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Mitteilung vom 01.08.14

Presse-Infos | Kultur

¿Die Sauerländer sind gastfreundlich¿

Volkskundliche Kommission des LWL ist dem Fremdenverkehr auf der Spur

Bewertung:

Westfalen (lwl). Mehrere Wochen bezahlter Urlaub im Jahr ¿ heute hat dies schon den Rang eines Menschenrechtes, seit 1963 ist der Urlaub sogar gesetzlich vorgeschrieben. Dagegen konnte bis weit ins 20. Jahrhundert hinein nur ein kleiner Teil der Bevölkerung Erholungsreisen machen. Und wenn man verreiste, suchte man oft die leichter erreichbaren Ziele in der Nähe. Zu einer klassischen Ferienregion entwickelte sich das Sauerland. Die Volkskundliche Kommission beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) hat sich auf Spurensuche begeben.

Ein Bericht aus dem Archiv für westfälische Volkskunde gibt ein frühes Beispiel dafür, wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch Privatleute ihre Wohnungen für Feriengäste öffneten. So berichtet der Landwirt Karl Kellermann aus Hervel (Gemeinde Herscheid) im Märkischen Kreis 1975: ¿Meine Mutter stammte aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Plettenberg und hatte gerne Gesellschaft. Hier, wo die Höfe ziemlich weit auseinander liegen, war es ihr oft etwas einsam, und so fing sie schon vor dem Ersten Weltkrieg an, im Sommer einige Feriengäste (Sommerfrischler) aufzunehmen. Es waren welche darunter, die 20 Jahre und länger jedes Jahr wiederkamen. Manchmal kamen auch Wandervögel, oft Studenten, die im Heu schliefen. Neben großen Debatten gab es denn viel Musik und Gesang.¿

¿Hier ist der Blick in die Kindheitserinnerung vielleicht ein wenig verklärend¿, vermutet Tho-mas Schürmann von der Volkskundlichen Kommission. ¿Und die Mutter wird neben aller Freude an Gesellschaft auch an die Haushaltskasse gedacht haben.¿ Mit den ¿Wandervögeln¿ kam eine ganz andere Gruppe von Reisenden ins Sauerland: Jugendliche, die keine klassische Sommerfrische im Sinn hatten, sondern gemeinsam und frei von bürgerlichen Zwängen die Welt durchstreifen wollten.

Vom Wandern inspiriert war auch eine andere Bewegung, die vom Sauerland ihren Ausgang nahm: 1909 fasste der Volksschullehrer Richard Schirrmann (1874¿1961) den Plan, ein reichsweites Netz von Übernachtungsmöglichkeiten für Schüler zu schaffen. Diese Herbergen sollten höchstens einen Tagesmarsch auseinanderliegen. Die erste ständige Jugendherberge der Welt entstand 1912 auf der Burg Altena. Sie bot 15 Betten mit Matratzen, Wolldecken, Bettwäsche sowie Kochgelegenheit und Brausebad. Im selben Jahr wurde eine Liste mit 24 Jugendherbergen veröffentlicht. Sie befanden sich vor allem im Sauerland.

Mit den Jahren ist das Übernachtungsangebot im Sauerland, aber auch in anderen Teilen Westfalens, sehr vielfältig geworden. Durch das Internet ist das Übernachtungsgewerbe noch einmal in Bewegung geraten: Seit 2008 entstanden, erst in den USA, bald darauf auch in Deutschland, digitale Übernachtungsvermittlungen. Deren Geschäftsmodell besteht darin, dass die Agenturen sowohl von den Vermietern als auch von den Übernachtungsgästen eine Provision erhalten. In diesen digitalen Übernachtungsvermittlungen sind es Privatleute, die ihr Haus oder ihre Wohnung als Unterkunft anbieten. Dabei reicht die Spannweite vom Sofa im Gemeinschaftswohnzimmer bis zum luxuriösen Penthouse; es gibt Zimmer im Bauernhaus und in der Großstadt; auch klassische Ferienwohnungen sind darunter. Meist sind es Gele-genheitshoteliers, die sich in diesem Geschäftsfeld versuchen. Auf ein gewisses Maß an Professionalität deuten Angebote aus dem Sauerland, die zum Teil in englischer oder auch niederländischer Sprache geschrieben sind. Die Übergänge vom klassischen Nebenerwerb zur professionellen Beherbergung, aber auch bis zur Schwarzarbeit, sind bei den Übernachtungsangeboten fließend.

Hintergrund
Das Sauerland bot ¿ und bietet ¿ Erholungsmöglichkeiten im Sommer wie im Winter. Außerdem war die einheimische Bevölkerung auf Zuverdienste, wie sie der Fremdenverkehr mit sich brachte, angewiesen. Denn der größere Teil des Sauerlandes besaß alle Merkmale einer Landschaft, die man heute strukturschwach nennen würde: viel Natur, aber wenig Arbeitsplätze. Die eisenverarbeitende Industrie hatte sich auf das Märkische Land konzentriert, das im Norden in das Ruhrgebiet übergeht. Der Süden und Osten blieb dagegen von einer kleingewerblichen Wirtschaftsstruktur geprägt und bot nur wenige Erwerbsmöglichkeiten.

Bis heute bildet das Sauerland innerhalb Westfalens den touristischen Schwerpunkt. So ist der Anteil der Ferienwohnungen am Gesamtwohnungsbestand im Hochsauerlandkreis deutlich höher als im übrigen Westfalen. Das gleiche gilt für die Zahl der Übernachtungen je Einwohner. Größer als im übrigen Westfalen ist mit mehr als 18 Prozent auch der Anteil ausländischer Besucher unter den Übernachtungsgästen.



Pressekontakt:
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
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