Unter dem Apfel saß das Palmrad, eine kreisrunde Brezel aus Hefeteig mit einem Kreuz. Seit Jahren, vor allem nach dem zweiten Weltkrieg, werden viele Palmstöcke mit bunten Bonbons und Schokoladenfiguren voll gehängt, während Rosinen und Pflaumen oft schon fehlen¿, heißt es in dem Bericht weiter.
In vielen Gemeinden des Westmünsterlandes hat sich die Bedeutung der Palmweihe als Fest für die Kinder bis heute gehalten. ¿Noch immer ziehen Kinder von Haus zu Haus, singen Lieder und erhalten Süßigkeiten, die in die Palmstöcke gehängt werden¿, so Grundmeier.
¿Neben Bildern und schriftlichen Lebenserinnerungen findet sich im Archiv für westfälische Volkskunde auch eine große Anzahl an speziell zu diesem Zweck gesungenen Liedern.¿
Ab April 2012 sind erstmals alle Bestände der Volkskundlichen Kommission für Westfalen online zugänglich. Eine benutzerfreundliche Recherche in den Bild-, Manuskript- und Ton- und Volksliedarchiven ermöglicht intensive und thematisch breit gefächerte Einblicke in das Leben in Westfalen in den letzten 150 Jahren. Weitere Informationen über das Projekt finden Interssierte auf der Internetseite der Volkskundlichen Kommission für Westfalen: http://www.lwl.org/LWL/Kultur/VOKO.
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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
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