Mitteilung vom 12.09.22
Presse-Infos | Jugend und Schule
175 Jahre von-Vincke-Schule
Vorreiter der Inklusion sehbehinderter und blinder Kinder
Soest (lwl). Am Freitag (9.9.2022) feierte die von-Vincke Schule - LWL-Förderschule mit dem Schwerpunkt Sehen - des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in Soest ihr 175-jähriges Bestehen.
"Nach 175 Jahren steht die Schule heute für eine qualitätsvolle individuelle Förderung von blinden und sehbehinderten Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf", erklärte LWL-Schuldezernentin Birgit Westers anlässlich des Jubiläums. "Hier steht jeder einzelne junge Mensch mit seinen individuellen Stärken, aber auch mit seinen individuellen Förderbedarfen im Mittelpunkt", so Westers weiter.
NRW-Schulministerin Dorothee Feller: "Seit 175 Jahren ermöglicht die von-Vincke-Schule erfolgreiche Bildungslaufbahnen. Sie ist ein herausragender Teil der Bildungsgeschichte unseres Landes. Als Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Sehen nimmt sie einen ganz besonderen Auftrag in der vielfältigen Schullandschaft unseres Landes wahr. Sie ist nicht nur für ihre eigene Schülerschaft da, sondern fühlt sich auch verantwortlich für andere sehbeeinträchtigte Kinder und Jugendliche in Nordrhein-Westfalen. Für dieses Engagement danke ich sehr."
Vorreiterrolle bei der Förderung sehbehinderter Kinder
Die Ursprünge der von-Vincke-Schule liegen im Jahr 1847. In Trägerschaft des Provinzialverbandes, dem Rechtsvorgänger des LWL, wurde das von Vincke'sche Blindeninstitut für Westfalen-Lippe gegründet. Als Namensgeber diente Friedrich Ludwig Wilhelm Phillipp Freiherr von Vincke, 1844 verstorbener ehemaliger Präsident des Provinzialverbandes. "Der Grundstein für die Schule wurde gelegt, lange bevor 1911 in Preußen die Schulpflicht für blinde und taube Kinder eingeführt wurde", so Klaus Baumann, Vorsitzender der LWL-Landschaftsversammlung. Mit ihrem Besuch drücke Ministerin Feller die Wertschätzung für die Arbeit des Kollegiums aus. "Das ist für uns ein deutliches Zeichen, dass Förderschulen auch in der zunehmend inklusiven Schullandschaft ein wichtiger Förderort sind und bleiben", so Baumann weiter.
1847 besuchten die von-Vincke-Schule lediglich fünf Schüler:innen protestantischen Glaubens - für die katholischen Kinder war die Pauline-Schule in Paderborn zuständig. Auf dem Lehrplan stand Unterricht in Deutsch, Geschichte, Erdkunde, Rechnen, Raumlehre, Gesundheitslehre, Turnen zunächst nur für Jungen und "nützliche Handarbeit" für die Mädchen.
1944 durch einen Großangriff alliierter Flugzeuge auf Soest zerstört, zog die Schule 1954 in einen Neubau am Hattroper Weg in Soest. Es folgten mehrere bauliche Veränderungen und Erweiterungen, aber auch unterschiedliche Ansätze und teils hitzige Diskussionen zum bestmöglichen Unterricht für Schüler:innen mit einer Sehbehinderung.
Trotz der wechselvollen Geschichte hat sich laut Baumann ein Ziel aber nicht verändert: "Seit 175 Jahren fühlen sich hier alle Beteiligten der individuellen Förderung und Unterstützung blinder und sehbehinderter Kinder und Jugendlicher verpflichtet."
Moderner Lernort
Schulleiter Andreas Liebald stellte das Motto der Schule "Wir. Sehen. Individuell." in den Mittelpunkt. Dabei unterstrich er besonders das Miteinander in der Schulgemeinschaft. Dazu passend sangen im Anschluss seines Vortrages alle Schüler:innen und Lehrer:innen gemeinsam ein extra für das Jubiläum gedichtetes Lied über die Schule.
Heute werden in der von-Vincke-Schule insgesamt 126 Schüler:innen in 16 Klassen unterrichtet. Davon besuchen 59 Schüler:innen den Realschulzweig der Schule. Jugendliche aus ganz NRW kommen zum Besuch der Realschule nach Soest. Wegen der teils weiten Schulwege wohnen aktuell zehn Schüler:innen der von-Vincke-Schule im angeschlossenen Internat. 63 Schüler:innen werden von der von-Vincke-Schule im Gemeinsamen Lernen an allgemeinen Schulen unterstützt.
Im Rahmen der Frühförderung besuchen außerdem rund 90 noch nicht schulpflichtige blinde und sehbehinderte Kinder aus der Region die Schule. Ein weiteres wichtiges Angebot im Rahmen der Förderung. Baumann: "Es kommt darauf an, für jedes Kind - den individuellen Bedürfnissen entsprechend - den besten Förderort zu finden. Für den LWL gilt: Inklusion und Förderschulen das ist kein Gegensatz." Auch mit fortschreitender Inklusion werde die von-Vincke-Schule ein wichtiger Förderort bleiben, ergänzt Westers.
Chronik der von-Vincke-Schule:
- 1847 Gründung des von Vincke'schen Blindeninstituts für Westfalen-Lippe
- 1858 kam zur Schulbildung die gewerbliche Ausbildung in der Korbmacherei, Bürstenmacherei, Seilerei und Stuhlflechterei hinzu, kurze Zeit später auch die Ausbildung zum Organisten.
- 1911 Einführung der gesetzlichen Schulpflicht für blinde und taubstumme Kinder
- 1940 als gravierender Einschnitt während des 2. Weltkrieges die Übernahme aller Schüler:innen aus der Blindenanstalt in Paderborn
- 1944 aus kriegsbedingten Gründen die Entlassung aller Schüler:innen nach Hause und die Zerstörung aller Gebäude der Blindenanstalt durch einen Großangriff alliierter Flugzeuge auf Soest
- 1946 Wiederbeginn des Schulbetriebes und Rückkehr der Paderborner Schüler:innen in die dortige Blindenanstalt
- 1954 Umzug der Schule in den Neubau am Hattroper Weg
- 1971 Neubau eines 18-klassigen Schulgebäudes und Neubau von vier Internatshäusern
- 1974 Entscheidung des Landschaftsausschusses, die konfessionell ausgerichtete Aufgabenteilung zwischen den Blindenanstalten Soest und Paderborn aufzuheben
- 1976 Übernahme der Lehrkräfte in den Dienst des Landes und die Aufgliederung der Provinzial-Blindenanstalt in
--Westfälische Schule für Blinde Soest (heute von-Vincke-Schule)
--Westfälische Berufsschule für Blinde und hochgradig Sehbehinderte Soest
--Westfälisches Schülerinternat Soest
--Berufsbildungswerk für Blinde und Sehbehinderte
--Schul- und Internatsverwaltung zur ortsnahen Wahrnehmung der Trägeraufgaben des LWL
- Mit der Aufgliederung erfolgte 1976 auch die Errichtung eines Sonderschulkindergartens als Teil der Schule
- 1981 neben dem Unterricht zunächst modellhafter Beginn der Unterstützung im Gemeinsamen Lernen im sogenannten "Soester Modell"
- 1999 Neuordnung der Beschulung blinder und sehbehinderter Schüler:innen in Westfalen-Lippe: u.a. Aufnahme sehbehinderter Schüler:innen an der von-Vincke-Schule
- 1999: Aufbau des Kurssystems zur Vermittlung besonderer Fertigkeiten sowie Möglichkeiten zur Identifikation (Peergroup)
- 2009: Zertifizierung als Schule ohne Rassismus
Pressekontakt:
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org
LWL-Einrichtung:
von-Vincke-Schule, LWL-Förderschule
Förderschwerpunkt Sehen
Hattroper Weg 70
59494 Soest Karte und Routenplaner
Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
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