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Mitteilung vom 26.08.16

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¿In halb gothischem Style¿:Wo sich die Droste und die Brüder Grimm trafen

LWL zeichnet Berg Herstelle als Denkmal des Monats aus

Bewertung:

Beverungen (lwl). Einst trafen sich hier Annette von Droste-Hülshoff und die für ihre Märchensammlung bekannten Brüder Jacob und Wilhelm Grimm. Nach 25-jährigem Leerstand drohte die Burg Herstelle an der Weser in Beverungen (Kreis Höxter) zu verfallen. Der engagierte Neubesitzer setzt seit 2006 die Gebäude nach und nach in Stand und hat die Anlage so gerettet. Deshalb hat der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) die Burg jetzt als Denkmal des Monats August ausgezeichnet.

Die neue Eigentümerfamilie richtete zunächst die Zehntscheune, die bis in die 1980er Jahre als Gästehaus diente, als Wohnung ein und sicherte das mit Sandsteinplatten gedeckte Dach des Burggebäudes. ¿Bei der Sanierung waren die Eigentümer vorbildlich. Sie ließen sich für die auf mehrere Jahre konzipierte Sanierung die nötige Zeit und entwickelten nach und nach ein Nutzungskonzept¿, lobt LWL-Denkmalpfleger Dr. Christoph Heuter.

Bei den Arbeiten hielt das historische Gebäude viele Überraschungen bereit: Unter Zementputz, mit dem im 20. Jahrhundert sämtliche Innenwände überzogen worden waren, hatte sich der Hausschwamm entlang der Leitungskanäle unbemerkt ausgebreitet. Als die Eigentümer bei der Schwammsanierung den Putz entfernten, stießen sie 2009 in mehreren Räumen auf die Wandgestaltung aus der Zeit um 1830 als das Hauptgebäude von Fernandine von Heereman-Zuydtwyck neben dem Amtshaus von 1798 gebaut wurde. Während das illusionistisch auf den Putz aufgemalte Quadermauerwerk im Treppenturmes nur in kleinen Flächen erhalten werden konnte, wurden die Befundstellen mit architektonischen Gliederungen in einem Raum mit großer Sorgfalt konserviert: Hier sind Türen und Fenster von gemalten Säulen gerahmt, von denen die Kannelluren und einige Kapitelle erhalten sind. Um den Raumeindruck zu harmonisieren wurden lediglich kleinere Fehlstellen retuschiert und größere Partien in einer angeglichenen Farbigkeit ergänzt. Die Qualität in der Ausführung ist auch den Zuschüssen zu verdanken, die das Land Nordrhein-Westfalen, der Bundesbeauf¬tragte für Kultur und Medien, die Deutsche Stiftung Denkmalschutz sowie die LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen bewilligten.

Seit 2015 wird das Haupthaus für Tagun¬gen und Fortbildungen im Gesundheitssektor genutzt, die Sanierungsarbeiten gehen im Amtshaus weiter. Auch hier stießen die Eigentümer auf historische Raumfassungen, als sie die Tapeten entfernten.

Aus Droste-Hülshoffs Tagebuch war bekannt, dass es in der Burg eine Kapelle gegeben hatte. Anhand der gemalten Spitzbögen, vor allem aber durch die Bildfelder der illusionistisch in Kassetten gegliederten Decke haben die Denkmalpfleger den Raum der Kapelle wiederentdeckt. Sie legten im Osten die Monogramme von Christus (IHS Iesus Hominum Salvator = Jesus, der Menschen Erlöser) frei, im Westen von Maria sowie mittig das Auge Gottes im Dreieck der Trinität mit Strahlenkranz. ¿Obwohl die Wände bisher aus Kostengründen nur partiell freigelegt worden sind, kann man erkennen, dass die Gliederung aller Wände erhalten ist und in gestörten Bereichen ergänzt werden kann. Welche Teile freigelegt werden und wie sie restauriert und konserviert werden, wird in den kommenden Monaten beraten¿, so Heuter. Durch die neuen Entdeckungen komplettiere sich der Eindruck, den Droste-Hülshoff 1841 beschrieben hat: ¿Herstelle ist jetzt ein neues Gebäude, das in halb gothischem Style errichtet mit seinem schweren zinnengekrönten Thurme und chorartigen Ausbau halb den Eindruck einer Zwingfeste aus der Feudalzeit, halb den einer Kirche macht.¿


Hintergrund

¿Auf einer senkrechten Felsenklippe, an seinem Fuße ein Dorf beherrschend¿, so beschrieb Annette von Droste-Hülshoff 1841 die Ansicht des Burggeländes von Herstelle über dem Wesertal. ¿Nicht nur aufgrund dieser Würdigung möchte man die Burg als Inbegriff der deutschen Romantik bezeichnen, denn sie war Schau¬platz einiger wichtiger Begegnungen von Künstlern und Literaten des frühen 19. Jahrhunderts¿, so Heuter. Droste-Hülshoff kam oft zu Besuch, traf sich mit ihrer Cousine Amalie und deren Lehrer, dem Maler Ludwig Grimm, sowie dessen bekannteren Brüdern Jacob und Wilhelm.

Damals gehörte die Burg Fernandine von Heereman-Zuydtwyck, einer Tante der Dichterin aus der Familie von Haxthausen, die mehrere Burgen und Gütern im heutigen Kreis Höxter besaßen. Im Auftrag von von Heereman-Zuydtwyck fügte der Koblenzer Architekt Johann Claudius von Lassaulx in der Zeit von 1826 bis 1832 das Hauptgebäude und den zinnenbekrönten Rundturm an das ältere Amtshaus an, das der Paderborner Bischof Franz Egon von Fürstenberg 1798 erbauen lassen hatte.

Einen Steinwurf von den Landesgrenzen zu Hessen und Niedersachsen entfernt, liegt Herstelle in einem lange umkämpften Grenzgebiet. Schon der spätere Kaiser Karl hatte in den Sachsenkriegen 797/98 auf dem Hersteller Berg sein Winterlager aufgeschlagen und hier Weihnachten und Ostern gefeiert. Die Bischöfe von Paderborn errichteten später eine 1292 erstmals schriftlich erwähnte Burg, 1657 daneben ein Kloster und blieben Eigentümer bis zur Säkularisation 1805. 1822 kaufte von Heereman-Zuydtwyck die Burg vom preußischen Staat; die Burg blieb bis 1927 in Familienbesitz. In der Folgezeit wechselte sie mehrfach Besitzer und Nutzungen: Stahlunternehmen unterhielten ein Erholungsheim, die Zehntscheune wurde zum Gästehaus umgebaut. Von 1981 bis 2006 standen die Gebäude leer, die Bausubstanz wurde vernachlässigt und einige Umnutzungsideen scheiterten. ¿Die Gestalt einer Burg in romantischer Landschaft, die der Architekt Lassaulx 1826¿32 den Neubauten verlieh, ist für Herstelle durchaus sinnfällig¿, fasst Heuter zusammen.



Pressekontakt:
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
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