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Mitteilung vom 05.11.13

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Unfassbarer Kunstfund in München

LWL-Expertin: ¿Chance für Aufarbeitung¿

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Münster (lwl). Am Montag veröffentlichte der ¿Focus¿, dass Fahnder bereits 2011 in einer Münchener Privatwohnung 1500 Kunstwerke beschlagnahmt hätten. Darunter sollen sich zahlreiche Bilder namhafter Künstler wie Franz Marc, Max Beckmann, Paul Klee oder Oskar Kokoschka befinden, die zu nationalsozialistischer Raubkunst gehören. Laut Focus gelten mindestens 300 der aufgetauchten Werke als verschollen oder zerstört. Dr. Tanja Pirsig-Marshall, Expertin für Moderne Kunst und Provenienzforschung im Museum für Kunst und Kultur des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in Münster ist verblüfft über diese Meldung.

Welche Bedeutung hat dieser Fund für die Kunstwelt?
Pirsig-Marshall:
Es ist sehr erstaunlich, dass eine solch hohe Anzahl hochkarätiger Kunstwerke so lange verborgen bleiben konnte. Viele dieser Bilder gehörten wahrscheinlich zu den unter den Nationalsozialisten als so genannte ¿entartete Kunst¿ diffamierten Kunstwerken, die als verschwunden oder zerstört galten. Dass überhaupt Werke von so renommierten Künstlern der Moderne wieder auftauchen, ist ein unschätzbarer Glücksfall. Gleichzeitig bietet dieser Fall eine Chance, neue Ergebnisse in der Provenienzforschung zu erhalten, vor allem Fragen darüber zu klären, wo die von den Nationalsozialisten beschlagnahmten Kunstwerke hingelangt sind.

Was genau ist ¿Entartete Kunst¿?
Pirsig-Marshall:
So genannte ¿entartete Kunst¿ umfasst moderne Kunstwerke, die mit dem Kunstverständnis der Nationalsozialisten nicht im Einklang standen. Im Speziellen bezeichnet der Begriff eine Propaganda-Kunstausstellung, die ab 1937 die aus den Museen beschlagnahmten Kunstwerke zeigte.
Viele dieser beschlagnahmten Exponate wurden devisenbringend ins Ausland verkauft oder über Auktionen und Kunsthändler verschachert. Einer dieser Kunsthändler war Hildebrand Gurlitt, bei dessen Sohn Cornelius Gurlitt nun dieser unglaubliche Fund gemacht wurde.

Womit beschäftigt sich die Provenienzforschung?
Pirsig-Marshall:
Die Provenzienzforschung beschäftigt sich mit der Herkunft eines Kunstwerkes. Es ist oftmals sehr schwierig, diese bei einem Exponat nachzuvollziehen, wenn nicht alle Besitzverhältnisse lückenlos aufgezeigt und nachgewiesen sind. Mit der Washingtoner Erklärung von 1998 verpflichteten sich auch deutsche Museen, nationalsozialistische Raubkunst zurückzuführen und Besitzverhältnisse zu klären. Neben zahlreichen Sammlungen von Museen waren vor allem viele jüdische Kunsthändler und Sammler betroffen.

Könnte es sein, dass auch Werke des LWL-Museums unter den gefundenen Kunstschätzen sind?
Pirsig-Marshall:
Es ist unwahrscheinlich, dass sich Werke aus dem ehemaligen Besitz des LWL-Museums für Kunst und Kultur darunter befinden. Unser Museum hat vor dem Krieg wenig moderne Kunst für die Sammlung angekauft. Unter den insgesamt 66 in Münster beschlagnahmten Werken waren vor allem Arbeiten von Peter August Böckstiegel und Christian Rohlfs.

Glauben Sie, dass sich solch ein Fund wiederholen könnte?
Pirsig-Marshall:
Vereinzelt werden sicherlich immer wieder verschollen geglaubte Bilder auftauchen, die in Privatbesitz sind. Aber in diesem Fall glaube ich eher an eine Ausnahme. 1500 Kunstwerke versteckt zu halten, auch wenn sich darunter viele Grafiken befinden, die sich platzsparender als Gemälde lagern lassen, ist doch sehr schwierig. Das bleibt für mich die größte Frage: Wie konnte ein Einzelner über eine so langen Zeitraum so viele Werke besitzen, ohne dass es irgendwie auffiel?



Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235 und Judith Frey, LWL-Museum für Kunst und Kultur, Telefon: 0251 5907-129, judith.frey@lwl.org
presse@lwl.org



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