Die niederländische Fotografin und Künstlerin Ellen Korth ist seit Jahren fasziniert von der Leidenschaft, die Menschen dem textilen Handwerk entgegenbringen. Ein Jahr lang reiste sie durch die Niederlande, interviewte und fotografierte mehr als 40 Personen, die – meist zu Hause in ihrem Wohnzimmer - häkeln, stricken, sticken, nähen und weben.
Die Ausstellung in der ehemaligen Spinnerei Herding ist ein Gesamtkunstwerk aus Interviews, Fotografien, Musik und Objekten. Inmitten lebensgroßer Portraits der Interviewten, die durch den Raum zu schweben scheinen, können die Besucher deren Ausführungen über ihre Handarbeits-passion lauschen. Besonders die Motivation, die zum textilen Arbeiten anregt, interessiert Ellen Korth und ist ein wichtiges Element in der Kunstinstallation. Immer wieder erscheint das Meditative, das Entspannende, als treibende Kraft hinter der Handarbeit.
Die LKW-Fahrerin, die sich in Pausen mit Stricken von den langen Fahrten entspannt, oder aber der junge Australier, der in der Suche nach der nächsten Stricktechnik eine immer neue Herausforderung findet, stehen beispielhaft für die verschiedenen Facetten des Kunstwerkes. „Utilité“ stellt Handarbeit zwischen Nützlichkeit und Meditation dar.
Mit fast schüchternem Blick erforscht Ellen Korth die Wohnstuben fremder Männer und Frauen, alle vertieft in Handarbeiten. Stricken, Klöppeln, Nähen, Spinnen und Häkeln. Handarbeiten, die niemals altmodisch, sondern hochaktuell wirken. Sie hält diese stillen Tätigkeiten und sensiblen Gesten in klassischen Schwarz-Weiß-Fotografien fest. Kleinformatig, mit feinsten Grauwerten auf handgeschöpftes Bütten vergrößert. Unwillkürlich wird man an Szenen barocker niederländischer Malerei erinnert.
Ellen Korth rückt das Private in den musealen Raum, gibt Menschen eine Stimme, die sonst nicht gehört werden, zeigt ihre manchmal einfachen textilen Arbeiten als hohe Kunst. Schöpferische Kraft wird zum Ruhepol. Eigene Kreativität steht gegen globalisierten Massenkonsum.
Ein Buch wird zum Raum
Roter Faden, inhaltliche Klammer und weit über einen Katalogband hinausgehend, ist Ellen Korths Künstlerbuch „Utilité“. Erschienen in 1000er Edition, prämiert auf der Leipziger Buchmesse und von der New Yorker Aperture Stiftung, angekauft vom Museum of Modern Art. Die Fotografien der Ausstellung und die Werke der Kreativen sind enthalten. Wenn man die panoramenhaften Seiten öffnet, wird das Buch zum Raum, zum Guckloch in Wohn- und Arbeitszimmer. Am Schluss wird man vertraut mit den Menschen, die in der Handarbeit einen Lebenssinn gefunden haben.
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