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Mitteilung vom 28.10.08

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Mit den Füßen voraus...

LWL-Volkskundlerin: Der Umgang mit dem Tod hat sich stark verändert

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Westfalen (lwl). Am 2. November ist Allerseelen, das katholische Fest zum Gedächtnis an die Verstobenen. Es wurde 998 n. Chr. durch Abt Odilo von Cluny eingeführt und verbreitete sich rasch. ¿Lange Zeit war der Tod fest in das Leben und den Alltag integriert und der Umgang mit ihm, vor allem auf dem Land, durch zahlreiche Bräuche und Rituale reglementiert, die den Ablauf im Sterbefall strukturierten und so Sicherheit geben konnten¿ erklärt Christiane Cantauw von der Volkskundlichen Kommission für Westfalen (LWL).

¿Heute ist der Tod kein alltägliches Thema mehr. Viele Menschen empfinden den Gedanken an Tod und Sterben als beängstigend. Vielfach fehlen uns heute Rituale, die den Umgang mit unserer Vergäng-lichkeit erleichtern¿, so Cantauw weiter. Um die Wende zum 20. Jahrhundert gaben Bräuche und Rituale vor, was bei einem Todesfall zu tun war: ¿Hat der Sterbende den letzten Atemzug getan, so hängt man den Spiegel zu, hält die Uhr an, öffnet ein Fenster. Alles ,Weltliche`, etwa Soldatenbilder, werden verdeckt, die Einstellung auf das Ewige, Undingliche in jeder Weise gestützt¿, ist einer Quelle aus Langenholzhausen (Gemeine Kalletal in Lippe) zu entnehmen. Im ausgehenden 19. Jahrhundert wollte man der Seele des Verstorbenen das Verlassen des Sterbezimmers dadurch erleichtern, dass man beispielsweise oft direkt nach Eintritt des Todes die Fenster öffnete. Um die Rückkehr der Seele zu verhindern, achtete man auch stets darauf, dass der Tote unter allen Umständen mit den Füssen voraus aus dem Haus getragen wurde. Sollte er mit dem Gesicht dem Haus zugewandt herausgetragen werden, würde er im Grab keine Ruhe finden und er würde ins Haus zurückkehren, so die verbreitete Annahme.

Starb ein Mensch, war es üblich, zuerst den nächsten Nachbarn zu verständigen. Die Nachbarschaft war für solche Fälle in so genannte ¿Not- und Tot-Nachbarn¿ organisiert, die alle wichtigen Aufgaben für die Trauerfamilie übernahmen: Sie versorgten das Vieh, brachten den Trauernden Essen, richteten den Verstorbenen her und besorgten alles, was sonst in der Zeit der Trauer von Nöten war. Außerdem war es ihre Aufgabe, den Tod in der restlichen Gemeinde ¿anzusagen¿ und als Leichenbitter (Liekbitter) alle Verwandten und weiteren Nachbarn zur Bestattung einzuladen. Erst nach 1900 kam die Sitte auf, gedruckte Einladungen zu verschicken.

In den meisten ländlichen Haushalten wurden unabhängig von etwaigen Todesfällen Sargbretter vorgehalten. Bei wohlhabenderen Leuten waren dies Eichen-, bei ärmeren Weiden- oder Tannenholzbretter, heißt es aus Apen im Kreis Soest. Ein Gewährsmann der Volkskundlichen Kommission aus Schöppingen (Kreis Borken) bemerkte dazu: ¿Die Bretter für den Sarg wurden auf dem Balken, im Torhaus oder im Schuppen aufbewahrt. Der Zimmermann warf sie von dort herunter¿. Soweit dies möglich war, kam der Zimmermann noch am Sterbetag auf den Hof, um den Sarg zu zimmern. Den offenen Sarg bahrte man im Sterbezimmer oder der Diele bis zum Tag der Bestattung auf. Oft versammelten sich hier am Abend Nachbarn und Angehörige um zu beten.

Am Morgen der Bestattung, die meist nach drei Tagen stattfand, trugen die Notnachbarn die Leiche hinaus zum bereitstehenden Leichenwagen, meist einem Acker- oder Erntewagen. Die Sargträger wurden ebenfalls durch die ¿Not- und Tot-Nachbarschaft¿ gestellt. Oft lud die Trauerfamilie in der nächsten Wirtschaft zum Leichenschmaus ein oder die Nachbarin hatte einen Tisch im Sterbehaus hergerichtet. Für engste Verwandte, den Leichenbitter und die Träger gab es Kaffee und ¿Beerdigungskuchen¿ (Streuselkuchen), der auch heute noch bekannt und üblich ist.



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