LWL-Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Mitteilung vom 12.05.16

Presse-Infos | Kultur

Achtung Redaktionen: Freigabe ab Donnerstag, 12.05.2016, 18:00 Uhr

Grußwort LWL-Direktor Matthias Löb zur Eröffnung der Ausstellung ¿Homosexualität_en¿ am 12.05.2016 im LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster

Bewertung:

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr verehrte Gäste,
"Wer eine lebenswerte Gesellschaft will, sollte Menschen nach ihrem Verhalten und ihrem Charakter bewerten, nicht nach ihrer sexuellen Orientierung." Mit diesen Worten der früheren Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin begrüße ich Sie ganz herzlich hier im LWL-Museum für Kunst und Kultur zu einer Ausstellungseröffnung, wie sie für Westfalen völlig neu ist. Besonders erfreut bin ich, heute auch Vertreter unserer Belgischen Partnerregion Westflandern begrüßen zu dürfen, mit der seit vielen Jahren eine Kulturpartnerschaft des LWL besteht: Dear Mayor Durnez, Mr Pertry, I am very pleased that you and your wives are our guests today. Enjoy your time with us! Hope-fully we will find ways to continue the fruitful exchanges between West Flanders and Westphalia even in the future.

Die Ausstellung, die wir heute hier im LWL-Museum für Kunst und Kultur eröffnen, wird für Überraschung, Verwunderung, aber auch Neugierde sorgen. Sie ist eine Ausstellung über Menschen mit unterschiedlichen Geschlechteridentitäten, über ihren langen Kampf, endlich in der Gesellschaft akzeptiert zu werden, und sie ist eine Ausstellung über Lebensentwürfe, die sich von der heterosexuellen Norm unterscheiden ¿ das gab es bisher weder in Münster, noch in Westfalen. Es verwundert nicht, dass die Idee zu dieser Ausstellung aus Berlin kommt, dem einstigen Zentrum der homo-sexuellen Emanzipationsbewegung. Genauer gesagt wurde das Konzept im Schwulen Museum in Berlin geboren. Im Deutschen Historischen Museum fanden die Ideengeberinnen und Ideengeber einen Kooperationspartner, so dass die Doppelausstellung im vergangenen Jahr mit mehr als 100.000 Besucherinnen und Besuchern einen großen Erfolg in der Hauptstadt feierte. Ohne unsere Region klein machen zu wollen fragen Sie sich zu Recht: Kann der Transfer einer Ausstellung vom weltoffenen Berlin ins beschauliche Münster gelingen?

Ja, das kann er! Davon bin ich fest überzeugt. Und ich möchte Ihnen auch begründen, warum ich mir so sicher bin:

Einerseits ist Münster sehr viel aufgeschlossener, als Sie vielleicht denken. So fand beispielweise die erste deutsche Demonstration von Schwulen nicht etwa in Köln oder Berlin statt, sondern hier im katholischen Münster. Das war am 29. April 1972.
Anderseits sind es überzeugende inhaltliche Gründe, warum diese Ausstellung so gut in unser Museum passt: Als wir uns dazu entschlossen haben, die Berliner Ausstellung nach Münster zu holen, war es nicht der Erfolg, der uns reizte. Es war vielmehr das Konzept der Offenheit dieser Ausstellung, die sich auch in unserem Hause wieder-spiegelt. Seit der Eröffnung im Herbst 2014 erfreut sich das LWL-Museum für Kunst und Kultur bei allen Bevölkerungsgruppen großer Beliebtheit. Wir haben eine ¿Grüffelo¿-Ausstellung für Kinder gemacht; wir bieten Führungen für an Demenz er-krankte Personen an und laden geflohene Menschen ein, uns die Bilder unserer Sammlung aus ihrer Perspektive zu vermitteln. Kurz gesagt: Wir sind ein offenes Haus für alle Menschen. Was die Architektur schon hier im Foyer mit dem offenen Durch-gang andeutet, ist in der inhaltlichen Arbeit des Museumsteams unter der Leitung von Herrn Dr. Arnhold ein gelebtes Konzept. Das Leitmotiv der Offenheit findet nun einen weiteren Höhepunkt in der neuen Ausstellung ¿Homosexualität_en¿. Um es einmal ganz plakativ zu sagen: Hier geht es nicht um eine ¿Schwulen-Ausstellung¿, sondern um Frauen liebende Frauen, um Männer liebende Männer und um die vielen Variationen von Geschlecht, die es zwischen männlich und weiblich gibt.

Aufgabe von Museen ist nicht nur, die Vergangenheit abzubilden. Mindestens ebenso wichtig ist es, einen breiten Raum für den aktuellen gesellschaftlichen Diskurs zu bieten. Warum ich eine Auseinandersetzung mit diesem Thema in unserem Museum deshalb für nötig halte, möchte ich Ihnen kurz an den Zitaten von zwei ganz unter-schiedlichen Politikern erläutern.
¿Ich will lieber ein kalter Krieger sein als ein warmer Bruder.¿ Diese Worte von Franz-Josef Strauß gingen 1971 durch die Presse. Wenn Sie jetzt sagen, das ist längst Geschichte und wäre heute unvorstellbar, mag das für offene, tolerante und aufgeklärte Menschen durchaus gelten. In Teilen unserer Gesellschaft sowie in vielen Kulturkreisen und Ländern unserer Welt sind homophobe Gedanken aber leider weit verbreitet. Die Angst vor dem sogenannten ¿Anderssein¿ führt hier wie dort noch immer zu Ablehnung, Diskriminierung und Verfolgung.

Es braucht deshalb auch weiterhin Mut, sich zu ¿outen¿: 30 Jahre nach Strauß war es Klaus Wowereit, der sich als damaliger Regierender Bürgermeister von Berlin auf dem SPD-Parteitag zu seinem persönlichen Lebensentwurf bekannte: "Ich bin schwul und das ist auch gut so, liebe Genossinnen und Genossen." Das waren damals seine Worte. Wenn Sie jetzt sagen, das ist die Gegenwart und spiegelt den aktuellen Zeitgeist wider, muss ich Ihnen leider erneut widersprechen. Wowereits Bekenntnis - inzwischen auch schon 15 Jahre alt - ist auch 2016 immer noch keine Selbstverständlichkeit, die Gleichberechtigung homosexueller Menschen noch längst keine Realität, die Akzeptanz von sexueller Vielfalt noch immer nicht vollzogen. Für diese Erkenntnis muss man nicht in weit entfernte Länder blicken. Mit sehr viel Sorge nehme ich war, dass es auch hier in Europa eine Art ¿Rollback¿ zu geben scheint. Losgetreten von ultrakonservativen Bewegungen kommt es auch direkt vor unserer Haustür wieder zu Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt. Diese Ausstellung ist deshalb richtig und wichtig ¿ auch und gerade in unserer aktuellen Zeit!

Als ich mich auf diese Rede vorbereitet habe, habe ich viel über den gesellschaftlichen Wandel der vergangenen Jahre erfahren, aber auch über die vielen Facetten geschlechtlicher Identität. Mir ist zum Beispiel bewusst geworden, dass selbst hier in Deutschland bis vor gar nicht langer Zeit Sexualität zwischen Männern unter Strafe stand. Zwar kam es 1969 zu einer Aufhebung des Totalverbotes, dennoch behielt der Paragraph 175 StGB, der sogenannte Schwulen-Paragraph, seine Gültigkeit und führte weiterhin zur Verurteilung schwuler Männer. Erst 1994, also vor etwas mehr als 20 Jahren, wurde dieser Paragraph endgültig abgeschafft.
Aus der Zeit gerückt wirkt heute aufgrund seiner antiquierten Formulierungen auch das 1981 in Kraft getretene ¿Transsexuellengesetz¿. Es wundert mich jedenfalls nicht, wenn sich Trans-Idente Personen nach wie vor diskriminiert fühlen. Eine Reform ist aus meiner Sicht dringend geboten. Andere Länder sind hier schon größere Schritte gegangen. So hat beispielsweise Malta den Schutz der persönlichen Geschlechtsidentität bereits verfassungsrechtlich verankert.
Aufgeschlossen zeigt sich heute das soziale Netzwerk ¿Facebook¿. Wie ich gelesen habe, gibt es dort mittlerweile rund 60 Möglichkeiten, um seine eigene geschlechtliche Identität anzugeben: von ¿bigender¿ über ¿MzF¿ (Mann zu Frau) bis hin zu ¿Butch¿ (also dem maskulinen Typ in einer lesbischen Beziehung) bietet Facebook eine breite Auswahl, die mir in dieser Fülle bis dahin auch nicht bekannt war.

Fest steht jedenfalls: Egal welche sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität Menschen haben - alle Menschen gehören gleichberechtigt zu unserer Gesellschaft. Deshalb ist es uns ein großes Anliegen, diese Lebensentwürfe aus der Tabu-Zone in unsere Mitte zu holen. Dazu eignet sich das neue LWL-Museum für Kunst und Kultur hervorragend:

Als Museum haben wir den öffentlichen Auftrag, den Menschen Wissen, Geschichte, Kunst und vieles mehr zu vermitteln. Wir haben aber auch den Auftrag, Vorbild an Toleranz und Aufklärung zu sein. Ich freue mich auf alle Besucherinnen und Besucher der nächsten Monate, auf interessante Gespräche und angeregte Diskussionen.

Sie, verehrte Gäste, lade ich herzlich dazu ein, gleich diese ungewöhnliche Ausstellung zu entdecken. Mehr als 800 Exponate geben einen Einblick in die Geschichte von Homo-, Trans- und Intersexualität, vermitteln die Ästhetik der Subkulturen und verdeutlichen die Entwicklungen der queeren Szene.

Mein herzlicher Dank gilt der Kulturdezernentin des LWL, Dr. Barbara Rüschoff-Thale. Durch ihre Gespräche und ihre Vermittlung vor knapp einem Jahr stellte sie den Kontakt zu den Kooperationspartnern in Berlin her ¿ namentlich zu Isabel Pfeiffer-Poensgen von der Kulturstiftung der Länder und Hortensia Völckers von der Kulturstiftung des Bundes. Durch deren großzügige Förderung wurde es uns überhaupt erst möglich, diese Ausstellung in Münster zu zeigen.

Daher freue ich mich sehr, Frau Kirsten Haß, Leiterin Förderung und Programme der Kulturstiftung des Bundes, und Herrn Prof. Dr. Frank Druffner, stellvertretender Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder heute zur Ausstellungseröffnung zu begrüßen. Ich danke Ihnen sehr herzlich für Ihre Unterstützung!

Danken möchte ich auch den Menschen, die in der Ausstellung in Videofilmen ganz persönliche Statements abgegeben und dazu beigetragen haben, dass die gesamte ¿Community" ein Gesicht bekommt. Mein Dank gilt auch den örtlichen, regionalen und landesweiten Kooperationspartnerinnen und -partnern, die im Laufe der nächsten Monate gemeinsam mit uns zahlreiche Vorträge und Lesungen veranstalten und uns mit ihren hervorragenden Kenntnissen sehr unterstützt haben.

Nicht vergessen möchte ich die drei Kuratoren der Ausstellung: Birgit Bosold, Dorothée Brill und Detlef Weitz aus Berlin sowie Hermann Arnhold, der ¿ vom Potential dieser Ausstellung überzeugt ¿ sie in enger Zusammenarbeit mit den Kuratoren in Münster realisiert hat. Frau Bosold, von Ihnen habe ich das Zitat gelesen ¿Es geht nicht darum, dass es keine Differenzen gibt, sondern darum zu lernen, damit umzugehen.¿ Ich finde, diese Aussage sollten wir alle in unserem Alltag berücksichtigen.

Zu guter Letzt meine Bitte an Sie, liebe Gäste: Erzählen Sie von der Ausstellung und tragen Sie damit zum Erfolg bei! Nicht für das Museum oder den LWL, sondern für alle, die ohne Grund noch immer am Rand der Gesellschaft leben.
Vielen Dank!



Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org



LWL-Einrichtung:
LWL-Museum für Kunst und Kultur
Tel.: 0251 5907-210
Domplatz 10
48143 Münster
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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


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