Mitteilung vom 23.01.19
Presse-Infos | Kultur
Das Schweigen der Bilder
Provenienzforschung am LWL-Museum für Kunst und Kultur
Münster (lwl). Die Herkunft und Besitzverhältnisse (sogenannte Provenienzen) von Kunstwerken der Moderne werden zurzeit am LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster erforscht. "Ziel ist es, die Eigentumsverhältnisse der Objekte in der eigenen Sammlung vollständig aufzuklären, um mögliche Werke der NS-Raubkunst aufzudecken", erklärt Museumsdirektor Dr. Hermann Arnhold. Seit einem halben Jahr übernimmt Eline van Dijk, Referentin für Provenienzforschung am Kunstmuseum des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), diese Forschungsaufgabe.
In den 1950er und -60er Jahren, als der Großteil der Kunst der Moderne erworben wurde, war bei den Verantwortlichen das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer lückenlosen Provenienz kein Selbstverständnis. So erklärt sich die teilweise dürftige Dokumentation der Herkunft vieler Kunstwerke, bevor sie in das Kunstmuseum des LWL kamen. Die Grundlage für die Aufklärung bilden die sogenannten Washingtoner Prinzipien (1998), Richtlinien zum Umgang mit dem NS-Kulturgutraub, zu deren Umsetzung sich Deutschland 1999 bekannt hat. Unzählige Juden mussten während des Dritten Reiches aufgrund rassischer Verfolgung durch das NS-Regime ihren Besitz bei Emigration, Inhaftierung oder Deportation zurücklassen. Oft waren sie gezwungen, die Kunstwerke aus ihrem Besitz weit unter Wert zu verkaufen, zum Beispiel, um die Emigration ins Ausland zu finanzieren. Darunter befanden sich zahlreiche Kulturgüter, die durch den Kunsthandel auf den Markt und in die Museen gelangten - ohne, dass die ursprünglichen Besitzverhältnisse geklärt werden konnten.
Seit August erforscht die Kunsthistorikerin van Dijk systematisch die Herkunft der Objekte in der Sammlung der Moderne am LWL-Museum für Kunst und Kultur. Ihre Stelle wird vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste gefördert, dem zentralen Ansprechpartner für Fragen unrechtmäßiger Entziehungen von Kulturgut in Deutschland im 20. Jahrhundert. Im Zentrum ihrer Arbeit stehen Gemälde, die vor 1945 entstanden und nach 1933 in die Sammlung gekommen sind. Eingehender untersucht werden zum einen Werke, deren Aufenthaltsort und Eigentümer für die Zeit zwischen 1933 und 1945 nicht geklärt sind. Zum anderen werden Objekte erforscht, bei denen der Verdacht besteht, dass Nationalsozialisten sie enteignet haben. In diesen Fällen beginnt van Dijk mit ihrer Recherche: sie untersucht die Rückseiten der Kunstwerke auf Hinweise, prüft das Inventarbuch des Museums, arbeitet sich durch Fachliteratur, Objektakten, Archive und nimmt Kontakt zu anderen Wissenschaftlern auf. Die Ergebnisse dokumentiert sie für den museumsinternen Gebrauch und die wissenschaftliche sowie interessierte Öffentlichkeit. Identifizierte Kunstwerke, die dem NS-Kulturgutraub zum Opfer gefallen sind, werden nach Möglichkeit an die Erben der verfolgten Besitzer restituiert, also zurückgegeben. Das LWL-Museum für Kunst und Kultur hat bereits einige Arbeiten an Erben jüdischer Sammler zurückgegeben, wie beispielsweise das Gemälde "Morgendämmerung", 1820/24, von Karl Blechen. Das Bild gelangte 1942 zusammen mit weiteren Werken in den Besitz des Deutschen Reiches. 1968 kam es als Dauerleihgabe der Bundesrepublik Deutschland in die Sammlung des LWL-Museums. 2009 konnte das Gemälde an die Erben des vorherigen Besitzers restituiert und im Anschluss für das Haus zurückgekauft werden.
Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235 und Nora Staege, Telefon 0251 5907-311, presse.museumkunstkultur@lwl.org
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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
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