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Mitteilung vom 17.02.04

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Interview mit Thomas Profazi, Referatsleiter Behindertenhilfe beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL)

Bewertung:

Herr Profazi, können bald alle Menschen mit Behinderungen in den eigenen vier Wänden wohnen?
Das wohl nicht. Stationäre Wohnheime werden auch in Zukunft ihre Berechtigung haben. Aber die Zahl der behinderten Menschen, die ambulant betreut werden und deshalb im eigenen Zuhause leben können, die wollen wir erheblich steigern. Dabei hilft es uns sehr, dass der LWL jetzt neben dem stationären auch für das Ambulant betreute Wohnen zuständig ist.

Wieso ist das ein Vorteil?
Weil ambulante und stationäre Hilfen nicht mehr von zwei unterschiedlichen Stellen verwaltet werden. Durch diese Bündelung in einer Hand können wir die notwendigen Hilfen für den einzelnen behinderten Menschen jetzt viel flexibler handhaben. Denn längst nicht jeder braucht die "All inclusive"-Betreuung, die ein Wohnheim bietet. Viele sind mit ambulanten Hilfen, die für sie maßgeschneidert werden, besser dran.

Also werden viele Menschen in NRW bislang fälschlicher Weise stationär betreut?
Es gibt zumindest eine große Gruppe von Leuten, die gerne selbstständiger leben will - in einer eigenen Wohnung oder einer Wohngemeinschaft - und das aus fachlicher Sicht auch könnten. Aber in der bisherigen ambulanten Hilfe bleiben einem Betreuer nur zwei bis drei Stunden pro Woche für jeden seiner Klienten. Das ist für die meisten Heimbewohner zu wenig. Diesen klaffenden Graben zwischen ambulantem und stationärem Wohnen wollen wir zuschütten.

Und wie soll das gehen?
Indem wir den individuellen Hilfebedarf ermitteln und den besten Weg festlegen, ihn zu decken. Für jeden, der bereits ambulant betreut wird. Für jeden, der aus einem Wohnheim ausziehen will. Und für jeden, der neu ins System hineinkommt und sich bislang nur ein Leben im Wohnheim vorstellen konnte. Wir haben dazu ein so genanntes Hilfeplanverfahren entwickelt. Fachleute des LWL, der Kommune, der Wohnheimträger und der ambulanten Dienste klären mit den Betroffenen, welche Unterstützung sie wollen und brauchen.

Behinderte Menschen bekommen demnach mehr Mitspracherechte?
Unbedingt. Der Leitspruch der Behinderten-Selbsthilfe, "Nichts über uns ohne uns", kommt damit auch beim Kosten- und Entscheidungsträger LWL besser zur Geltung. Und außerdem spart der Steuerzahler eine Menge Geld, denn ein Platz im Ambulant betreuten Wohnen ist wesentlich preiswerter als ein Platz im Wohnheim.

Ist der Grundsatz "ambulant vor stationär" das Allheilmittel der Behindertenhilfe?
Nein, sicher nicht. Aber unser Ziel ist es, so vielen Menschen wie möglich so zu helfen, dass sie sich ihre Rolle als autonome Bürgerinnen und Bürger erhalten können.




Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, Telefon 0251 591-235
presse@lwl.org




Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


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