Mitteilung vom 10.12.25
Presse-Infos | Kultur
Neues Exponat im LWL-Museum in der Kaiserpfalz
Jüdischer Siegelstempel in Westfalen entdeckt
Paderborn (lwl). Archäolog:innen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) haben vor einigen Wochen ein ungewöhnliches Metallobjekt erhalten: Einen kleinen Siegelstempel aus dem 17. Jahrhundert, verziert mit einem Tier mit Geweih und einer geheimnisvollen hebräischen Inschrift. Gefunden wurde das Stück von einem Ehepaar aus Nieheim (Kreis Höxter) bei einem Spaziergang. Sie übergaben den Fund umgehend an die Fachleute des LWL. Mittlerweile ist der Siegelstempel in den Besitz des Landes Nordrhein-Westfalen übergegangen. Noch bis zum 1. März 2026 ist er in der Sonderausstellung "775 - Westfalen" im LWL-Museum in der Kaiserpfalz in Paderborn zu sehen.
Hebräische Inschrift aus dem 17. Jahrhundert entschlüsselt
Bei dem Objekt handelt es sich um ein sogenanntes Typar, also einen Siegelstempel, der im 17. Jahrhundert zur Beurkundung offizieller Dokumente, wie Geschäftspapieren, verwendet wurde. Die hebräische Inschrift hat inzwischen Prof. Dr. Andreas Lehnertz, Experte für Jüdische Geschichte an der Universität Trier, entziffert. Sie lautet:
"Jakob Abraham Sohn des Samuel Schalom"
Dr. Martin Kroker, Leiter des LWL-Museums in der Kaiserpfalz: "Da der Platz knapp war, wurden einige Buchstaben sichtbar zusammengedrängt. Vermutlich handelt es sich bei der Umschrift um einen Hinweis auf den Besitzer des Siegels mit dem Namen Jakob Abraham Sohn des Samuel, in Verbindung mit der in der jüdischen Kultur gängigen Grußformel Schalom. Möglicherweise ist das Schalom auch als Segensformel für den Vater Samuel zu interpretieren. Da uns solche Stempel als archäologische Funde in Westfalen noch nicht vorliegen, ist er für uns von besonderem Wert. Er zeigt, wie lebendig die jüdische Kultur selbst im ländlichen Raum war."
Einblicke in jüdisches Leben in Westfalen
Der Siegelstempel wird in der Ausstellung "775. Westfalen" zusammen mit weiteren besonderen Objekten zur jüdischen Geschichte der Region gezeigt - darunter eine Thorarolle aus Paderborn, eine Sederschüssel, das ist ein verzierter Teller für die zeremonielle Mahlzeit am Beginn des Pessach-Festes, und ein Sabbatleuchter aus Detmold.
Neben diesen Exponaten aus dem 18. und 19 Jahrhundert, finden sich über die gesamte Ausstellung verteilt zahlreiche Zeugnisse jüdischen Lebens aus früheren Jahrhunderten:
- ein großer Silberschatz aus Münster, der vermutlich vor einem Pogrom versteckt, den aber seine Besitzer nicht mehr bergen konnten,
- ein spätmittelalterlicher jüdischer Leuchter aus Höxter,
- ein als Bucheinband wiederverwendeter hebräischer Text des "Schma Israel", eines der wichtigsten Gebete des Judentums, aus dem 14. Jahrhundert,
- sowie ein Schutzbrief für einen jüdischen Bewohner der Stadt Warburg. Gemeint ist der aus Kassel stammende Simon, der gegen Entgelt die Erlaubnis der Stadt Warburg einholen musste, um unter dem Schutz des Rates mit seiner Familie in der Stadt wohnen zu dürfen. Noch bis ins 19. Jahrhundert hinein mussten Jüd:innen Schutzbriefe erwerben, mit denen sie Aufenthalts- und Gewerberechte nachweisen konnten.
"Diese Funde machen sichtbar, dass jüdische Gemeinden in Westfalen immer wieder entstanden, wuchsen, aber auch strukturell benachteiligt und verfolgt wurden", so Kroker.
Internationales Interesse
"Die Funde stoßen auch international auf Interesse", erklärt Kroker. "Zuletzt besuchte eine Familie aus Kalifornien, deren Wurzeln in Steinheim (Kreis Höxter) liegen, gemeinsam mit der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit die Ausstellung."
Der neu entdeckte Siegelstempel ergänzt die Darstellung der westfälischen Geschichte in der Sonderausstellung zum 1250-jährigen Jubiläum der Region und ist ein Bespiel für die Vielschichtigkeit Westfalens und seiner Bewohner:innen. Laut Kroker verbinde der Stempel regionale Geschichte mit persönlichen Schicksalen und einer langen, aber oft tragisch unterbrochenen, jüdischen Tradition.
"775 - Westfalen. Die Sonderausstellung"
Von einer rätselhaften Ersterwähnung im Jahr 775 zum Herzogtum über ein Königreich bis zur preußischen Provinz: Westfalen hatte in der Geschichte viele Gesichter. In der Kaiserpfalz in Paderborn geht das Publikum an einem Stützpunkt Karls des Großen in den Sachsenkriegen durch Westfalens 1250-jährige Geschichte. Auf rund 1.000 Quadratmetern erleben Besuchende, wie sich Westfalen und seine Menschen über Jahrhunderte hinweg verändert haben. Archäologische Funde, kostbare Handschriften und westfälische Kunst erzählen von Tradition, Identität und Wandel. Zahlreiche interaktive Stationen und das Begleitprogramm laden zum Mitmachen ein.
Das Jubiläum "1250 Jahre Westfalen"
Gemeinsam mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) feiert die LWL-Kulturstiftung 2025 das Jubiläum "1250 Jahre Westfalen" mit einem Kulturprogramm aus Kunst, Geschichte, Literatur, Musik, Kabarett, Kulinarik und Podcasts. Anlass dafür ist die erstmalige Erwähnung der Westfalen in einem Bericht der fränkischen Reichsannalen für das Jahr 775.
44 Kulturprojekte, die zusammen mit rund drei Millionen Euro gefördert werden, widmen sich in Veranstaltungen der Geschichte Westfalens und aktuellen Fragen nach Identität, Herkunft und Zugehörigkeit. Die Ausstellung "775 - Westfalen. Die Ausstellung" im LWL-Museum in der Kaiserpfalz in Paderborn lädt bis zum 1. März 2026 als zentrales Projekt zur Wanderung durch die Jahrhunderte ein. Das Kulturprogramm zum Jubiläumsjahr 2025 "1250 Jahre Westfalen" steht unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.
Die Stiftung der Sparkasse Münsterland Ost fördert das Kulturprogramm im Rahmen ausgewählter Projekte in Münster und im Kreis Warendorf.
Weitere Informationen zur Ausstellung unter:
http://www.lwl-kaiserpfalz-paderborn.de
https://de-de.facebook.com/museuminderkaiserpfalz/
https://www.instagram.com/lwl_kaiserpfalzmuseum/
Pressekontakt:
Dr. Carolin Steimer, Tel.: 0251 591-3504 und Frank Tafertshofer, Tel.: 0251 591-235
presse@lwl.org
LWL-Einrichtung:
Museum in der Kaiserpfalz
Ikenberg 2
33098 Paderborn
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Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 21.000 Beschäftigten für die 8,4 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen, zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
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