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Mitteilung vom 29.07.15

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Legokasten XXL

Restauratoren des LWL-Freilichtmuseums Detmold zerlegen ganze Häuser ¿ und bauen sie wieder auf

Bewertung:

Detmold (lwl). Timm Miersch und seine Kollegen bauen Häuser ab ¿ um sie an anderer Stelle wieder aufzubauen. Das klingt erst mal ziemlich verrückt. Tatsächlich erfüllen die Gebäuderestauratoren im Freilichtmuseums Detmold des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) damit eine wichtige Aufgabe: Mit jedem Gebäude, das von seinem ursprünglichen Platz abtransportiert wird, um sich später auf dem LWL-Museumsgelände in die Dorflandschaft einzufügen, bewahren sie ein Stück bauliches Erbe der Region. Denn jede Wand, jeder Balken, jeder Türsturz wird dokumentiert und ¿ wenn nötig ¿ restauriert. ¿Dabei geht es uns nicht darum, dass am Ende ein schönes Haus steht¿, sagt Miersch. ¿Wir verfälschen die Gebäude nicht. Sie werden so wieder aufgebaut, wie wir sie vorgefunden haben ¿ auch krumm und schief.¿

Was das bedeutet, zeigt die Baustelle des Hauses Remberg: Der alte Bauernhof stand einst in Finnentrop-Fretter im Kreis Olpe. Nun hat er seinen neuen Platz im Sauerländer Dorf des LWL-Freilichtmuseums gefunden. Gerade läuft die Innenrestaurierung. Künftig sollen hier Schulklassen übernachten und selbst erfahren, wie man vor 100 Jahren auf dem Land lebte und arbeitete. Der Dielenboden in den Räumen ist uneben und zeugt von der langen Benutzung durch die früheren Bewohner. Auch die Treppenstufen sind ausgetreten. ¿Restaurierung heißt Erhalt, nicht Erneuerung¿, stellt Timm Miersch klar. ¿Wir möchten historische Häuser für die Zukunft so bewahren, wie sie einst gebaut und bewohnt wurden.¿

Häuser als Urkunden der Geschichte

Für den Gebäuderestaurator sind die Fachwerkhäuser des LWL-Freilichtmuseums Urkunden der Geschichte ¿ ¿aber sie lagern eben nicht in einem Archiv, sondern sind hier für jeden erlebbar.¿ Anders als bei der Restaurierung historischer Dokumente oder alter Gebrauchsgegenstände sind Häuser dabei ständig der Witterung ausgesetzt. ¿Man kann ja schlecht eine Glasvitrine drumherum bauen.¿ Zur Arbeit von Miersch und seinen Kollegen gehört deshalb nicht nur die Restaurierung historischer Gebäude sondern auch die Pflege der bereits aufgebauten und begehbaren Häuser. Auch das braucht Zeit. Die Folge: Der Aufbau neuer Häuser geht langsam voran. So lagern noch immer viele schon vor Jahrzehnten abgebaute Gebäude ¿ in viele Tausend Einzelteile zerlegt ¿ säuberlich aufgestapelt auf dem Bauhofgelände des LWL-Freilichtmuseums. ¿Früher hat man die Häuser meist komplett zerlegt¿, erzählt Miersch. ¿Heute teilen wir sie in größere Segmente, die wir dann in unserer Werkstatthalle restaurieren. So bleiben die Wände mitsamt Putz und Tapeten erhalten.¿

Bis zu 54 Tonnen wiegt so ein Riesen-Baustein. Nach der Vermessung beginnt die eigentliche Restaurierungsarbeit: Was muss erneuert werden, woran hat der Zahn der Zeit noch nicht allzu sehr genagt? Und vor allem: Welches Teil gehört wohin? ¿Das ist manchmal richtige Detektivarbeit¿, sagt der gelernte Zimmermann. ¿Häufig gibt es von Häusern, die vor Jahrzehnten ins Museum gebracht wurden, kaum Fotos oder Messungen, an denen man sich bei der Restaurierung und beim Wiederaufbau orientieren kann.¿

Architektonische Detektivarbeit

Wie genau es die Restauratoren im LWL-Freilichtmuseum Detmold mit dem exakten Wiederaufbau nehmen, wird klar, wenn man beobachtet, wie Mierschs Kollege Holger Kelm jede Türzarge, jeden Fenstergriff auf seine historisch korrekte Verwendung überprüft. Zu fast jedem verbauten Teil kann er eine eigene Geschichte erzählen. Häufig findet der 50-Jährige bei seiner Arbeit sogar Spuren von Umbaumaßnahmen, die bereits vor Generationen durchgeführt wurden. ¿Das ist architektonische Detektivarbeit¿, sagt er mit einem Augenzwinkern und deutet auf eine Tür, an deren Rahmen er insgesamt sechs Farbschichten aus verschiedenen Epochen gefunden hat.

Die ursprünglichen Bewohner von Haus Remberg müssen das Holz über die Jahre hinweg immer wieder überpinselt haben. Mit den Tapeten verfuhr man ähnlich. Deren Reste lagern nun in der Werkstatt von Franz Mühlbauer-Keul. Der Restaurator ist für Objekte aus Papier und Leser zuständig ¿ von der zierlichen Damensandalette bis zum riesigen Blasebalg, von Buchseiten bis zu Tapeten. Gerade diese Vielfalt ist es, die er an seiner Arbeit so schätzt. ¿Jedes neue Objekt erfordert eine andere Herangehensweise¿, erklärt der 63-Jährige. Vor ihm auf dem Arbeitstisch liegen die Tapeten aus dem Haus Remberg. Bis zu zwölf verschiedene Schichten konnte er vorsichtig voneinander ablösen. Eine papierne Zeitreise durch Epochen und Geschmäcker.

Nur wenige Räume weiter ist sein Kollege Wolfram Bangen damit beschäftigt, alte Holzmöbel zu restaurieren. Auch ihm geht es nicht darum, ein Objekt wie neu aussehen zu lassen. ¿Man soll nach wie vor erkennen können, dass hier ein Gegenstand jahrzehntelang in Gebrauch war¿, sagt er. Seit einigen Wochen lagern in seiner Werkstatt verschiedene Ausführungen historischer Toilettenstühle. 2016 werden sie Teil einer Ausstellung zu Toilettenkultur und Hygiene im LWL-Freilichtmuseum sein. Mehrere Wochen braucht der 53-Jährige, bis die Arbeit an einer transportablen Toilette aus Mahagoni abgeschlossen ist. Ob ein Klosett aus dem 19. Jahrhundert oder ein kompletter Bauernhof ¿ Restaurierung ist nichts für Ungeduldige.



Pressekontakt:
Hannah Reichelt, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235 und Ruth Lakenbrink, LWL-Freilichtmuseum Detmold, Tel. 05231/706-110
presse@lwl.org



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