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Mitteilung vom 26.03.03

Presse-Infos | Der LWL

'Prothesen von Kopf bis Fuß': LWL-Wanderausstellung zeichnet die Geschichte der menschlichen Ersatzteile nach

Bewertung:

Gütersloh (lwl). "Und wenn Ihr der Kaiser wärt, Ihr müsstet mit dieser vorlieb nehmen. Meine Rechte, obgleich im Kriege nicht unbrauchbar, ist gegen den Druck der Liebe unempfindlich." Wie Götz von Berlichingen in diesem Goethe-Zitat, so geht es Millionen moderner Menschen: Prothesen erleichtern ihnen zwar das Leben, aber sie sind immer nur Ersatz. Eine Kopie der eisernen von-Berlichingen-Hand zeigt der Landschaftsverband Westfalen-Lippe
(LWL) in seiner Wanderausstellung "Prothesen von Kopf bis Fuß", die in der Zeit vom 30. März bis zum 1. Juni im Stadtmuseum Gütersloh zu sehen ist. Die Ausstellung, die sich im Spannungsfeld zwischen der tabuisierten Verletzlichkeit des Menschen und der Faszination für die technisch ausgefeilten Prothesen bewegt, zeichnet die Kulturgeschichte der Ersatzteile für den Menschen nach.

Im Krieg konnte der Renaissance-Ritter von Berlichingen seinen rechten Armstumpf tatsächlich dank zweier Ersatzhände gebrauchen: Mit der einen Prothese hielt er die Lanze, mit seiner Zweithand konnte er die Zügel halten. Neben der Kopie der bekannten Ritter-Prothese zeigt die LWL-Ausstellung mehrere originale eiserne Hände aus dem 15. bis 17. Jahrhundert. Gemeinsam mit Objekten wie vorgeschichtlichen Zahnprothesen bilden sie den kleineren, historischen Teil der Schau. Die meisten der 200 Exponate zeichnen die Entwicklung der Prothesen vom 18. bis zum 21. Jahrhundert nach. "Denn die Ausstellung will kein Raritätenkabinett mit Schaudereffekt sein. Vielmehr will sie hervorheben, wie Prothesen den Menschen das Leben erleichtern - und zwar nicht nur wenn sie schwer körperbehindert sind, sondern auch wenn sie kurzsichtig werden oder nicht mehr gut hören können", erklärt Ausstellungsmacherin Verena Burhenne.

Die meisten Menschen verschließen zwar vor dem Thema Prothesen die Augen. Doch früher oder später ist ihr Körper auf Ersatzteile angewiesen: "Der menschliche Körper besitzt nun einmal nur ein begrenztes Haltbarkeitsdatum, mit fortschreitendem Alter fallen nicht nur Zähne aus, verstopfen Blutgefäße, stumpfen Seh- und Hörsinn ab. Deshalb ist fast jeder irgendwann auf Zahnersatz, Brille oder Hörgerät angewiesen", so Burhenne. Viel dramatischer ist die Situation für Menschen, die plötzlich - sei es durch Unfall oder eine Gewalttat - Körperglieder verlieren oder denen eine Krankheit wichtige Organe geraubt hat.

Für sie alle haben Techniker Prothesen von Kopf bis Fuß entwickelt, mit denen sie ihre Handicaps zumindest zum Teil überwinden können. Das Gehirn konnten bisher auch die findigsten Forscher nicht ersetzen. Doch auch die Neurobionik (technische Biologie) macht große Fortschritte. So zeigt die Ausstellung mit dem "Kinetra 7428 Activa" einen Hirnschrittmacher, der bei schweren Nervenerkrankungen als Stimulator wirkt. Hirn- und Herzschrittmacher zählen neben Gefäßprothesen und Implantaten aus textilen und nichttextilen Fasern zu den Ersatzmitteln im Körperinneren. Zu welchen Leistungen die reparative Chriurgie hier fähig ist, zeigt in der LWL-Ausstellung das anatomische Modell "Charly" der Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung.

Diese futuristisch anmutenden modernen Ersatzteile für den Menschen stehen neben Prothesen aus dem 19. Jahrhundert. So behandeln die ersten deutschen Glasaugen den kosmetischen Aspekt der Prothesen. Hörgeräte aus dieser Zeit - wie zum Beispiel ein Doppelkegelhörrohr von 1850 - kontrastieren mit dem Cochlea-Implantat, einer modernen Mehrkanal-Hörprothese für hochgradig schwerhörige und gehörlose Menschen.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mussten immer mehr Kriegsbeschädigte und Versehrte versorgt werden, mit ihnen wuchs auch die Zahl der technischen Lösungen für Arm- und Beinprothesen. Die erste deutsche Sportprothese, mit der der oberschenkelamputierte Gunther Belitz 1989 zum Weitsprung-Gold bei den Paralympics sprang, oder das "C-Leg®" mit computergesteuertem Kniegelenk, illustrieren die neusten Entwicklungen. Vor allem die Sportprothesen zeigen, wie gut die Betroffenen mit ihrer Behinderung umgehen.

Die Ausstellung stellt der Beklommenheit der Besucher die Innovationskraft des menschlichen Erfindungsgeistes gegenüber: Dem angstvollen Blick auf die Behinderung folgt die Faszination
für technische Errungenschaften und so manche verblüffende Lösung. Die Ausstellung und der gleichnamige Katalog gehen aber noch einen Schritt weiter: Sie demonstrieren mit Statements von Betroffenen eine ganz persönliche Sicht des Themas. Der Katalog enthält zudem weiterführende Beiträge zu sozial- und kulturgeschichtlichen Aspekten sowie Beschreibungen und historische Einordnungen aller gezeigten Objekte. Das 216-seitige Buch, das der LWL herausgegeben hat, kostet 15 Euro und ist an der Museumskasse sowie beim LWL-Museumsamt, Telefon 02 51 591-4692, wma.info@lwl.org, zuzüglich 2 Euro Porto und Versandkosten erhältlich. ISBN 3-927204-57-9



"Prothesen von Kopf bis Fuß"
Eine Wanderausstellung des LWL-Museumsamtes
Stadtmuseum Gütersloh, Kökerstraße 7-11a, Gütersloh
30. März bis 1. Juni 2003
Öffnungszeiten: dienstags bis freitags 14 bis 17 Uhr, samstags und sonntags 11 bis 17 Uhr


Weitere Stationen:

Museum Bünde
8. Juni bis 3. August 2003

Medizin- und Apothekenhistorisches
Museum Rhede
10. August bis 5. Oktober 2003

Stadtmuseum Brakel
12. Oktober bis 7. Dezember

Westf. Schieferbergbau und
Heimatmuseum Holthausen1
12. Dezember 2003 bis 15. Februar 2004

Hermann-Grochtmann-Museum
Datteln
19. Februar bis 18. April 2004

Museum der Stadt Berleburg
21. April bis 13. Juni 2004

Gustav-Lübcke-Museum Hamm
20. Juni bis 15. August 2004



Pressekontakt:
Markus Fischer Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org




Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


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