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Mitteilung vom 22.01.03

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'Primiz in Hagstedt': LWL und Uni Münster haben im Film festgehalten, wie ein Dorf den Neupriester aus den eigenen Reihen feiert

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Münster/Hagstedt (lwl). Eine kleine Bauernschaft im Oldenburger Münsterland, das zum Bistum Münster gehört, bereitet sich vor: Ein Sohn des Dorfes, der 28-jährige Hermann Backhaus, wurde in Rom zum katholischen Priester geweiht. Für seine Primiz, die Feier seiner ersten Messe, kehrt er in seine Heimatgemeinde zurück. Bereits Wochen vorher beginnen im Ort die Festvorbereitungen. Diese Arbeiten und das Fest selber hat ein Filmteam des Seminars für Volkskunde/Europäische Ethnologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster in Zusammenarbeit mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) begleitet. ¿Das Ergebnis dieses Projektes ist eine dichte Beschreibung des dörflichen Lebens, das auf festen Regeln und nachbarschaftlichen Beziehungen beruht¿, so Dr. Monika Kania-Schütz, Geschäftsführerin der LWL-Kommission für Volkskunde bei der Vorstellung des Videofilms am Mittwoch (22.01) in Münster. Seit 75 Jahren dokumentiert und erforscht dieses Team ehrenamtlicher, über das ganze Land verstreuter Wissenschaftler die regionale Alltagskultur Westfalens und seiner unmittelbaren Nachbarn. Eines der Mitglieder der LWL-Kommission, Dr. Christine Aka, stammt aus Hagstedt, jenem kleinen Dorf, in dem Hermann Backhaus seine Primiz feierte. Naheliegend also, dass die Tochter der Gemeinde mit wissenschaftlichem Interesse als Mitglied des Filmteams in ihren Heimatort zurückkehrte.

¿Dank ihrer Vertrautheit mit den Einwohnern hat unser Filmteam Einblicke bekommen, die Fremden nicht ohne Weiteres gewährt worden wären¿, so die Filmemacher. ¿Mit Respekt und scharfem Auge für Details ist es dem Filmteam gelungen, das Geschehen sensibel aus nächster Nähe festhalten. In der Kooperation der beiden volkskundlichen Einrichtungen entstand am Beispiel religiöser Festkultur eine eindrucksvolle Dokumentation aktueller Lebenswirklichkeit¿, bilanziert Kania-Schütz das
Kooperationsprojekt. Was eine Primiz ist? Diese Frage kann in katholischen Gemeinden wohl immer noch jeder beantworten. Denn wenn ein neugeweihter Priester zum ersten Mal das Messopfer feiert, hat das aus Sicht der Gläubigen eine außergewöhnliche Bedeutung. Um bei einem solchen Fest dabei zu sein, nehmen viele Gläubige weite Wege in Kauf, denn es ist selten und längst nicht in jeder Gemeinde in jeder Generation zu erleben. In vielen Gegenden ist der Spruch überliefert, nach dem es sich lohne, für einen Primizsegen neun oder zwölf Stunden, ein Paar Schuhe, ein neues Paar Stiefel oder ein Paar eiserne Sohlen durchzulaufen. Der Neupriester im Film fasst es so zusammen: ¿Segnen kann jeder, aber ein Primizsegen ist etwas Besonderes.¿

In der Regel findet die erste Messe in der Heimatgemeinde des Neupriesters statt, die Wochen und Monate im Voraus mit den Vorbereitungen beginnt. Die Gemeindemitglieder schmücken den Ort, bereiten den Empfang des Neupriesters vor und üben zahlreiche kirchliche und außerkirchliche Festbeiträge ein. Vor allem auf dem Land ist jedem klar: ¿Bei einer Primiz macht das ganze Dorf mit.¿

¿Die Primiz hat einen ungewöhnlichen Charakter, weil der Neupriester einerseits eine soziale Sonderstellung hat, weil die Gemeinde andererseits aber eng mit ihm verbunden und vertraut ist. Theologisch gesehen übt der Neupriester in der Primiz erstmals selbstständig seine ¿Konsekrationsvollmacht¿ aus. Soziologisch betrachtet ist die Primiz ein Übergangsritus. Er hilft dem Neupriester, seinen Angehörigen und der Gemeinde, die Statusveränderung darzustellen, zu verarbeiten und die veränderten Beziehungen gegenseitig anzuerkennen¿, analysiert Dr. Monika Kania-Schütz.

Im Film zeigen Sätze wie: ¿Eigentlich war er ein ganz normaler Junge¿, wie die Gemeinde darum bemüht ist, die Entwicklung des jungen Mannes einzuordnen. ¿Etwas von der Außergewöhnlichkeit des Priesters geht auch auf die Beteiligten über, vor allem auf die Familie und hier an erster Stelle auf die
Mutter. Tragen doch alle Familienmitglieder ihren Anteil an der religiösen Sozialisation des Kandidaten bei. Deshalb sind Heimatprimizen so emotionsreich¿, haben Christine Aka, Christine Müh und Joachim Wossidlo beobachtet. Auch der besondere Schmuck des Elternhauses und traditionelle Geschenke der Angehörigen wie Kelch oder Priestergewand erklärten sich so. ¿Letztendlich feiert man nicht nur den Initiationsakt des Neupriesters, sondern ein bisschen auch sich selbst¿, so die Filmemacher weiter.

Primiz in Hagstedt
Ein Video mit Schnack und Schluck
Ein Film von Christine Aka, Christine Müh und Joachim Wossidlo.
58 Minuten, 20 Euro Bezug: Joachim Wossidlo, Westf. Wilhelms-Universität, Münster, Telefon (02 51) 8 32-44 03, Fax: (02 51) 8 32-83 16













Pressekontakt:
Markus Fischer Telefon: 0251 591-235
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