LWL-Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Mitteilung vom 13.09.12

Presse-Infos | Kultur

Geschichte und Kultur der Polen in Deutschland

LWL baut als Träger Dokumentationsstelle in Bochum auf

Bewertung:

Corvey/Bochum (lwl). In Form eines Internetportals will der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) als Träger einer künftigen Dokumentationsstelle Dokumente, Fotos und Filme zur Geschichte und Kultur der Polen in Deutschland allgemein zugänglich machen. LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Thale stellte das Konzept, das der LWL nach einer Machbarkeitsstudie und einem Workshop mit Wissenschaftlern und Vertretern polnischer Vereinigungen erarbeitet hat, am Mittwoch (12.09.) im LWL-Kulturausschuss in Corvey vor.

Kernstück und ¿Eingangsbereich¿ des künftigen Internetportals soll ein elektronischer Atlas der Erinnerungsorte sein. ¿Der Atlas soll ausgehend von der NS-Zeit und den Orten der NS-Verbrechen an Polen alle für die Geschichte und Kultur der Polen in Deutschland wichtigen Erinnerungsorte enthalten und dauernd erweitert werden. Er soll mit einer modernen Datenbank verbunden werden, die nicht nur eigene Einträge enthält, sondern auch mit anderen relevanten Datenbanken verbunden ist¿, so Rüschoff-Thale. An der technischen Umsetzung habe das Fraunhofer-Institut großes Interesse bekundet und Unterstützung angekündigt, so die LWL-Kulturdezernentin weiter.

Der Aufbau der Dokumentationsstelle und der laufende Betrieb sollen durch eine Förderung des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, der bereits die Machbarkeitsstudie gezahlt hat, finanziert werden. Die Dokumentationsstelle soll eng mit dem LWL-Industriemuseum Zeche Hannover in Bochum zusammenarbeiten, da das LWL-Museum schon zahlreiche Ausstellungen und Projekte zur Geschichte und Gegenwart von Migrationsbewegungen durchgeführt hat und der LWL plant, seinen Museumsstandort langfristig zu einem Forum für Migration und Interkultur auszubauen.

Zunächst soll die Dokumentationsstelle auch in das LWL-Museum einziehen. Später soll sie im ¿polnischen Haus¿ Am Kortländer in Bochum untergebracht werden, das zunächst noch saniert werden muss. Die Machbarkeitsstudie hat Bochum als Standort der Dokumentationsstelle empfohlen, da die westfälische Ruhrgebietsstadt lange das Zentrum des polnischen Kulturlebens in Deutschland bildete. Allein an der Klosterstraße, die heute zum Teil Am Kortländer heißt, hatten vor rund 100 Jahren rund 30 polnische Organisationen und Institutionen ihren Sitz.

Da der Bundesbeauftragte signalisiert hat, dass er die Dokumentationsstelle fördern wird, will der LWL kurzfristig einen Förderantrag stellen. 2013 soll die Dokumentationsstelle dann im LWL-Industriemuseum Zeche Hannover eingerichtet werden.

Hintergrund
In Deutschland leben heute mehr als zwei Millionen Menschen mit polnischer Muttersprache und polnischer Identität. Beide Völker können auf eine lange und wechselvolle Geschichte zurück blicken. Sie ist geprägt von Phasen des Kriegs, der Verfolgung und des Leids, aber vor allem auch vom friedlichen Zusammenleben, guter Nachbarschaft sowie vielfältigen kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen.

Die Polen in Deutschland haben wesentlich zur kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung des Landes beigetragen. Neben gegenseitigen Beeinflussungen in Musik, Literatur und Politik vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert ist vor allem der Beitrag der polnischen Zuwanderer zu erwähnen, die Ende des 19. Jahrhundert als Landarbeiter und Industriearbeiter nach Deutschland kamen. Am Vorabend des Ersten Weltkriegs lebte mehr als eine halbe Millionen Menschen polnischer Herkunft und polnischer Muttersprache im Ruhrgebiet. Sie arbeiteten dort nicht nur in Zechen, Eisenhütten und Stahlwerken und trugen damit zum Aufbau und Wohlstand des Landes bei, sondern etablierten in Bochum, im Herzen des aufstrebenden Ruhrgebiets, ein Zentrum der polnischen Verbände, Banken, Verlage und Vereine, das ins gesamte Deutsche Reich ausstrahlte.
Trotz des Wegzugs von zwei Dritteln der so genannten Ruhr-Polen aus dem Revier nach Wiedererstehen des polnischen Staates konnte Bochum als Zentrum der Polen bis 1939 seine Bedeutung erhalten.

Mit dem Überfall auf Polen, der Verschleppung und Vernichtung wurden in vielen Teilen Deutschlands die Wurzeln des gedeihlichen Zusammenlebens, des kulturellen und wirtschaftlichen Austauschs zerschlagen. Die polnischen und deutschen Grenzverschiebungen und die Einbindung in unterschiedliche politische und militärische Bündnissysteme nach dem Zweiten Weltkrieg haben lange Zeit die Annäherung und Versöhnung der beiden Völker erschwert. Mit dem Aufbruch zur Demokratisierung der Ostblockstaaten, der Anfang der 1980er Jahre von Polen ausging, der endgültigen Bekräftigung der Grenzen und dem Vertrag zur guten Nachbarschaft und freundschaftlichen Zusammenarbeit haben beide Staaten 1991 die Weichen für die gemeinsame Zukunft in einem zusammenwachsenden Europa gestellt.

In der Phase des politischen Umbruchs sind hunderttausende Menschen aus Polen nach Deutschland gekommen. Im Gegensatz zu anderen Gemeinschaften von Zuwanderern tritt die Präsenz der Polen in Deutschland jedoch oft nur zurückhaltend in Erscheinung. Ihr weitreichender Beitrag zu einem gemeinsamen kulturellen Erbe, ihre Bedeutung für die Entwicklung und kulturelle Vielfalt in Deutschland ist daher vielen nicht bewusst.

Die Orte der wechselvollen Geschichte und vielfältigen Kultur der Polen in Deutschland sichtbar zu machen und ein Forum für den Austausch über Erinnerung, Geschichte, Identität und Kultur herzustellen ist, das Ziel der geplanten Dokumentationsstelle zur Geschichte und Kultur der Polen in Deutschland. Um den deutsch-polnischen Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit vom 17. Juni 1991 zu erfüllen hat der Bundestag am 10. Juni 2011 beschlossen, eine Dokumentationsstelle zur Geschichte und Kultur der Polen in Deutschland einzurichten.



Pressekontakt:
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org




Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


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