Mitteilung vom 04.08.25
Presse-Infos | Kultur
Ursprung der Altstadt liegt im Mittelalter
Muss die Stadtgeschichte von Rietberg neu gedacht werden?
Rietberg (lwl). Bei einem Neubauvorhaben im Klingenhagen in Rietberg (Kreis Gütersloh) stieß ein Grabungsteam auf Überreste aus der Entstehungszeit der mittelalterlichen Stadt. Die neuen Entdeckungen lassen die im 13. Jahrhundert angenommene Gründung in einem neuen Licht erscheinen. In den kommenden Wochen nehmen Fachleute des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) sämtliche Spuren unter die Lupe, bevor die Spuren für einen Neubau weichen werden.
Stadtgründung im 13. Jahrhundert - Kernstadt größer als gedacht
Bisher galt in der Forschung die Annahme: Rietberg wurde um 1240 als kleine Stadt beiderseits der heutigen Rügenstraße gegründet. Diese kleine Stadt nahm erst in den nachfolgenden Jahrhunderten das heutige Altstadtgebiet ein, so die Vermutung.
Nun steht aber fest, dass die um die Mitte des 13. Jahrhunderts geplant angelegte Stadt bereits von Anfang an großflächig bebaut wurde. Das deutete sich bei einer Ausgrabung 2022 in der Sennstraße 2-4 bereits an, wo um 1250 gefällte Bäume als Rohmaterial für die ältesten Brunnen identifiziert wurden, die den neu angesiedelten Bürgern Frischwasser lieferten.
Bei der aktuellen Grabung im Klingenhagen 17-19 bestätigt sich eine Bebauung um oder bald nach der Mitte des 13. Jahrhunderts. Archäologin Marianne Moser leitet die Ausgrabung: "Das Bruchstück eines Kruges aus dem Töpfereizentrum Siegburg bei Bonn liefert uns den ersten sicheren Anhaltspunkt für diese frühe Datierung. Die guten Erhaltungsbedingungen für Holz werden es uns hoffentlich ermöglichen, weitere frühe Daten anhand der Jahrringe der Bäume festzumachen-im besten Fall des genaue Fälldatum der Bäume."
Neue Grundstücke in einer feuchten Senke
Doch die Neubürger am südlichen Stadtrand mussten auch einige Nachteile in Kauf nehmen: Die gesamte Grabungsfläche lag in einer feuchten Senke, in der sich flächig torfartige Sedimente ablagerten und so eine teilweise mehr als 50 Zentimeter dicke Schicht bildeten. Für Dr. Sven Spiong, Leiter der Bielefelder Außenstelle der LWL-Archäologie für Westfalen, steht deshalb fest: "Den Neubürgern am südlichen Stadtrand von Rietberg wurden hier Grundstücke zugeteilt, die zum Wohnen eher ungünstig waren. So mussten die Schwellen der Fachwerkhäuser teilweise auf Pfosten gelegt werden, die bis tief in den anstehenden Sand reichten."
Der unsichere Untergrund hatte noch bis in die Neuzeit Auswirkungen auf die Statik einiger Häuser. Noch im 17. Jahrhundert setzten sich Teile der Fachwerkhäuser an der Nordseite des Klingenhagen und der Sennstraße, was an manchen Häusern dort noch heute ablesbar ist.
Die Umflutung der Ems folgte möglicherweise einem älteren Flussarm. Das gesamte Gelände war vor der Stadtgründung sicher häufiger vom Emshochwasser betroffen. Der Wall der Stadtbefestigung südlich des Klingenhagens hatte somit in späterer Zeit außer seiner Verteidigungsfunktion und der als Grenze des Stadtrechts, dem die Bewohner:innen unterlagen, auch noch einen weiteren Zweck: Hochwasserschutz.
Fluch und Segen des hoch anstehenden Wassers
Am Nordrand der Grundstücke errichtete man bald einen Graben, möglicherweise um einerseits die Fläche etwas trockener zu bekommen. Andererseits wurde das Ufer des offenen Gewässers mit Holzpfosten befestigt und als Brauchwasser genutzt. Für welche Gewerke das Wasser zum Einsatz kam, wird sich erst nach Auswertung der Grabung genauer klären lassen.
Keramikfunde belegen, dass dieser Graben bereits im 14. Jahrhundert wieder verfüllt wurde. Dennoch nutzten die Familien noch weiterhin das anstehende Wasser. Das zeigen zwei gut erhaltene ineinander gestellte eingegrabene Daubenfässer. Aus einem Fass konnte noch das Oberleder eines Schuhes geborgen werden.
Mindestens ein Hausgrundriss deutet sich anhand der Spuren ehemaliger Schwellbalken als Grundlage eines Fachwerkhauses direkt nördlich des Grabenverlaufs an. Von eingetieften weiteren Holzkonstruktionen haben sich in einigen Fällen noch die Böden erhalten. Das Grabungsteam erhofft sich von weiteren Funden noch Hinweise auf die Funktion dieser Einbauten.
Pressekontakt:
Sandra Görtz, LWL-Archäologie für Westfalen, Tel.: 0251 591-8946
presse@lwl.org
LWL-Einrichtung:
LWL-Archäologie für Westfalen
Zentrale
An den Speichern 7
48147 Münster Karte und Routenplaner
Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
Der LWL auf Facebook:
https://www.facebook.com/LWL2.0
zur Druckansicht dieser Seite
zu den aktuellen Presse-Infos