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Mitteilung vom 27.06.22

Presse-Infos | Soziales

LWL zieht Bilanz

Selbstbestimmt leben in der eigenen Wohnung ist kein Selbstläufer

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Westfalen-Lippe (lwl). Menschen mit Behinderung dank intelligenter Technik und einer guten Einbindung in die Nachbarschaft ein Leben in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen - das möchte der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) mit seinem Programm "Selbstständiges Wohnen" (SeWo) erreichen. Im Mai 2022 endete das zunächst auf fünf Jahre befristete Programm mit einem Gesamtvolumen von 36 Millionen Euro - Zeit für eine Bilanz.

"Wir haben zu wenig bezahlbaren, barrierefreien Wohnraum in zentralen Lagen für Menschen mit Behinderung", erklärt LWL-Direktor Matthias Löb. Daher sollten im Rahmen des SeWo-Programms an 15 Modellstandorten in Westfalen-Lippe Wohnhäuser entstehen, in denen Menschen mit schwereren Behinderungen dank einer Einbindung in bestehende Nachbarschaft und intelligenter Technikunterstützung selbstständig wohnen können. Die Standorte umfassen die gesamte Spannbreite: Von eher ländlichen Kommunen wie etwa Lübbecke über Klein- und Mittelstädte wie Paderborn bis zu Großstädten wie Dortmund ist alles vertreten.

Geplant sind nach Löbs Angaben insgesamt 180 neue Wohnungen, bis März 2022 seien 43 neue Wohnungen entstanden. Gefördert hat der LWL das Programm mit rund zehn Millionen Euro. Weitere etwa 26 Millionen Euro stammen aus Wohnbaufördermitteln des Landes NRW sowie durch Darlehen. Löb: "So soll erprobt werden, wie mehr Menschen mit Behinderungen auch bei höherem Unterstützungsbedarf in einer eigenen Wohnung leben können. Wir reden über Menschen, die zum Beispiel schwerwiegende und chronische psychische Erkrankungen haben. Aber auch über solche mit körperlichen Behinderungen, die etwa ein barrierefreies Umfeld benötigen."

Dafür brauche es zum einen eine behindertengerechte Ausstattung sowie technische Unterstützung innerhalb der Wohnungen. Das können Türen sein, die sich nach kurzer Zeit wieder selbst verschließen oder visuelle Klingeln, die gehörlose Mieter:innen mit einem Lichtsignal auf Besuch aufmerksam machen, aber auch kompliziertere Installationen wie etwa Umfeldsteuerungssysteme, die über ein Tablet oder Smartphone bedient werden können. Löb: "Von Beginn an war wichtig, dass die Wohnungen bezahlbar sind und in zentralen Lagen mit guter Infrastruktur entstehen, da viele Menschen mit Behinderungen auf den ÖPNV sowie Unterstützungsdienstleistungen angewiesen sind."

Schwieriger Immobilienmarkt für Menschen mit Behinderungen
"Geplant sind insgesamt 180 neue Wohnungen", erklärt Löb. "Die angespannte Grundstückssituation und die gestiegenen Baupreise haben allerdings auch das SeWo-Programm hart getroffen, so dass wir bei einigen Bauprojekten hinter dem ursprünglichen Zeitplan liegen." Sehr viel Wert werde außerdem auf Energieeffizienz und nachhaltige Baustoffe gelegt.

Bis März 2022 sind im Rahmen des SeWo-Programms 43 neue Wohnungen an drei Standorten entstanden: In Hamm leben vor allem Mieter:innen mit psychischen Beeinträchtigungen. In Bad Driburg liegt der Schwerpunkt auf jungen Erwachsenen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen und Unterstützungsbedarfen, und in Lübbecke leben Menschen mit kognitiven Einschränkungen und dem sogenannten Prader-Willi-Syndrom bzw. Adipositas. "Ein weiteres Projekt in Sassenberg wird im Herbst 2022 fertiggestellt, an drei Standorten in Selm, Paderborn und Münster beginnen wir in diesem Jahr mit dem Bau." An weiteren sechs Standorten laufen die vorbereitenden Planungen oder die Grundstückssuche.

Die Häuser bieten in der Regel Platz für bis zu zwölf Wohnungen und bestehen meist aus etwa 45 Quadratmeter Einzelapartments, je nach örtlichem Bedarf auch Mehr-Personen-Wohnungen. "Neben den Wohnungen gibt es in jedem Haus einen Gemeinschaftsraum sowie ein Servicebüro", erklärt Löb.

Um nicht am Bedarf zukünftiger Mieter:innen vorbeizuplanen, wurden diese bereits in den Planungsphasen mitgedacht. "Daraus ergab sich unter anderem die Erprobung verschiedener Umfeldsteuerungssyssteme, die den Alltag in der eigenen Wohnung erleichtern. Neben der Haustechnik gab die SeWo auch den Anstoß für die Entwicklung einer App, die im Alltag unterstützt, etwa durch die Anleitung bei individuellen Tagesroutinen und die Planung von Terminen."

Selbstständiges Wohnen ist kein Selbstläufer
Ob das technikunterstützte Wohnen auch langfristig erfolgreich sein wird, werde sich laut Löb erst in den nächsten Jahren zeigen: "Wie das Leben in den eigenen vier Wänden jeweils gelingt, hängt von den Mieter:innen selbst ab, aber auch vom direkten Wohnumfeld."

Damit die Bewohner:innen der neuen Apartmenthäuser Teil einer lebendigen Nachbarschaft werden können, beginnen bereits ein halbes Jahr vor Eröffnung der jeweiligen Häuser sogenannte Quartiersmanager:innen mit ihrer Arbeit: Sie kümmern sich um die Integration vor Ort - etwa indem sie Kontakt zu Sport- und Freizeitangeboten herstellen, Wegweiser und Orientierungshilfen für die Quartiere und Gemeinden erstellen und sich mit den Mieter:innen oder stellvertretend auch politisch für mehr Inklusion vor Ort einsetzen. Löb: "Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf sollen dadurch als selbstverständlicher Teil der Gesellschaft am Leben teilhaben können."

Erkenntnisse auch für freien Wohnungsmarkt
Einen Schwerpunkt der nächsten Jahre sieht Löb in der langfristigen Verankerung dieser Art des Wohnens: "Wir werden laufend evaluieren, wie etwa die Technikunterstützung von den Mieter:innen genutzt und bewertet wird und welche neuen technischen Entwicklungen sinnvoll in deren Lebensalltag integriert werden können." Die Erkenntnisse sollen dabei auch einem größeren Interessentenkreis zur Verfügung gestellt werden. "Idealerweise soll das SeWo-Programm auch als Vorbild für Investoren wie etwa Wohnungsbaugesellschaften dienen." Einfach werde das jedoch nicht: "Die Schaffung von Wohnraum für Menschen mit Behinderung wird gerade im ländlich geprägten Raum nicht genug gefördert." Den höheren Kosten der technischen Ausstattung der Wohnungen stünden häufig keine ausreichenden Refinanzierungsmöglichkeiten gegenüber. Löb: "Damit fehlen bisher die Anreize für Investoren."

Weitere Erkenntnisse erhofft sich der LWL von der Erhebung des Pestelinstituts zur Wohnraumsituation für Menschen mit Behinderung in Westfalen-Lippe, die die Sewo in Auftrag gegeben hat: "Den Bericht werden wir unseren Mitgliedskörperschaften als Planungsgrundlage zur Verfügung stellen."

Hier können Sie filmische Eindrücke von den SeWo-Projekten gewinnen:
https://www.youtube.com/watch?v=hAxg46SNyAM&t=10s
https://www.youtube.com/watch?v=w8WNRtBkk_A
https://www.youtube.com/watch?v=IMPflcetAPA



Pressekontakt:
Hannah Pöppelmann-Reichelt, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org




Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


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