LWL-Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Mitteilung vom 27.12.01

Presse-Infos | Der LWL

Viele Laute versickern im Nichts
Wie ein schwerhöriger LWL-Mitarbeiter sein Studium meistert

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Münster (lwl). Ralf Umlauf käme nie auf die Idee, ¿Was?¿ zu fragen, weil das unhöflich klingt. ¿Das habe ich jetzt nicht verstanden¿, sagt er statt dessen, wenn seine Gesprächs-partner etwas wiederholen sollen. Und das müssen sie oft. Denn Ralf Umlauf ist hoch-gradig schwerhörig. Wie es in der Fachsprache heißt: Er hat eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit.

Als er im Sommer dieses Jahres seine Ausbildung zum Landesinspektorenanwärter beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) begann, war ihm schon vorher klar, dass er ohne technische Hilfen dem Unterricht nicht folgen könnte. 24 Studentinnen und Studenten sitzen mit Ralf Umlauf im Klassenraum der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Münster. Wenn einer aus den hinteren Reihen spricht, würde Ralf Umlauf auf seinem Platz nahe des Pults kein Wort mehr verstehen. Und wenn der Dozent sich zur Tafel dreht, würden die Laute im Nichts versickern.

Ein nahendes Martinshorn hört er nicht, ebensowenig eine Mücke, und von der Musik
bleibt nur der Rhythmus. Während der Schulzeit
reichte ihm noch ein Hörgerät aus, um die Folgen
einer Hirnhautentzündung, an der er als Baby
erkrankte, auszugleichen. Während des Abiturs erlitt er jedoch einen Hörsturz und ist seitdem auch auf dem rechten Ohr hochgradig schwerhörig. Heute trägt der 30-Jährige zwei Hörgeräte. Doch das sind nur unzureichende Hilfsmittel. Denn auch die Hörgeräte können die starke Schwerhörigkeit nicht hundertprozentig ausgleichen.

Frauen versteht er besser als Männer ¿ wegen der höheren Stimme. Aber es sind meist nur Bruchstücke, die er hört und wie Puzzleteile zusammensetzt ¿Wenn ich etwas nicht verstehe, ist es ganz wichtig, dass der Satz genau so wiederholt wird¿, erklärt er. Doch das wissen die meisten Menschen nicht. Während sie wiederholen, wählen sie andere Worte, und das Puzzle zerfällt. Ralf Umlauf hat in dem Fall nicht verstanden, was man ihm mitteilen wollte vor allem ¿ im Studium eine unerträgliche Situation.
Die technische Lösung für das Problem war eine Infrarot-Übertragungsanlage. Auf den Unterrichts-tischen in der Fachhochschule wurden 14 Mikrofone aufgestellt, die sich automatisch einschalten, sobald gesprochen wird. Ein Verstärker sendet die Töne auf die Hörgeräte von Ralf Umlauf. Der Dozent benutzt ein spezielles Ansteckmikrophon, damit der schwerhörige Student ihn auch versteht, wenn der Lehrer sich im Raum bewegt.

¿Dank der Anlage verstehe ich jetzt bis zu 90 Prozent vom Unterricht. Sonst wäre es nur die Hälfte¿, so die Bilanz des Studenten. Zusätzlich musste ein Teppich gelegt werden, der die
Nebengeräusche schluckt. Und mit einem ¿Mikro-Link-System¿, einer tragbaren Mikrofon-Anlage, kann Ralf Umlauf außerdem an Arbeitsgemeinschaften außerhalb seines Unterrichtsraumes teilnehmen.

Bezahlt wurden die Hilfsmittel im Wert von rund 70.000 Mark zum größten Teil vom LWL-Inte-grationsamt. Diese Abteilung gliedert schwerbehinderte Menschen in den Beruf ein. Laut Gesetz ist jeder Arbeitgeber mit mindestens 20 Arbeitsplätzen dazu verpflichtet, fünf Prozent aller Stellen mit schwerbehinderten Arbeitnehmern zu besetzen. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, muss er eine sogenannte Ausgleichsabgabe an das LWL-Integrationsamt zahlen. Diese Abgabe beträgt, abhängig davon, wie weit die Quote verfehlt wird, monatlich 200 bis 500 Mark pro nicht besetztem Arbeitsplatz. Von der Ausgleichsabgabe werden zum Beispiel die technischen Hilfsmittel bezahlt, die schwerbehinderte Menschen an ihrem Arbeitsplatz brauchen.

Steffi Pöllmann arbeitet innerhalb des LWL-Integrationsamtes beim Fachdienst für Hörbehinderte und begleitet Ralf Umlauf schon seit Jahren. Denn der Münsteraner war vor seiner Ausbildung schon als Beamter im Mittleren Dienst beim LWL tätig. Zur Ausstattung seines Arbeitsplatzes war damals vor allem ein Verstärker für das Telefon notwendig.

Wenn Steffi Pöllmann mit dem Studenten redet, spricht sie sehr deutlich und formt Gebärden. ¿Für schwerhörige Menschen sind lautsprachbegleitende Gebärden eine sinnvolle Form der Kommunikation¿, weiß die LWL-Mitarbeiterin. Und sie sind ein Beispiel dafür, wie die Wahrnehmung bei jedem Menschen funktioniert: aus einer Kombination von unterschiedlichsten Sinneseindrücken.

Um an der Welt der Hörenden teilzuhaben, beobachtet Ralf Umlauf seine Umgebung ganz genau. ¿Ich denke in Bildern, ich lerne sogar in ihnen¿, erklärt er. Er liest von den Lippen, beobachtet die Mimik seines Gesprächspartners und saugt alle Zusatzinformationen auf, die ihm seine Augen übermitteln. ¿Hören ¿ sehen ¿ kombinieren, das bedeutet für mich zu verstehen.¿
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband für die 8,5 Millionen Menschen in der Region. Mit seinen 40 Schulen, 17 Krankenhäusern, 17 Museen und als einer der größten Sozialhilfezahler Deutschlands erfüllt der LWL Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, der durch ein Parlament mit 135 Mitgliedern aus den Kommunen kontrolliert wird.


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