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Mitteilung vom 03.07.02

Presse-Infos | Der LWL

Ovenhausener Haus einer jüdischen Familie ist im Westfälischen Freilichtmuseum Detmold jetzt auf festem Grund

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Detmold (lwl). Der Aufbau des jüdischen Wohnhauses aus Ovenhausen im Westfälischen Freilichtmuseum Detmold ist einen großen Schritt weitergekommen: Mit zwei Kränen von 160 und 180 Tonnen wurde am Mittwoch (03.07.) im Museum des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) der bisher eingelagerte, translozierte vordere Gebäudeteil mit einem Gewicht von 67 Tonnen auf sein Fundament gesetzt.

Das Fachwerkhaus wurde um 1810 von Nachkommen des 1783 ermordeten jüdischen Händlers Soistmann Berend errichtet. Im "Paderborner Dorf" des Museums repräsentiert es den jüdischen Bevölkerungsanteil in den ostwestfälischen Dörfern. Der zugrunde liegende historische Kriminalfall bildet den historischen Hintergrund der bekannten Novelle "Die Judenbuche" von Annette von Droste-Hülshoff. Erbauer des Hauses war vermutlich Bernd Soistmann (1770-1841), der sich ab 1808 Steilberg nannte.

Nach jahrelangen Recherchen konnte das LWL -Freilichtmuseum das Gebäude aus Ovenhausen vor drei Jahren mit Unterstützung des Landes NRW erwerben. Die Translozierung des Hauses war spektakulär: Im November 2000 brachte ein riesiger Tieflader das Gebäude in mehreren großen Teilen von Ovenhausen unter intensiver Medienbegleitung nach Detmold. Das LWL-Museum in Detmold ist das einzige deutsche Freilichtmuseum, in dem ein historisches jüdisches Wohnhaus errichtet wird.

In einem begleitenden Forschungsprojekt ist beabsichtigt, Geschichte und Alltagskultur der Juden in den Dörfern Ostwestfalen-Lippes zu erforschen und zu dokumentieren. Am Beispiel des Ovenhausener Hauses und des Schicksals seiner Bewohner sollen die Ergebnisse den Museumsbesuchern in anschaulicher Form präsentiert werden.

Juden waren auch in Ostwestfalen-Lippe ein selbstverständlicher, wenn auch nicht zu allen Zeiten akzeptierter Teil der ländlichen Bevölkerung bis zu ihrer systematischen Verschleppung und Ermordung in der Zeit des Nationalsozialismus. Besonders in den größeren Dörfern des Paderborner und Corveyer Landes lebten zahlreiche Juden, die als Geschäftsleute, Viehhändler oder Schlachter eine wichtige Rolle im wirtschaftlichen Leben spielten. Gleichzeitig waren sie als Nachbarn geachtete Mitglieder der dörflichen Gemeinschaft, bis die Verfolgung während des Nationalsozialismus diese sozialen Beziehungen zerstörte. Heute erinnern nur noch wenige ehemalige Synagogen oder Friedhöfe an die religiöse Kultur der ländlichen Juden, während ihre Wohn- und Alltagskultur allmählich vollends in Vergessenheit zu geraten droht.

Das Ovenhausener Haus war von seiner Erbauung um 1810 bis 1942 ununterbrochen in jüdischem Besitz: Bis 1885 gehörte es der Famile Steilberg; dann erwarb es Levy Uhlmann, ein Händler aus Ovenhausen. Uhlmann betrieb dort einen kleinen Gemischtwarenladen und schlachtete Ziegen. Er starb 1927; seine Familie lebte noch bis 1941 in dem Haus. In diesem Jahr wurden die verbliebenen Ovenhausener Juden nach Riga deportiert, wo die meisten von ihnen umkamen. Nach 1945 erwarb ein Nachbar das Gebäude von Angehörigen der Familie Uhlmann, die 1937 in die USA emigrieren konnten.

Das Haus Hauptstr. 31 in Ovenhausen ist damit eines der letzten nahezu unverändert erhaltenen jüdischen Wohnhäuser in Ostwestfalen. Das kleine, relativ bescheidene Fachwerkhaus mit dem erhaltenen Ladentresen im Hausflur ist ein aussagekräftiges Zeugnis für die Wohnverhältnisse und Lebensbedingungen einer jüdischen Kleinhändlerfamilie um 1930 und soll ab 2004 im LWL-Freilichtmuseum zu besichtigen sein.





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