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Mitteilung vom 02.04.25

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Einzigartige Handschrift

LWL-Museum in der Kaiserpfalz holt Geburtsurkunde Westfalens aus Paris

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Paderborn (lwl). Das LWL-Museum in der Kaiserpfalz macht mit der Sonderausstellung "775 - Westfalen" ab 16. Mai ein besonderes Ausstellungsstück in Westfalen zugänglich: Eine Handschrift aus dem 9. Jahrhundert n. Chr. ist die "Geburtsurkunde Westfalens", denn hier wird der Begriff Westfalen erstmals erwähnt. Für vier Monate kommt das wertvolle Dokument aus Paris nach Paderborn.

Der Text der sogenannten Reichsannalen wurde zwischen 787 und 793 niedergeschrieben, die Handschrift aus dem 9. Jahrhundert ist eine der beiden ältesten noch existierenden Abschriften des heute verlorenen Originals. Die historischen Jahrbücher, wie Annalen auch bezeichnet werden, sind eins der zentralen Exponate der Ausstellung und liefern mit dem Jahr der Ersterwähnung Westfalens im Jahr 775 den Ausstellungstitel.

"775 - Westfalen" bildet den Höhepunkt des Jubiläumsjahres "1250 Jahre Westfalen", das der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) gemeinsam mit der LWL-Kulturstiftung in diesem Jahr begeht. Museumsleiter und Historiker Dr. Martin Kroker: "Der Eintrag der Annalen zum Jahr 775 ist absolut bedeutend für die Geschichte Westfalens, denn hier werden die Menschen aus Westfalen, die 'westfalaos', zum ersten Mal erwähnt. Welches Gebiet und vor allem wer genau mit dem Begriff um diese Zeit gemeint war, wollen wir in der Ausstellung beleuchten."

Der Eintrag der Annalen ist damit noch etwa ein halbes Jahrhundert älter als die Erwähnung der Westfalen im Mainzer Geiselverzeichnis, welches um 805 entstand, so Kroker weiter. Auch das wird in der Ausstellung zu sehen sein.

Ausleihe und ein Kunsttransport aus Paris
Doch zunächst war es nicht so einfach, die Reichsannalen anlässlich des Jubiläums nach Paderborn zu holen, berichtet Kuratorin Anne Karl: "Wir mussten einige Zeit verhandeln, um das empfindliche Pergament immerhin für vier Monate zeigen zu können - aber es hat geklappt und wir freuen uns sehr." Die Handschrift liegt sonst in der Bibliothèque nationale de France in Paris.

Vor der Ausstellung in Paderborn wird das Pergament dort professionell gereinigt. Ein besonderer Kunsttransport bringt das empfindliche Stück Geschichte in einer klimatisierten Transportbox aus Paris nach Paderborn. Die Bibliothek in Paris entsendet zur Begleitung einen Kurier, damit die Jahrhunderte alte Schrift den Transport unbeschadet übersteht.

Die Handschrift wird dann gemeinsam vom französischen Kurier und Birgit Geller, der leitenden Restauratorin vom LWL-Archivamt, in eine mit besonderen Licht-, Temperatur- und Feuchteverhältnissen vorbereitete Vitrine gelegt: "Bei der Präsentation solcher Manuskripte ist die hohe Empfindlichkeit des Pergaments gegenüber Feuchte- und Temperaturschwankungen zu beachten. Sind die klimatischen Gegebenheiten nicht stabil, kommt es zu Verformung der tierischen Haut. Außerdem muss der Aufschlagwinkel der Handschrift an den Zustand der Bindung angepasst werden, dies geschieht mit eigens angefertigten Buchstützen," so Geller über ihre Arbeit am Exponat.

Die Reichsannalen
In Jahrbüchern oder Annalen (von lat. "anno", zu dt. Jahr) hat man bereits in der Antike wichtige historische Ereignisse schriftlich festgehalten wie in einem rückblickenden Kalender. Auch für die Zeit der fränkischen Herrscher existieren Aufzeichnungen zu jedem Jahr, die sogenannten Reichsannalen. Die Aufzeichnungen beginnen mit dem Jahr 741 (Tod Karl Martells, Großvater Karls des Großen und Begründer des karolingischen Herrscherhauses), wurden allerdings erst um 790 am königlichen Hof Karls des Großen aufgezeichnet. Dort findet im Eintrag zum Jahr 775 die erste Erwähnung Westfalens statt - so der aktuelle Forschungsstand.

Mit diesen "Westfalen" meint der Geschichtsschreiber des fränkischen Königs Karl des Großen (zu diesem Zeitpunkt noch nicht zum Kaiser gekrönt) eine Gruppe der gegnerischen Sachsen in den über 30 Jahre dauernden kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Franken. Diese eher beiläufige Erwähnung einer Personengruppe ist die "Geburtsurkunde" Westfalens. In den folgenden Jahrhunderten werden immer wieder Personen als Westfalen und Orte als in Westfalen liegend bezeichnet. Von dieser Ersterwähnung ausgehend können die Besucher:innen der Sonderausstellung "775 - Westfalen" ab 16. Mai durch die westfälische Geschichte wandern - vorbei an Ereignissen und Exponaten aus Kunst und Kulturgeschichte hin zu ihrem eigenen Westfalenbild.

In der Ausstellung werden zwei Abschriften der Reichsannalen im Wechsel gezeigt. Zunächst wird die Handschrift aus dem 9. Jahrhundert zu sehen sein: Diese Handschrift wurde in Lüttich hergestellt und findet aus der Bibliothèque nationale de France in Paris ihren Weg nach Paderborn. Um diese wertvolle Handschrift zu schützen, darf sie unter strengen konservatorischen Auflagen nur vier Monate unter einer besonderen Lampe liegend in der Vitrine gezeigt werden, bevor sie wieder im Dunkel des Archivs verschwindet.

Ab Mitte September wird deshalb eine etwas jüngere Handschrift aus dem 11. Jahrhundert gezeigt: Die Abschrift aus Niederaltteich wird heute in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien aufbewahrt.


Hintergrund "1250 Jahre Westfalen"
Gemeinsam mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) feiert die LWL-Kulturstiftung 2025 das Jubiläum "1250 Jahre Westfalen" mit einem Kulturprogramm aus Kunst, Geschichte, Literatur, Musik, Kabarett, Kulinarik und Podcasts. Anlass dafür ist die erstmalige Erwähnung der Westfalen in einem Bericht der fränkischen Reichsannalen für das Jahr 775.

44 Kulturprojekte, die zusammen mit rund drei Millionen Euro gefördert werden, widmen sich in zahlreichen Veranstaltungen der Geschichte Westfalens und aktuellen Fragen nach Identität, Herkunft und Zugehörigkeit.

Die Ausstellung "775 - Westfalen. Die Ausstellung" im LWL-Museum in der Kaiserpfalz in Paderborn lädt ab dem 16. Mai als zentrales Projekt zur Wanderung durch die Jahrhunderte ein. Das Kulturprogramm zum Jubiläumsjahr "1250 Jahre Westfalen" steht unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nimmt an der Eröffnung der Ausstellung "775 - Westfalen. Die Ausstellung" im LWL-Museum in der Kaiserpfalz in Paderborn teil. Der Festakt findet am 15. Mai 2025 im Hohen Dom zu Paderborn statt.

Die Stiftung der Sparkasse Münsterland Ost fördert das Kulturprogramm im Rahmen ausgewählter Projekte in Münster und im Kreis Warendorf.


Weitere Informationen im Internet unter:
http://www.lwl-kaiserpfalz-paderborn.de
https://de-de.facebook.com/museuminderkaiserpfalz/
https://www.instagram.com/lwl_kaiserpfalzmuseum/



Pressekontakt:
Sandra Görtz, LWL-Archäologie für Westfalen, Tel.: 0251 591-8946 und Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org



LWL-Einrichtung:
Museum in der Kaiserpfalz
Ikenberg 2
33098 Paderborn
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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


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