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Mitteilung vom 06.04.09

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Halleluja: Lärmen und Lachen haben an Ostern Saison

LWL-Volkskundler erinnern an ¿lautstarke¿ Bräuche

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Westfalen (lwl). Am Gründonnerstag (9. April) ist es wieder soweit: Nach dem Gloria des Hochamtes schweigen die Kirchenglocken. Um die Bußbereitschaft zu zeigen, sind sie bis zum Ostersonntag ebenso wenig zu hören wie das ¿Halleluja¿ der Gläubigen.

Zu Ostern wurde es dann aber immer in und um die Kirchen herum laut und selbst auf dem Predigtstuhl ging es bisweilen lustig zu:
¿Auch wenn die Glocken schwiegen, war es zwischen Gründonnerstag und Ostersonntag keinesfalls absolut still¿, erläutert Christiane Cantauw, Volkskundlerin beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL). ¿So wie es heute noch in Beverungen (Kreis Höxter) Brauch ist, gingen noch vor 50 Jahren in den meisten katholischen
Gemeinden die sogenannten Rappeljungs durch die Straßen und machten die Gläubigen mit ihren Klappern und Ratschen auf den baldigen Beginn des Gottesdienstes aufmerksam. In katholischen Gottesdiensten kommen die Klappern und Ratschen während der Wandlung übrigens auch heute noch zum Einsatz.¿
Nach den ¿stillen Tagen¿ wurde und wird in einigen Gemeinden an Ostern der Freude über die Auferstehung Jesu Christi lautstark Ausdruck verliehen. In Warendorf-Milte und Münster-Coerde war es beispielsweise üblich, dass zu Ostern geböllert wurde. Mit Milchkannen, denen mittels eines Gemischs aus Karbid und Wasser der Deckel abgesprengt wurde, konnte ein beträchtlicher Lärm erzeugt werden. Ein Berichterstatter des Volkskundearchivs aus Münster-Coerde erzählt über das Böllern in seiner Jugendzeit: ¿In der Nacht um 1.30 Uhr stand ich auf, schlich aus dem Haus zu meinen Böllern, Kattenköppe wie sie im Volksmund hießen. War alles fertig, kam für mich der schönste Augenblick des Osterfestes. Die Lunte wurde angezündet, an die Zündstelle von einem der Böller gehalten, das Herz klopft bis zum Hals, dann ein Zisch, ein greller Blitz, und ein Donnerschlag durchbrach die Stille der Osternacht. An unserem großen Haus flogen die Fenster auf und aus allen Kehlen scholl es hinein in die Auferstehungsnacht: das Grab ist leer, der Held erwacht...¿.

Besonders greifbar wird das Ende der ¿stillen Zeit¿ im sauerländischen Hallenberg, wo sich die sogenannte Krachnacht zu einer wahren Touristenattraktion entwickelt hat. Um Mitternacht versammeln sich zahlreiche Gläubige und eine wachsende Anzahl von Touristen auf dem Marktplatz am Ostchor der Pfarrkirche. Mit dem letzten Glockenschlag erklingt das Hallenberger Fastenlied. ¿Danach beginnt ein unvorstellbares Lärmen, das mit allen möglichen und unmöglichen Geräten, teils auch mit sogenannten ¿Lärmmaschinen¿ erzeugt wird. Prozessionsartig bewegen sich die Krachnacht-Teilnehmer durch die Straßen der Stadt und ziehen schließlich dreimal um die Kirche herum¿, berichtet Cantauw. ¿Ähnliche Lärmumzüge waren in der Barockzeit weit verbreitet¿, so die Geschäftsführerin der Volkskundlichen Kommission für Westfalen weiter. ¿Mit Böllern, Lärm, lautem Gesang und Halleluja-Rufen verleihen die Gläubigen ihrer österlichen Freude Ausdruck.¿

Der Lärm diente aber nicht zuletzt auch dazu, die Gläubigen zu wecken. So übernahm in Bevergern (Kreis Steinfurt) beispielsweise der Küster das Wecken der Gläubigen am frühen Morgen des Ostersonntags. ¿Morgens um 4 Uhr ging er von Haus zu Haus und sorgte durch heftiges Klopfen und Rütteln an den Fensterläden dafür, dass Niemand das freudige Ereignis verschlief. Für seine Dienste erhielt er am Ostermontag in sämtlichen Häusern der Gemeinde einen kleinen Obolus. Dieser Brauch ist bereits für das Jahr 1563 nachweisbar¿, staunt Cantauw.

Ab Mitternacht war auch für die Einwohner von Delbrück (Kreis Paderborn) an Schlaf nicht mehr zu denken. ¿Oh crux, ave, spes unica¿ ertönte es bis in die 1950er Jahre in den Straßen. Rasseln und feierliches Glockengeläute machten auf den Beginn des Gottesdienstes in der Osternacht aufmerksam. ¿Der Brauch des dreimaligen Kirchenumgangs, bei dem der Priester nach jeder Runde lautstark an die Kirchentür schlägt, wurde nicht nur hier gepflegt. Ähnlich ging es beispielsweise auch in Schöppingen, (Kreis Borken), Rüthen (Kreis Soest), Lüdinghausen (Kreis Coesfeld) und Hagen zu. Die Krönung dieses Umgangs war es, wenn sich nach dem dritten Klopfen die Kirchentür öffnete, die Orgel aufbrauste und das Alleluja erscholl¿, erläutert Cantauw. ¿Alle Glocken läuteten und die Choristen sangen¿, erzählt ein Berichterstatter des Volkskundearchivs aus Schöppingen.

¿Besonders spannend finde ich einen österlichen Brauch, der seit Jahrhunderten leider nicht mehr gepflegt wird: Das Osterlachen (risus paschalis), ein Brauch, der immerhin vom Spätmittelalter bis in die Barockzeit weit verbreitet war¿, nennt Cantauw einen weitgehend vergessenen Osterbrauch. ¿Weil man davon ausging, dass derjenige, der lacht, Lebensfreude verspürt und deshalb empfänglicher ist für die österliche Botschaft, versuchten die Prediger durch allerlei lustige Bemerkungen, Witze oder Anekdoten das in der Kirche versammelte Volk zum Lachen zu bringen.¿



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Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235 und Martin Holzhause, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
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