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Mitteilung vom 02.07.08

Presse-Infos | Kultur

Fortschritte bei der Präparation an fossilem Schwimmsaurier

¿Nichts Vergleichbares in Norddeutschland¿

Bewertung:

Münster (lwl). Seit Februar präparieren Fachleute des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) das versteinerte Skelett eines seltenen, 185 Millionen Jahre alten Schwimmsauriers. Nach Einschätzung der Experten ist in Norddeutschland zuvor noch kein so gut erhaltenes Plesiosaurierskelett aus dieser Zeit gefunden worden.

Im Sommer vergangenen Jahres hatten die Paläontologen in einer Tongrube im Kreis Höxter das über vier Meter große Meeresreptil geborgen und nach Münster in die Präparationswerkstatt des LWL-Museums für Naturkunde gebracht. Vor Ort in Münster hat sich am Mittwoch (2.7.) LWL-Direktor Dr. Wolfgang Kirsch über den Fortschritt der Arbeiten in der Präparationswerkstatt informiert.

Der Fund wird im LWL-Museum für Naturkunde für eine Landesausstellung im Römisch-Germanischen Museum in Köln 2010 und im LWL-Museum für Archäologie in Herne hergerichtet. In den Kreis Höxter geht ein originalgetreuer Abguss des präparierten Fundes sowie eine Ausstellung mit Darstellungen zur Fundgeschichte, Präparation des Fossils und zum damaligen Lebensraum. Plesiosaurier waren Meeresreptilien mit zwei paddelähnlichen Flossenpaaren und einem langen Hals. Die Flossen saßen an einem relativ starren Körper, dessen Rückgrat deutlich gewölbt war und durch verstärkte Rippen zusätzlich Halt erhielt.

Schwierige Bergung

Das LWL-Grabungsteam legte im Sommer 2007 in einer Tongrube in Nieheim-Sommersell (Kreis Höxter) Rippen, Knochen der hinteren und vorderen Extremitäten, wie etwa Schulterblatt und Fingerknochen, sowie Wirbel frei. Die Wirbelsäule wurde vollständig geborgen. Dabei stellte sich heraus, dass das Tier über vier Meter lang gewesen sein muss. Der Saurier lag auf dem Rücken und wurde in dieser Haltung freigelegt. Mitte Juni 2007 waren die Fossilienforscher im LWL-Museum für Naturkunde von einem ehrenamtlichen Mitarbeiter informiert worden.

Nach der Ortsbesichtigung durch einen LWL-Paläontologen begann eine Rettungsgrabung. Aus Furcht vor Raubgräbern wurde zunächst die Öffentlichkeit nicht informiert, das Grabungsteam blieb Tag und Nacht an der Grabungsstelle. Die Grabung verlief unter schwierigen Bedingungen, denn das Team musste gegen den Regen und das steigende Grundwasser ankämpfen.

Die Knochen wurden nicht einzeln geborgen, dazu fehlte die Zeit. Darum wurde der Fund durch so genannte Blockbergungen gesichert: Tonsteine mit den fossilen Knochen werden mit Harz eingestrichen und anschließend mit viel umgebenden Gestein in großen Blöcken, stabilisiert durch untergelagerte Eisenstäbe, aus der Erde befreit. Insgesamt bargen die Paläontologen zehn Blöcke mit Knochen und Sediment.

Aus zehn Blöcken wird ein Exponat

Nach seiner Bergung kam der Schwimmsaurier ins LWL-Museum für Naturkunde nach Münster. Die ersten Präparationsarbeiten begannen Ende Februar 2008. Manfred Schlösser, Präparator im LWL-Museum für Naturkunde, entfernte zunächst Stück für Stück das Gestein mit einem Druckluftstichel, bis Teile der Knochen sichtbar wurden. In einem zweiten Schritt hat Schlösser einen anderen Block nicht nur oberflächlich anpräpariert, sondern einzelne erhaltene versteinerte Knochen weitgehend freigelegt. Jedes Knochenstück kann der Präparator nur in Schritten von je einem halben Quadratzentimeter mit Skalpell, Pinsel und Fräsmaschine frei präparieren. Dann muss er sofort einen Spezialkleber auftragen. Erst danach kann er den nächsten halben Quadratzentimeter in Angriff nehmen.

Museumsleiter Dr. Alfred Hendricks: ¿Bereits jetzt ist erkennbar, dass die Wirbelsäule einschließlich der Fortsätze zum Teil gut erhalten ist. Die übrigen acht Blöcke werden in der nächsten Zeit nach Absprache mit Prof. Sander ebenfalls komplett freigelegt.¿ Erst danach lasse sich sagen, wie viele Teile des Skeletts tatsächlich erhalten geblieben seien. Prof. Dr. Martin Sander von der Universität Bonn, ein anerkannter Saurierfachmann, wird auf Empfehlung der internationalen Vereinigung ¿Paläontologische Gesellschaft¿ nach der Präparation das Fossil wissenschaftlich erforschen.

Die Präparation wird zirka ein bis zwei Jahre in Anspruch nehmen, weil die Knochen in einem sehr schwierigen Erhaltungszustand sind. Hendricks: ¿Die Knochensubstanz ist teilweise so weich, dass sie schon vom kleinsten Luftzug weggeblasen werden kann. Das Gestein zwischen den Knochen ist dagegen manchmal äußerst hart und mit dem Spezialstichel kaum zu durchdringen.¿

Hohe wissenschaftliche Bedeutung

Der Fund hat nach Angaben von Hendricks hohe wissenschaftliche Bedeutung für Nordrhein-Westfalen, denn in der Vergangenheit wurden aus der Jura-Zeit in NRW lediglich vereinzelte Skelettelemente von Schwimmsauriern gefunden. Beim Fund aus dem Kreis Höxter dagegen handele es sich um eine vier Meter lange, zusammenhängende Wirbelsäule eines Schwimmsauriers. Außerdem seien einige Extremitäten fossil erhalten. Daher hat das LWL-Museums für Naturkunde bei der Stadt Nieheim als Untere Denkmalbehörde beantragt, das Fossil in die Liste der beweglichen Bodendenkmäler einzutragen. Fossile Schwimmsaurier der Jura-Zeit sind aus Süddeutschland bekannt, so wurden beispielsweise in Holzmaden (Baden-Württemberg) zahlreiche Funde gemacht.

Mögliche Gefahr für den Saurier

Gefahr könnte dem Fund durch das Mineral Pyrit (Fe S2) drohen, das die fossilen Knochen des Schwimmsauriers durchzieht. Das Mineral hat die unangenehme Eigenschaft, dass einige Modifikationen des Minerals an der Luft zerfallen und mit dem in der Luft enthaltenen Wasser reagieren. Dabei bildet sich Schwefelsäure, die benachbarten Körner des Sedimentes angreift und zersetzt. Fossilien, die diese Form des Pyrits enthalten, können innerhalb weniger Jahre zu Pulver zerfallen. Auf einigen Knochenoberflächen des Schwimmsauriers hat der LWL-Fachmann bereits Zerfallspuren gefunden, konnte die Zersetzungsprodukte und das Pyrit aber entfernen.

¿Wo im Fall des fossilen Schwimmsauriers diese Form von Pyrit vorliegt, können wir nur durch permanente wissenschaftliche Beobachtung feststellen¿, so Hendricks. Dann müssen die Wissenschaftler Gegenmaßnahmen ergreifen, zum Beispiel das Pyrit an der Oberfläche entfernen oder die Knochen mit einer chemischen Substanz tränken, die die Schwefelsäure neutralisiert. Außerdem müssen die Knochen sehr trocken gelagert und regelmäßig auf Zerfallspuren untersucht werden.



Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org




Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


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