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Mitteilung vom 17.02.23

Presse-Infos | Soziales

Inklusion geht durch den Magen

Der Lippische Kombi Service ist bei der LWL-Messe der Inklusionsunternehmen dabei

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Dortmund/Detmold (lwl). Die LWL-Messe der Inklusionsunternehmen bringt Unternehmen, Menschen mit und ohne Behinderung, Entscheider:innen sowie Interessierte zusammen. Am 15. März 2023 findet sie bereits zum fünften Mal statt. In diesem Jahr erstmals in der Messe Dortmund, mit mehr Platz für die rund 130 Ausstellenden und unter dem Motto "Inklusion entfaltet". Der Lippische Kombi Service (LKS) aus Detmold ist eines der Inklusionsunternehmen auf der Messe. Er bildet so viel aus wie kein anderer Betrieb im LWL-Bereich. Für die Frage, was hinter dem Erfolgsrezept steckt, hilft ein Besuch in der neuen Küche in Lemgo.

Bevor die zwei Geschäftsführerinnen des Lippischen Kombi Service gGmbH (LKS) Zeit für ein Gespräch haben, suchen sie zunächst die eigene Essenstheke auf. Sie haben den ganzen Tag noch nichts essen können und hier seien sie sich sicher, dass es schmecke.

Seit 16 Jahren ist Monika Zimmermann beim LKS, Ende nächsten Jahres übergibt sie die alleinige Geschäftsführung an Simone Luther, die bereits sieben Jahre im gemeinnützigen Unternehmen tätig ist. Ob sich nach dem Wechsel etwas ändert? "Naja, sie ist jünger als ich", quittiert Zimmermann, was beide zum Lachen bringt. Luther will den etablierten Kurs beibehalten. Und dazu gibt es Anlass.

Denn das gute Essen spricht sich schnell rum, fast schon zu schnell. Zum ersten Mal in der 35-jährigen Unternehmensgeschichte kann der LKS nicht alle Anfragen bedienen. Das Interesse an den Verpflegungsdiensten aus Detmold ist groß. Inklusion sei selbstverständlich auch ein Faktor bei den Anfragen, erklärt Zimmermann, und bei manchen Schulen auch ein Auswahlkriterium. Aber nach ein bis zwei Jahren sei das aus den Köpfen - was im Magen ankommt, bliebe präsenter.

"Primär kommen die Anfragen, weil andere Schulen sagen: Wir sind sehr zufrieden mit unserem Caterer", so die langjährige Geschäftsführerin. Ein Empfehlungsmarketing, das sich bewährt hat: Mittlerweile kocht und catert man an 48 Standorten im Umkreis.

Spitzenreiter
Der LKS ist in der ganzen Region tätig und beschäftigt rund 250 Mitarbeiter:innen, von denen rund die Hälfte eine Schwerbehinderung hat. Die Dienstleistungen des Unternehmens reichen von Wäscherei über Datensicherung bis zum Catering. Aber die Kernkompetenz des Unternehmens liegt auch in der inklusiven, theoriereduzierten Ausbildung, die es zusätzlich zur Vollausbildung anbietet. Um die 50 Auszubildende sind so im Betrieb verteilt beschäftigt - das ist Spitzenwert in Westfalen-Lippe.

Die besondere Art Ausbildung gibt dank angepasster Theorieanforderungen Jugendlichen mit einer Lernbehinderung die Möglichkeit zur Ausbildung als Fachpraktiker:in Küche. Der verringerte theoretische Aspekt wird dadurch ergänzt, dass Ausbilder wie Frank Schlepper, Leiter der Küche im Berufskolleg, in der Praxis flexibel auf die möglichen individuellen Bedürfnisse der Auszubildenden Rücksicht nehmen.

Nach einer Pandemie-bedingten Pause knüpfen die Zahlen auch beim Zuwachs wieder an das Niveau der Vorjahre an. "Dieses Jahr waren es fast so viele wie noch nie", so Luther. 24 junge Menschen befinden sich momentan in Ausbildung oder einer Einstiegsqualifizierung. Die einjährige Einstiegsqualifizierung zur Ausbildung ist mit die wichtigste, aber auch die schwierigste Zeit in der Ausbildung. "Das ist nochmal das kleine ABC", attestiert Luther, eine Phase, in der man viele Sachen neu lernen müsse. Zimmermann sieht hier aber auch eine Stärke: Was Arbeitgeber:innen in einer "normalen" Ausbildung bereits anmahnen müssten, wie ein unangekündigtes Fehlen oder Vergleichbares, könne hier aufgefangen und persönlich geklärt werden. "Dadurch bekommen beeinträchtigte Auszubildende erst die Chance, sich im neuen Beruf und Umfeld einzuleben."

Die Bubble machts
"Die Blase LKS", wie eine Mitarbeiterin diesen eigenen Mikrokosmos einmal etwas verschmitzt beschrieb, setzt auf Zwischenmenschliches. Man kenne eigentlich jede:n Mitarbeiter:in, erklärt Zimmermann. "Am Arbeitsplatz hilft man sich gut", pflichtet Frank Schlepper bei. "Die Stärken und Schwächen der Mitarbeiter:innen ergänzen sich, man hilft einander - mit gutem Ergebnis. Wir sind völlig auf Augenhöhe." Der Küchenchef kehrte nach zwei Jahren in einem anderen Unternehmen zum LKS zurück, die Arbeit und die Menschen lägen ihm hier einfach mehr. An der Ebenbürtigkeit zeigt sich für ihn das Besondere des Unternehmens - und an Inklusion: "Dass wir hier Sachen schaffen, die andere nicht-inklusive Caterer mit ihrem Personal machen - das ist für mich die größte Bestätigung."

Erfolgsgeschichten
Für den Küchenleiter liegt der Schlüssel zum Erfolg in der gegenseitigen Offenheit. Wer offen an die Sache herangehe, werde das Arbeiten und Ausbilden von Mitarbeiter:innen mit Behinderung nicht bereuen. Sein Fazit aus jahrelanger Erfahrung: "Keine Vorurteile haben, einfach machen, loslegen und gucken wo die Reise hingeht. Damit habe ich nie schlechte Erfahrungen gemacht."

Und die gemeinsame Reise gestaltet sich - für alle Beteiligten - als Gewinn. Elli Jurk, eigentlich Auszubildende in einer anderen LKS-Küche in Lemgo, hilft aktuell am neuen Standort aus. "Ich bin immer die Erste", berichtet die 20-Jährige, die mit einer Cerebralparese lebt. Sie hilft den Küchenalltag vorzubereiten, startet die Öfen, backt die Brezeln - eine unerlässliche Stütze für die neue Küche. Sind die Schüler:innen zufrieden, ist die Auszubildende es auch: "Wenn man die Kinder sieht, wenn die anstehen zum Essen, dass die glücklich sind und sich freuen", diese Freude ist für sie der Höhepunkt des Arbeitstages.

Mittlerweile ist sie im letzten Ausbildungsjahr und fühlt sich sehr wohl. Das Team sei nett und hilfsbereit und jede:r hat Gelegenheiten, sich kreativ in der Küche und Essensplanung einzubringen. Außerdem nimmt man sich Zeit für alle Mitarbeiter:innen. Das sei für die das Gelingen der Ausbildung unerlässlich, deren guter Verlauf Elli auch für die Zukunft positiv stimmt: "Dann bin ich ausgelernt und habe schon Erfahrungen gesammelt."

Noel, ebenfalls 20 und heute zur Aushilfe in Lemgo, schlägt ähnliche Töne an. Der Auszubildende mit Konzentrationsstörung wollte sich schon früher in der Gastronomie bewerben - über eine berufsvorbereitende Maßnahme bei einem Bildungsträger fand er schließlich den Weg zum Lippischen Kombi Service. Die Arbeit macht ihm Spaß, "denn hier kann ich mich kreativ ausleben." Er kocht für sein ganzes Leben gern, ein besonderes Faible habe er fürs Würzen und vegetarische Gerichte. In der Ausbildung sieht er einen wichtigen Baustein für seine Zukunft. "Ich will mich selbstständig machen", offenbart er grinsend - vielleicht auch mit einem Restaurant.

Es komme oft vor, das Auszubildende, die zunächst die theoriereduzierte Ausbildung zum Beikoch absolvierten, sich im Anschluss auch an die Vollausbildung wagen, so Küchenchef Schlepper. "Das sind mehrere Jahre, die ich die Auszubildenden begleite. Diesen Weg ein Stück mitgehen zu dürfen und am Ende zur bestandenen Prüfung zu gratulieren, das sind die größten Erfolge."

Hürden und Chancen
Um an die Erfolge von Inklusion anzuknüpfen und diese auch weiter zu vermitteln, sei eine effektive Öffentlichkeits- und Zusammenarbeit der Inklusionsunternehmen unentbehrlich, so Zimmermann. "Wir stehen für einen besonderen Gedanken und wir arbeiten miteinander." Veranstaltungen wie die LWL-Messe der Inklusionsunternehmen sind auch für sie der ideale Rahmen, um diesen Gedanken zu transportieren. Die Messe zeige die Vielfalt an Unternehmen und Möglichkeiten von Inklusion - gerade für noch Uninformierte wichtig. Für die, die noch unentschlossen sind, ihren Betrieb aber auch inklusiver gestalten wollen, hat Zimmermann einen simplen Ratschlag parat: "Einfach machen."

Hintergrund Inklusionsunternehmen
In Westfalen-Lippe gibt es zurzeit über 170 Inklusionsunternehmen oder -abteilungen in Firmen aus Industrie, Handel und Gewerbe, in denen knapp 2.200 Menschen mit Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten. Die Betriebe, die zum großen Teil Mitarbeiter mit Handicaps beschäftigen, sind rechtlich und wirtschaftlich selbstständig. Sie muÌ¿ssen sich wie jedes andere Unternehmen am freien Markt behaupten.

Der LWL unterstuÌ¿tzt diese Firmen mit Mitteln aus der Ausgleichsausgabe, die Unternehmen leisten muÌ¿ssen, die nicht mindestens fuÌ¿nf Prozent ihrer Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Mitarbeiter:innen besetzen. Die Inklusionsunternehmen bekommen ZuschuÌ¿sse zu Investitionen, betrieblichem Mehraufwand, Betreuung und Lohnkosten. An der Finanzierung beteiligen sich auch die Bundesagentur fuÌ¿r Arbeit, das Land Nordrhein-Westfalen uÌ¿ber das Programm "Integration unternehmen!" sowie die Stiftung Wohlfahrtspflege NRW und die Aktion Mensch. Hinzu kommen Mittel aus dem Förderprogramm "Inklusionsinitiative II - AlleImBetrieb" des Bundes. Die Arbeitsplätze sind im Schnitt deutlich kostengünstiger als die Plätze in den Werkstätten fuÌ¿r Menschen mit Behinderung.

Die LWL-Messe der Inklusionsunternehmen wird präsentiert unter http://www.lwl-messe.de.



Pressekontakt:
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org



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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


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