LWL-Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Mitteilung vom 13.03.08

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Auf Nachtigall rattern die Abbauhämmer

LWL-Industriemuseum baut Besucherbergwerk weiter aus

Bewertung:

Witten (lwl). Der Druckluftkompressor dröhnt, Bohr- und Abbauhämmer rattern, eine beladene Lore wird mit dem Seilhaspel aus dem Stollen gezogen, schwarzgesichtige Bergleute setzen sich zum ¿Buttern¿ vor den Ausgang. Was sich zur Zeit im LWL-Industriemuseum Zeche Nachtigall in Witten abspielt, ist kein historisches Rollenspiel, sondern echte bergmännische Arbeit: Seit Dezember sind Fachleute der Firma Thyssen Schachtbau im Auftrag des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) mit einer kniffligen Aufgabe betraut: Den vor Jahrzehnten zu Bruch gegangenen östlichen Stollen der früheren Zeche wieder begehbar zu machen. Der 100 Meter lange Gang führt tief in den Berg zu einem mächtigen Kohleflöz und soll als Erweiterung des bestehenden Besucherbergwerks im Sommer 2009 eröffnet werden.

Die Aufgabe ist nicht leicht. ¿Hier sind riesige Felstrümmer herabgestürzt, die den Weg versperren. Die müssen weg, und stählerne Bauteile müssen den Druck des Berges abfangen, damit unsere Besucher den Stollen sicher passieren können¿, erläuterte LWL-Museumsleiter Michael Peters am Donnerstag (13.03.) in Witten. Aber der Aufwand lohnt: Nirgendwo sonst im Ruhrgebiet kann man als Tourist ¿unter Tage¿ direkt an ein mehr als einen Meter mächtiges Kohleflöz gelangen. Peters: ¿Hier sieht man die Kohle, wie sie vor mehr als 300 Millionen Jahren gewachsen ist und erkennt gleichzeitig, wie sie vor mehr als 160 Jahren abgebaut wurde. Das können Museumsbesucher weit und breit nur im LWL-Industriemuseum erleben.¿

Doch dazu müssen die hereingebrochenen Felsmassen erst einmal hinausgeschafft werden. Die Bergleute bedienen sich dazu einer modernen Variante der alten Kohlenbahnen und haben mit starken Ankereisen eine ¿Einschienen-Hängebahn¿ im Felsgewölbe angebracht. ¿Damit fördern wir auch unsere Werkzeuge und Maschinen sowie das ganze Material für den Ausbau vor Ort,¿ erklärt Steiger Michael Plose. Gearbeitet wird in 10-Stunden-Schichten ab 6 Uhr morgens ¿ auch um den Museumsbetrieb im Bergwerk möglichst wenig zu stören. Im Schutz starker Stahlschienen wird Bau um Bau gesetzt und das lose Gestein in die Gondel der Hängebahn geschaufelt. Dann fördern die Loren die Steine zu Tage ¿ Tonne um Tonne.

Kohle werden die Bergleute hier nicht mehr fördern. ¿Was noch drin ist, bleibt drin¿ erklärt Michael Peters. ¿Die wirtschaftlich verwertbaren Kohlereste sind seit den Notzeiten des 20. Jahrhunderts längst zu Tage gefördert. Es sind nur wenige sogenannte ¿Sicherheitspfeiler¿ von den wertvollen Kohleflözen der Zeche Nachtigall stehen geblieben. Die wandern in keinen Ofen, die wollen wir unseren Besuchern zeigen.¿ Bis zum Jahresende, hofft er, werden die Arbeiten fristgerecht erledigt sein. Und so haben Museumsbesucher auf Zeche Nachtigall noch eine Weile die Chance, einen ¿echten Bergmann¿ in Aktion zu erleben.

Hintergrund:

Das Besucherbergwerk Nachtigallstollen bildet einen wichtigen touristischen Anziehungspunkt der Region. Zunächst von der Stadt Witten betrieben, ist es seit 1990 der Höhepunkt von Besichtigungstouren im angrenzenden Muttental mit seinen zahlreichen bergbaugeschichtlichen Relikten.

Seit 2003 ist das LWL-Industriemuseum Betreiber des Besucherbergwerks. Es wurde als Beispiel für eine Stollenzeche der 1950er Jahre in die Ausstellung Zeche Eimerweise einbezogen. Im Rahmen von regelmäßigen Führungen sind verschiedene geologische Formationen ¿ Kohle, Sandstein und Schieferton ¿ zu besichtigen. Die Besucher lernen verschiedene bergmännische Ausbautechniken kennen und sehen u.a. einen kleinen Kohlengewinnungsbetrieb (Streb) und einen Streckenvortrieb mit Ausstattungsstücken ehemaliger Kleinzechen aus den 1950er Jahren. Sie erleben, wie beengt und schwierig die Arbeit in einer Kleinzeche gewesen ist und dass die Bergleute mit wenigen und einfachen Hilfsmitteln auskommen mussten.

Schieferton- und Sandstein-Gewinnung

Nach der Gründung einer Ziegelei auf dem ehemaligen Zechengelände 1897 ließ der neue Besitzer Wilhelm Dünkelberg von einem gemeinsamen Mundloch aus zwei Stollen in südlicher Richtung in den Hetberg schlagen. Der westliche der beiden durchquerte bis 1909 den Berg vollständig. In den Stollen gewann er Schieferton, das Rohmaterial der Ziegelproduktion. Am Muttenbach auf der Südseite des Bergrückens tritt dieses Mineral zu Tage. Hier fraß sich in den folgenden Jahrzehnten ein Steinbruch immer tiefer in den Berg, während im Norden, zur Ruhr hin, überwiegend Sandstein ansteht und abgebaut wurde. Durch den westlichen Stollen wurde der Schieferton auf kürzestem Wege vom Steinbruch zur Ziegelei gefahren. In einer stark gesicherten Kammer, seitlich am östlichen Stollen gelegen, lagerte ab 1909 Sprengstoff für die Arbeiten in beiden Steinbrüchen.

Kohleförderung

Tief im Berg hatte der östliche Stollen einen noch nicht abgebauten Teil des Kohleflözes Geitling 1 erreicht. Nachdem der Ziegeleibetrieb im Frühjahr 1920 wegen Kohlenmangels mehrere Wochen ruhen musste, erwarb Dünkelberg alle erreichbaren Anteilsscheine, ¿Kuxe¿, der alten Stollenzeche Vereinigte Nachtigall und begann mit dem Abbau der letzten verbliebenen Kohlereste im Hetberg. Drei Bergleute gewannen bis 1926 ca. 3200 Tonnen hochwertiger Kohle. Sie wurden aus dem östlichen Stollen direkt zur Ziegelei gefördert.

Besucherbergwerk im Industriemuseum

Nach Stillegung der Ziegelei 1963 wurden die Stolleneingänge zum Teil gesprengt, zum Teil zugemauert und zugeschoben. 1984 begannen der Landschaftsverband Westfalen-Lippe, die Stadt Witten und der neugegründete Förderverein Bergbauhistorischer Stätten gemeinsam mit der Planung des Besucherbergwerks. Unter fachlicher Leitung des Fördervereins legten Freiwillige im Verein mit Lehrlingen der Schachtbaufirma Deilmann-Haniel die Eingänge des westlichen Stollens frei und sicherten sie. Er wurde fortan unter dem Namen Nachtigallstollen bekannt. Um ihn als Schaubergwerk nutzen zu können, bauten die Beteiligten den Stollen, der als reiner Gesteinstunnel seinen Zweck seit beinahe 80 Jahren ohne jede Abstützung erfüllt hatte, in verschiedenen Varianten bergmännisch aus. Der Ausbau wurde als reiner Holzausbau (sog. deutscher und polnischer Türstock) und als Eisenausbau mit ausgemusterten Bahnschienen eingebracht und mit Schildern bezeichnet. Wichtige Werkzeuge und Geräte wurden an geeigneter Stelle präsentiert, einige typische Situationen des Bergwerksbetriebes eingerichtet.

Weiterer Ausbau des Bergwerks

Pünktlich zur Eröffnung des damaligen Westfälischen Industriemuseums Zeche Nachtigall am 10. Mai 2003 erhielt das Bergwerk eine zweite Abteilung: Eine Strecke im Flöz Geitling 3 wurde neu ausgebaut und in die Ausstellung ¿Zeche Eimerweise¿ einbezogen. Parallel zu diesen bergmännischen Arbeiten bereitete das Museum die Erschließung weiterer Grubenbaue vor. Noch im selben Jahr wurde die längst verschüttete Sprengstoffkammer des früheren Steinbruchbetriebes gefunden und der östliche Stollen freigelegt. Unter dem Namen Dünkelbergstollen wird er seither erkundet; er eröffnet erstmals die Aussicht, in die unterirdischen Räume der alten Tiefbauzeche Nachtigall vorzustoßen.



Pressekontakt:
Christiane Spänhoff, LWL-Industriemuseum, Tel. 0231 6961-127 und Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org




Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


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