Stahl und Moral – passt das zusammen? Diese Frage stellt der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) in der neuen Ausstellung in seinem Industriemuseum Henrichshütte Hattingen. 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten und 75 Jahre nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs blickt das LWL-Museum auf die Geschichte der Hütte als Rüstungsbetrieb zurück. Moralische und technische Deutungen werden einander gegenüber gestellt. Die Schau, die zum Großteil in der ehemaligen Geschossfabrik der Hütte gezeigt wird, ist bis zum 9. November zu sehen und wird von zahlreichen Veranstaltungen begleitet.
+++ Hinweis für Besucher: Ein Teil der Sonderausstellung "Stahl und Moral" (im Bessemer-Stahlwerk) ist wegen technischer Betriebsabläufe zu folgenden Zeiten geschlossen: Jeden Mittwoch von 13-18 Uhr und jeden 2. und 3. Sonntag von 14-17 Uhr. +++
„Stahl und Moral“ verfolgt die Geschichte der Rüstungsproduktion der Henrichshütte von den Anfängen über zwei verheerende Weltkriege bis in die Nachkriegszeit. Großexponate wie Panzer und Granaten zeichnen die Produktpalette der Henrichshütte nach. Großformatige Fotos, Zitate und viele Erinnerungsstücke ergänzen die Ausstellung. Dabei ist die Ausstellung von Gegensätzen geprägt: der aufragende Hochofen und die tiefen Luftschutzräume, Zwangsarbeiter und Werkschutz, Tod und Barmherzigkeit. „Die Exponate lösen meist beides aus: technische Faszination und moralische Fragen. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, keine Antworten zu geben, denn die Perspektiven wechseln oder verändern sich: So ist Panzerstahl heute etwa ein gesuchtes Ausgangsprodukt für hochwertige Taschenmesser oder Werkzeuge“, erklärte Dr. Olaf Schmidt-Rutsch vom LWL-Industriemuseum, am Donnerstag (8.5.) bei der Vorstellung der Ausstellung in Hattingen. „Wir wollen Fragen aufwerfen, und die Gäste sollen mögliche Antworten selber finden.“
Die Schau in der Henrichshütte ist ein Beitrag zum Themenjahr „Unterwelten“, das das LWL- Industriemuseum an seinen acht Standorten ausgerufen hat. Die Hauptausstellung auf der Zeche Zollern in Dortmund mit dem Titel „Über Unterwelten. Zeichen und Zauber des anderen Raums“ beleuchtet Mythos und Realität der Welt jenseits des Sichtbaren. Das Spektrum der weiteren Begleitausstellungen reicht von versunkenen Schiffen über Dessous in der Mode bis hin zu jugendlichen Subkulturen im Ruhrgebiet. „Es war genau dieses Vielseitigkeit des Themas ‚Unterwelten‘, das uns gereizt hat. Es bietet ganz unterschiedliche Zugänge und inspiriert Ausstellungsmacher ebenso wie Künstler, Studierende und Schüler. Das zeigen unsere Präsentationen in diesem Jahr sehr eindrucksvoll“, so Dirk Zache, Direktor des LWL-Industriemuseums. Alle Informationen unter www.unterwelten.lwl.org.
Hintergrund
Die Geschichte der Henrichshütte als Rüstungsbetrieb ist Thema in der ehemaligen Geschossfabrik. Granaten für die „dicke Bertha“, U-Bootbleche und Panzerteile kamen von der Hütte. Trotzdem erlebte die Hütte bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs einen Einbruch, da die Mitarbeiter an die Front gingen und daher die Öfen nicht produzieren konnten. Kriegsgefangene und Frauen sollten die Lücke schließen. Im Zweiten Weltkrieg war das Werk besser vorbereitet und schon vor Ausbruch auf Rüstungsproduktion umgestellt. Stand 1932 noch die Schließung im Raum, so wurden in den Folgejahren die Betriebe erweitert. Jeder vierte Panther-Panzerkampfwagen hatte ein Gehäuse aus Hattingen. Daran erinnert in der Ausstellung ein zerschossenes Panther-Gehäuse. 1940 fielen die ersten Bomben auf die Henrichshütte. Bei Kriegsende war das Gelände zu einem Drittel zerstört. Trotz der drohenden Demontage nahmen nach und nach die einzelnen Betriebe die Arbeit wieder auf.
Auch nach dem Zweiten Weltkrieg produzierte die Henrichshütte für die Rüstung. Im Zuge der Wiederbewaffnung wurde hier der Panzer HS30 gebaut, der sich durch technische Mängel und undurchsichtige Vergaben zu einem Rüstungsskandal entwickelte.
Die Henrichshütte steht nicht isoliert. Die erste Abteilung bindet die Geschichte Hattingens mit ein. „Wir verfolgen die Spur von Gewalt und Krieg durch 4.000 Jahre Geschichte“, so LWL-Museumsleiter Robert Laube. „Besonders freuen wir uns dabei über die breite Unterstützung nicht nur von Einrichtungen der Stadt, sondern auch von privaten Leihgebern.“ Dabei sind auch überraschende Ausstellungsstücke in die Schau gelangt wie der Orden aus einem Granatsplitter, mit dem der Eisengießer Otto Friedrich im Ersten Weltkrieg verletzt wurde. „Er wird in der Familie zusammen mit Friedrichs Eisernem Kreuz aufbewahrt“, erklärt Laube.
Das Museum sucht auch weiterhin nach solchen Stücken und den Geschichten dazu. Kuratorin Sonja Meßling: „Die Ausstellung soll wachsen. Jeder kann etwas dazu beitragen.“ Auch Schulen, die „Stahl und Moral“ besuchen, machen mit. „Uns ist es wichtig, in der Ausstellung einen Bezug zur Lebenswirklichkeit der Schüler zu finden.“ Jede Klasse kann ihre Gedanken zum Thema Luftschutz in die Schau einbringen. Die Ergebnisse werden in der Ausstellung präsentiert.
Begleitprogramm
Filmabende
Beginn jeweils 19 Uhr
9.12.2015
Clara Immerwahr (DT/AT 2014, 89 Min.)
Erzählt wird die Lebensgeschichte der ersten promovierten deutschen Chemikerin (1870–1915) – und die Geschichte einer unglücklichen Liebe. Nach Umwegen finden Clara und der Chemiker Fritz Haber zusammen. Er will das Ernährungsproblem lösen und arbeitet an der Stickstoff-Fixierung – gleichermaßen Grundlage für Kunstdünger und Sprengstoff ...
6.1.2016 (Doppelfilmabend)
Der verrückte Professor (USA 1963, 103 Min.)
Der exzentrische, ungeschickte und ziemlich unansehnliche Chemieprofessor Julius Kelp wird weder von seinen Studenten noch von seinen Kollegen ernst genommen ...
Das Labor des Grauens (GB 1974, 92 Min.) FSK 16
Der Biologe Dr. Nolter ist am College Pflanzenspezialist und widmet sich Forschungen, bei denen er einigen seiner Studenten Operationen unterzieht, um Kreuzungen der DNA zwischen pflanzlichem und menschlichem Leben zu erzeugen ...
10.2.2016 (Doppelfilmabend)
Chemie und Liebe (DT 1948, 98 Min.)
Die Ernährung der Menschen ist nach dem Krieg ein unmittelbar drängendes Problem. Der Chemiker Dr. Alland hat eine sensationelle Erfindung gemacht hat: Er kann das pflanzliche Ausgangsmaterial – Gras oder Moos – auf direktem Wege in Butter verwandeln, ohne dabei Kühe zu benötigen ...
Das blaue Palais, Teil 5 – Der Gigant (DT 1976, 90 Min.)
Der Chemiker Enrico Polazzo will einen neuen Werkstoff, einen synthetischen Stahl, entwickeln. Um seine Forschungen fortsetzen zu können, lässt er sich von einem multinationalen Konzern engagieren, der jedoch zwielichtige Ziele verfolgt...
9.3.2016 (Doppelfilmabend)
Medicine Man – Die letzten Tage von Eden (USA 1992, 102 Min.)
Sechs Jahre lang schon lebt der Wissenschaftler Dr. Robert Campbell (Sean Connery) bei einem Indianerstamm im tropischen Regenwald. Dort hat er eine Pflanze entdeckt, mit deren Extrakt man krebskranke Menschen heilen kann. Die genaue Formel hat er jedoch verloren.
The Fountain (USA 2006, 93 Min.)
In spektakulären Bildern erzählt D. Aronofsky eine epische, sich über tausend Jahre erstreckende Geschichte. Entstanden ist dabei eine ehrgeizige Mischung aus Science Fiction, Historienfilm und Drama
23.3.2016 (Doppelfilmabend)
Hauptsache die Chemie stimmt (USA 2014, 91 Min.)
Vorstadt-Apotheker Sam Rockwell lernt durch eine gefährliche Liaison mit Femme Fatale Olivia Wilde so manche Drogen-induzierte Lektion in Sachen aufregendes Leben.
The Substance – Albert Hoffmanns LSD (CH 2011, 89 Min.)
Martin Wirz porträtiert in dieser Dokumentation den Weg der Psychodroge LSD (Lysergsäurediethylamid) von der Entdeckung durch den Chemiker Albert Hofmann bis zu seiner populären Beliebtheit als Partydroge.
3.4.2016 11 und 15 Uhr
Finissage mit dem Kindertheater „Das geheime Labor“ der Umweltbühne Chemnitz. Eintritt frei