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Mitteilung vom 13.06.25

Presse-Infos | Kultur

Gruben, Brunnen und ein Grab

Große Ausgrabung in Delbrück-Bentfeld abgeschlossen

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Delbrück (lwl). In Delbrück-Bentfeld (Kreis Paderborn) untersuchte eine archäologische Fachfirma, begleitet vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), eine Fundstelle mit Siedlungsspuren aus den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt. Seit November 2024 wurde hier ausgegraben, nun sind die Arbeiten beendet und die Erkenntnisse, die die Untersuchung des Baugebietes an der Schafbreite bereits jetzt liefern, können sich sehen lassen: Insgesamt erfassten die Expert:innen rund 400 archäologisch relevante Befunde, darunter zahlreiche Pfostengruben, unter denen sich zwei Gebäude sicher zu erkennen gaben, zwei Grubenhäuser und verschiedene andere Formen von Gruben sowie zwei Brunnen und ein Brandgrab. Zudem wurden 750 Einzelfunde aus der alten, unter einem mächtigen Eschboden erhaltenen Kulturschicht geborgen, allein 600 davon aus Metall.

Nicht nur Siedlungsstelle, auch Bestattungsort
Das archäologische Grabungsteam unter der Leitung von Sven Knippschild begleitete die Erweiterung des Wohngebietes an der Schafbreite. Bei der Entdeckung des Randbereiches einer Siedlung des 2. bis 3. Jahrhunderts vor acht Jahren sah es noch so aus, als läge hier eine einzelne Siedlungsstelle vor. Im Winter 2024 wurde jedoch klar, dass das Grabungsareal zu unterschiedlichen Zeiten besiedelt gewesen sein muss. Damit handelt es sich um einen sogenannten mehrperiodigen Siedlungsplatz. Die Funde aus den verschiedenen Zeiten zeigen außerdem, dass dessen jeweilige Bewohner Zugang zu römischer Sachkultur gehabt haben müssen. Die neuen Ausgrabungen haben das Bild dieser Fundstelle aber nochmal erweitert, denn es wurde jetzt auch eine Bestattung nachgewiesen: Das vereinzelte Brandgrab barg Reste vom Scheiterhaufen wie Holzkohle, Leichenbrand und auch Teile von verbrannten Beigaben. Dem Verstorbenen waren neben einer Lanzenspitze, zwei Gewandspangen, einem in viele Teile zerbrochenen Kamm aus Knochen und einem Feuerstahl auch eine Tierkopfschnalle mit Beschlägen beigegeben worden. Diese Schnalle datieren die Fachleute aufgrund ihrer Form in das 4. oder 5. Jahrhundert. Sie belegt erneut den Kontakt der Siedler in den römischen Kulturraum, da sie zu einem sogenannten römischen Militärgürtel gehörte, sind sich die Expert:innen sicher. Vielleicht diente der Mann einst als germanischer Söldner im römischen Militär? Ein besonderer Fund, denn es ist die erste Bestattung in Ostwestfalen, bei der Teile eines römischen Militärgürtels nachgewiesen werden konnten, die hier - anders als in anderen Regionen - bisher nur aus Oberflächenfunden bekannt geworden sind.

Dr. Sven Spiong, Leiter der Außenstelle Bielefeld, LWL-Archäologie für Westfalen betont zudem: "Auffällig ist die Parallele mit einem Platz in Salzkotten-Scharmede, wo 2016 Siedlungsspuren des 1. bis 4. Jahrhunderts zutage getreten waren und die Menschen ebenfalls Zugang zur römischen Sachkultur hatten. Plätze wie diese helfen uns, immer besser zu verstehen, wie die Menschen der Region in der Zeit der Ankunft der Römer und in den nachfolgenden Jahrhunderten lebten und wirtschafteten, über welche überregionalen Kontakte und Verbindungen sie verfügten und wie sich das Siedlungsgefüge in der Völkerwanderungszeit veränderte."

Die Sensation kurz vor Schluss
Als echte archäologische Sensation erwies sich in der Endphase der Ausgrabung schließlich ein Brunnen. "Anfangs gingen wir von einer sehr flach angelegten, trichterförmigen Senke aus, die als Viehtränke gedient haben könnte", erläutert Grabungsleiter Sven Knippschild. Bei der weiteren Ausgrabung zeigte sich dann aber eine durch typische Keramik in die Völkerwanderungszeit datierte Baugrube, in der sogar noch einige Konstruktionshölzer und Flechtwerkreste erhalten waren, und eine aus drei Baumstammteilen zusammengesetzten Brunnenröhre von über einem Meter Durchmesser. "Die organische Erhaltung war tatsächlich so gut, dass wir außer Hölzern auch einen Lederrest und an einer Stelle sogar noch einen Insektenflügel bergen konnten", berichtet Knippschild weiter. Völlig außergewöhnlich und für die Völkerwanderungszeit Westfalens einzigartig war dann am letzten Grabungstag noch der Fund eines Balkenstückes mit verschiedenen Bearbeitungsspuren. "Das Balkenstück war sicher ehemals an einem Haus verbaut und wurde später für die Brunnenkonstruktion recycelt", beschreibt Knippschild den Fund. Als große Besonderheit zeigt der Balkenrest außerdem einige zeichenartige Ritzungen. Ihrer möglichen Bedeutung sollen weitere Untersuchungen nachgehen.

Es scheint zudem, als könne ein Zusammenhang zwischen der Aufgabe des Brunnens und der Anlage des Brandgrabes bestehen, denn über der Brunnenröhre lag eine holzkohlehaltige Schicht, die viele kleinteilige verbrannte Knochenstückchen enthielt, bei denen es sich ebenfalls um Leichenbrand handeln könnte. Wurde die Brunnenmulde vielleicht als Verbrennungsplatz genutzt, aus dem die Überreste eines (oder mehrerer) Verstorbener dann nicht vollständig ausgelesen worden waren? Hinweise darauf könnten auch in der Holzkohleschicht gefundene Reste zweier kleiner Glasperlen aus durchsichtigem bzw. blauem Glas sowie eine sehr große Perle aus grünem Glas sein, bei denen es sich um nicht ausgelesene Beigaben gehandelt haben könnte.

Weitere Untersuchungen
Zusätzlich zur Fertigstellung der Grabungsdokumentation und der Aufbereitung des Fundmaterials stehen nun auch verschiedene naturwissenschaftliche Analysen an. Neben dendrochronologischen Untersuchungen der Holzreste und Radiokarbonanalysen an Holzkohlen zur genaueren Altersbestimmung der Befunde sowie der anthropologischen Untersuchung der verbrannten Knochenreste soll etwa auch ein Teil der Erde aus der Brunnenröhre archäobotanisch untersucht werden, um dadurch erste Informationen über die Landschaft rund um Bentfeld vor gut 1.600 Jahren zu gewinnen. "So lassen sich möglicherweise Veränderungen in der Vegetation, der Landschaft und der Besiedlung zwischen der Zeit um Christi Geburt und um 400 n. Chr. erkennen", erläutert Dr. Julia Hallenkamp-Lumpe von der Außenstelle Bielefeld der LWL-Archäologie für Westfalen.

Mit der Auswertung der Ausgrabung in Bentfeld werden die Archäolog:innen weitere Erkenntnisse zu diesem außergewöhnlichen Fundplatz und seiner Umgebung gewinnen. "Besonders der Brunnen mit der ihn überlagernden Holzkohleschicht ist dabei eine herausragende Quelle", betont Sven Spiong die Bedeutung dieses für die Region einmaligen Befundes

Nachdem die Ausgrabungen nun beendet sind, kann die Erschließung des neuen Baugebietes beginnen. "Hierüber sind wir natürlich sehr froh," bestätigt Bürgermeister Werner Peitz, und betont zugleich: "Es war uns aber natürlich auch sehr wichtig, dass mit der Ausgrabung an der Schafbreite eine weitere überregional bedeutende Fundstelle auf Delbrücker Boden fachgerecht dokumentiert und die aus ihr zu gewinnenden Erkenntnisse und Funde so für die Zukunft erhalten werden konnten."



Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, Tel.: 0251 591-235 und Dr. Julia Großekathöfer, Tel.: 0251 591-8907
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