Mitteilung vom 27.02.24
Presse-Infos | Kultur
Todesursache "Erschöpfung"
Digitale Ausstellung des LWL zum Hungersterben in der Heilanstalt Warstein 1914-1919
Warstein (lwl). Eine digitale Ausstellung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) beschäftigt sich mit einem dunklen Kapitel der Psychiatriegeschichte. Unter dem Titel "Todesursache: 'Erschöpfung'. Hungersterben in der Heilanstalt Warstein 1914-1919" ist sie auf der Website des Psychiatriemuseums Warstein zu sehen (https://www.psychiatriemuseum-warstein.de/de/ausstellung/online-ausstellung/). Am Beispiel der damaligen Heilanstalt in Warstein gibt die Ausstellung Einblicke in den von Mangel und Entbehrung geprägten Alltag einer psychiatrischen Anstalt im Ersten Weltkrieg.
Die Ausstellung thematisiert den Personalmangel und die sich verschlechternde Versorgungslage wie auch den Umgang mit eingewiesenen Soldaten. Fotos von Objekten aus dem Psychiatriemuseum und von Dokumenten aus dem LWL-Archivamt geben Einblicke in die Zeit. Beispielhaft stellt die Schau vier Biografien von Patient:innen vor, die die Folgen der unzureichenden Ernährung nicht überlebten. Einer von ihnen war der italienische Steinbrucharbeiter Enrico R., der 1916 wegen nervöser Stimmungsschwankungen in die Heilanstalt Warstein eingewiesen wurde. Der Vater dreier Kinder starb ein Jahr später an der dort verabreichten mangelhaften Kriegskost. Er und die drei anderen Portraitierten stehen stellvertretend für die Verhungerten, deren Namen heute weitgehend vergessen sind. Die Ausstellung beschäftigt sich auch mit der Frage, wie die Anstalt sowohl mit den Opfern des Hungersterbens als auch des Krieges umging und welche Formen des Gedenkens sich etablierten.
"Die Psychiatriegeschichte wird häufig auf die zweifelsohne einschneidende Epoche der Euthanasie-Aktion in der NS-Zeit reduziert. Doch daneben hat es auch andere bemerkenswerte geschichtliche Brüche gegeben", erklärt Kurator Emil Schoppmann. "Die Ausstellung will daher die Zeit des Ersten Weltkrieges in den Fokus rücken. Indem die Verantwortlichen in den Anstalten die Patientinnen und Patienten mehr oder weniger bewusst verhungern ließen, wurde der gesellschaftliche Wert dieser Menschen infrage gestellt." Schoppmann hat die Onlineausstellung im Rahmen seiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Referent im Projekt "Dinge ver-rücken. Vermittlungs- und Kommunikationsstruktur zu Geschichte und Gegenwart der Psychiatrie in Westfalen" am Psychiatriemuseum Warstein erstellt. Das Projekt wird von der LWL-Kulturstiftung gefördert und mit Unterstützung der Stadt Warstein, dem LWL-Klinikverbund Lippstadt-Warstein und dem LWL-Museumsamt durchgeführt.
Hintergrund
Schon wenige Monate nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurden im gesamten Deutschen Reich die Nahrungsmittel knapp. Alle Reserven wurden für den Krieg mobilisiert. Spätestens während des sogenannten "Steckrübenwinters" mussten seit Ende 1916 große Teile der Bevölkerung hungern. Besonders hart waren die Patient:innen der Heil- und Pflegeanstalten von den Auswirkungen des Krieges betroffen. Im Unterschied zur Zivilbevölkerung konnten die Insassen "totaler Institutionen", also von Psychiatrien, Gefängnissen oder Armenhäusern, nicht für sich selbst sorgen. Zusätzlich mussten viele der männlichen Pfleger und Angestellten an die Front. Nahrungsmittel, Medizin oder Verbandsmaterial wurden zur Mangelware. Eine medizinische Versorgung war bald nur noch eingeschränkt möglich. In den deutschen psychiatrischen Einrichtungen kam es zu einem Massensterben, dem zwischen 1914 und 1919 über 70.000 Patient:innen zum Opfer fielen. Allein in den sechs westfälischen Heilanstalten kamen schätzungsweise 2.400 Menschen durch die kriegsbedingten Versorgungsmängel ums Leben.
Todesursache: "Erschöpfung". Hungersterben in der Heilanstalt Warstein 1914-1919
Link: https://www.psychiatriemuseum-warstein.de/de/ausstellung/online-ausstellung/
Pressekontakt:
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org
LWL-Einrichtung:
LWL-Kulturstiftung
Freiherr-vom-Stein-Platz 1
48147 Münster Karte und Routenplaner
Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
Der LWL auf Facebook:
https://www.facebook.com/LWL2.0
zur Druckansicht dieser Seite
zu den aktuellen Presse-Infos