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Mitteilung vom 03.11.03

Presse-Infos | Der LWL

Untersuchungen von Orgelexperten und LWL-Denkmalpflegern zeigen:
In Ostönnen bei Soest steht die wahrscheinlich älteste Orgel der Welt

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Soest-Ostönnen (lwl). Als die Denkmalpfleger des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) gemeinsam mit renommierten Orgelexperten die Orgel der St.-Andreas-Kirche in Ostönnen bei Soest untersuchten, weil eine Restaurierung dringend notwendig war, lag die Geschichte des Instrumentes noch weitgehend im Dunkeln. Zwar vermuteten alle Beteiligten, dass die Orgel einen großen historischen Wert hat, doch die Ergebnisse der Untersuchungen, die eine Orgelpfeife sogar ins Krankenhaus führte, überraschte alle Beteiligten: Die Experten sind sich sicher, dass die westfälische Orgel zu den ältesten spielbaren Orgeln der Welt zählt. ¿Vieles spricht sogar dafür, dass sie die älteste ist¿, sagte Orgelexperte Rowan West bei der Vorstellung der gerade abgeschlossenen Restaurierungsarbeiten am Montag (03.11.) in Ostönnen.

Bei ihrer überraschenden These stützen sich Denkmalpfleger und Orgelexperten auf eine ganze Reihe Indizien, die sie bei der zwölfmonatigen Restaurierung entdeckt haben: Erste Untersuchungen zeigten, dass viele der Pfeifen aus der Gotik stammten, 326 von ihnen gar vor 1500 entstanden sind. Holztechnische Untersuchungen belegten, dass im Gehäuse der mehrfach umgebauten Orgel Hölzer von 1447 und 1435 verwendet worden sind.

Bei der originalen Bohlenwindlade, auf der die Pfeifenregister stehen, und mehreren Stücken ehemaliger Bälge, die für das Gehäuse wiederverwendet wurden, haben die gotischen Orgelbauer ähnlich altes Holz verwendet: ¿Das Holz stammt von Bäumen, die 1410 und 1416 gefällt wurden. Geht man von der üblichen Holzlagerzeit von 15 Jahren aus, wurde die Windversorgung in der Zeit zwischen 1425 und 1431 gebaut. Damit gehört die Orgel zu den ältesten der Welt¿, sagt LWL-Denkmalpflegerin Dr. Roswitha Kaiser.

Weitere Forschungen sollen jetzt klären, wie alt die Tonbuchstaben auf den gotischen Pfeifen sind und was es mit der merkwürdigen Inschrift auf dem Kern einer gotischen Pfeife auf sich hat, die durch die endoskopischen Untersuchungen in einem Krankenhaus wie bei einer Magenspiegelung dokumentiert wurde. ¿Vielleicht ist hier eine Art Grundsteinlegung für den Bau dieser Orgel erfolgt und wir können noch das Geheimnis um den
Orgelbau lüften¿, hoffen die Denkmalpfleger. Auf jeden Fall hat die Orgel einen Wert, der sich mit den berühmten Instrumenten in Sion (Schweiz), Kiedrich (Mosel) und Rysum (Ostfriesland) messen lassen kann, sagt Orgelbauer Rowan West.

Auch wenn sich die letzten Geheimnisse in den anstehenden Untersuchungen nicht klären lassen sollten, habe die Ostönner Orgel eine besondere Bedeutung, schließlich seien hier über die Hälfte der Pfeifen, die Lade, der Kasten auf dem die Pfeifen stehen und Teile des Gehäuses aus der mittelalterlichen Entstehungszeit erhalten. ¿Damit ist sie gleichzeitig ein wichtiges Klang-, Technik- und Kunstdenkmal¿, unterstreicht Kaiser den kulturhistorischen Wert des Kircheninstrumentes.

In ihrer über 500-jährigen Geschichte hat die Orgel sogar schon einen Umzug hinter sich gebracht: Bis 1721 stand sie in Alt St. Thomae in Soest. Am ersten Standort erweiterte sie ein Meister Bartholdus 1586 bereits um zwei Register. Die Orgel wurde unter anderem 1727, 1760, 1888 und 1963 repariert, sie erhielt 1874 einen neuen Platz in der Kirche und wurde dabei immer wieder verändert. Vor allem die letzte Reparatur nahm wenig Rücksicht auf den alten Pfeifenbestand der Orgel und verursachte verschiedene Schäden.
Deshalb war allen Beteiligten schnell klar, dass diese Veränderungen wieder zurückgenommen werden mussten. Doch auf welchen Zustand sollte die Orgel zurückgeführt werden? Schließlich einigten sich Denkmalpfleger und Orgelexperten auf den Zustand von 1721, als die Orgel nach Ostönnen kam. ¿Denn ohne die Veränderungen aus dieser Zeit wäre das Pfeifenwerk heute nicht mehr vollständig. Außerdem war die Qualität der Arbeit aus dieser Zeit so hoch, dass es unverantwortlich wäre, die Pfeifen zu entfernen¿, so Kaiser. ¿Wir haben die Orgel wie in der Gotik üblich gestimmt. Im Unterschied zu heutigen Klavieren sind dabei die Tonhöhenabstände von Halbton zu Halbton unter-schiedlich groß. Dadurch klingt die Orgel besonders rein und reizvoll¿, ergänzt West.

Die spannende Abwägung, wann bei der Restaurierung eher das historische Klang-, das original erhaltene Technik- oder das Kunstdenkmal mit seinen gotischen Orna-menten im Mittelpunkt stand, hat das Westfälische Landesmedienzentrum des LWL in einem Videofilm dokumentiert, der noch in die-sem Jahr fertig sein wird. Dabei hat das Filmteam um Produktionsleiter Hermann-Josef Höper alle Arbeitsschritte dokumentiert.
So schauten die LWL-Filmer beispielsweise
dem Orgelbauer Rawon West bei der
Arbeit in seiner Ahrweiler Werkstatt mit der
Kamera über die Schulter. ¿Wir wollten aber auch die seltene Gelegenheit nutzen, das Innenleben einer historischen Orgel zu zeigen, das sonst nicht zu sehen ist. Mit Detailaufnahmen wollen wir auch dem Laien näher bringen, wie die Königin der Instrumente funktioniert¿, erklärt Höper.






Pressekontakt:
Markus Fischer Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org




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