„Optimisten sahen darin nur Symptome einer vorübergehenden Absatzkrise. Doch schon bald entwickelte sich daraus die Kohlenkrise und später die Strukturkrise, die das ganze Ruhrgebiet erschütterte und bis heute nachwirkt“, so die Museumsleiterin.
Zwischen 1958 und 1969 verschwanden 62 Schachtanlagen im Ruhrgebiet, mehr als 280.000 Arbeitsplätze gingen in zehn Jahren verloren. Für die Begrenzung der Krise konnten sich die Akteure in Wirtschaft und Politik nicht auf ein Konzept verständigen: zu unterschiedlich waren die Interessen und Bewertungen. „In Europa und auf Bundesebene scheiterten Maßnahmen zur Abschottung der Märkte gegen Energieimporte am Widerstand der Länder ohne Kohlevorkommen“, erläutert Dr. Anne Kugler-Mühlhofer, die mit der Recherche des Projektes beauftragt war.
1962 legte die Bundesregierung ein Sieben-Punkte-Programm vor. Zentrales Element: ein Rationalisierungsverband, der den Rückbau der Branche steuern und Subventionen in Milliardenhöhe für stillgelegte Förderkapazitäten verteilen soll. Dieses Konzept ging nicht auf, weil Konzerninteressen sich gegen Brancheninteressen durchsetzten. „Florierende Großzechen mit hoher Produktivität wurden dichtgemacht, weil die Prämien noch lukrativer waren“, erläutert Gilhaus und sieht hier durchaus Parallelen zur aktuellen Nokia-Krise in Bochum.
Schon 1958 forderte die IG Bergbau die Überführung der Zechen in eine Einheitsgesellschaft und die Verstaatlichung des Bergbaus. Diese Vorstellungen brachte sie in die Konzertierte Aktion unter Bundeswirtschaftminister Karl Schiller ein. 1968 gelang die Gründung der Ruhrkohle AG auf privatwirtschaftlicher Grundlage. 52 Schachtanlagen und 29 Kokereien gehen in ihr auf.
Schon früh trugen die Bergleute ihre Wut auf die Straße. 1959 fordern 60.000 Kumpel beim Marsch auf Bonn ein Maßnahmenpaket zu ihrer sozialen Absicherung: Mitbestimmung bei Stilllegungen, Ersatzarbeitsplätze, Entschädigung für Verdienstausfall, Herabsetzung der Altersgrenze.
Mitte der 1960er Jahre radikalisierte sich die Stimmung, denn der Arbeitsmarkt war inzwischen leergefegt. Politiker sahen eine ernste Gefahr für den inneren Frieden. Ministerpräsident Heinz Kühn formulierte das am 8.11.1967 vor dem Deutschen Bundestag so: „Kein Wunder, dass an vielen Orten des Reviers gegenwärtig die Stimmung einer belagerten Stadt herrscht. Wenn die schwarzen Fahnen der Stilllegung an den Fördertürmen hochgehen, dann ist das so als ob die weiße Fahne der Kapitulation über einer Stadt hochgeht. Das rührt an das Lebensgefühl aller Menschen dieser Städte.“ Die Entscheidung, wie es angesichts der Krise mit dem eigenen Leben weitergehen soll, musste jeder für sich allein treffen.
Anfangs versuchten die Bergbaugesellschaften, ihre Mitarbeiter zu binden und machten Verlegungsangebote. Für manchen wurde die Verlegung von Zeche zu Zeche ein Dauerzustand. Vor allem die Jüngeren entschieden sich für Umschulungen und einen neuen Beruf. Für die Älteren blieb oft nur die Anpassung. Betriebliche und staatliche Unterstützungen erleichterten ihnen die Zeit bis zur Rente.
Für die Ausstellung hat das LWL-Industriemuseum acht Zeitzeugen interviewt und gefilmt. Darunter Georg Zimoch, Jahrgang 1936, damals Abteilungssteiger auf den Zechen Lothringen, Erin und Prosper, dort zuletzt Nachtschichtdirektor. Er ist im Bergbau geblieben und berichtet über mehrere Verlegungen: „Erin wurde 1983 stillgelegt. Und dann ging’s los auf das nächste Bergwerk. Aber das Problem war wieder: Mann gegen Mann. Da standen auch wiederum Leute in den Startlöchern und wollten was werden. Man musste sich wieder hinten anstellen bis man dann endlich soweit war.“
Anders ging Karl Bäcker, Jahrgang 1931, mit der Krise um. Der ehemalige Grubenschlosser von Zollern I/III berichtet im Interview über seine Motive, 1962 bei Opel in Bochum neu anzufangen. Für den ausgebildeten Maschinenschlosser war die Entscheidung leicht: „Nun, es stand ja schon fest, dass es mit dem Bergbau bergab ging. Und für mich persönlich kam der Sprung nach Opel eigentlich zur rechten Zeit. Ich konnte mich da erst mal richtig wieder fachmännisch auf meine Arbeit konzentrieren.“
Seit 1975 geriet das Ruhrgebiet in eine „doppelte Krise“, denn auch in der Stahlindustrie begann der Rückbau. Sehr langsam und mit hohem finanziellen Einsatz entstand das neue Revier, das sich von der Schwerindustrie löste. Der Dienstleistungssektor übernahm die Führung, neue Schlüsselindustrie wurde der Maschinenbau. Eine dichte Hochschullandschaft entstand, Technologiezentren sind heute das Scharnier zur Wirtschaft. Am Beispiel der Stadt Dortmund zeigt die Schau, wie sich die Stadt verändert hat, was aus den alten Zechenstandorten geworden ist und welche Rolle Kulturschaffende beim Entstehen eines neuen Lebensgefühls im Revier gespielt haben.
Die Ausstellung endet mit der jüngsten und kühnen These von Oberbürgermeister Dr. Gerhard Langemeyer, Dortmund habe den Strukturwandel beendet. Besucherinnen und Besucher können dazu Stellung leben und ihre persönliche Antwort auf die Frage geben „Wo stehen wir?“, „Was sind wir?“, „Wohin wollen wir?“.
Eröffnung: 20. Januar, 11 Uhr
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