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Mitteilung vom 23.11.18

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Von entfernten Verwandten, nicht nur vom nächsten Nachbarn lernen

Studie über demografischen und wirtschaftlichen Wandel Westfalens

Achtung Redaktionen: Material zu Ihrer Gemeinde unter: https://bit.ly/2LZHw3w


Westfalen-Lippe (lwl). Eine Studie zeigt, wie der demografische Wandel Westfalen-Lippe verändert und vor welchen Aufgaben die einzelnen Regionen stehen. "Die Studie hat eine klare Empfehlung an die westfälischen Gemeinden: Lernt nicht nur vom nächsten Nachbarn, sondern auch von entfernten Verwandten. Das klingt überraschend, aber auch Städte, die aneinandergrenzen, haben oft unterschiedliche Probleme. Umgekehrt ähnelt eine Gemeinde 100 Kilometer entfernt in der Interessenlage der eigenen Stadt mehr als gedacht", so Matthias Löb, Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL). Der Kommunalverband hatte die Studie zusammen mit der Westfalen-Initiative beim Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung gefördert.

"Wir brauchen gemeinsame Plattform und Westfalen-Statistik"
"Westfalen besteht zwar insgesamt aus starken Städten und Gemeinden", erläuterte Löb am Freitag (23.11.) im Landschaftsausschuss in Münster die Ergebnisse. "Wir brauchen aber in Zukunft einen westfalenweiten Erfahrungsaustausch zwischen den Gemeinden." Dringend nötig sei der Austausch der Kommunen untereinander sowie mit den Bezirksregierungen - auf einer gemeinsamen Plattform. Voraussetzung für weitere Schritte sei außerdem "umfassendes, belastbares, ständig aktualisiertes Zahlenmaterial über die Region". Löb berichtete über anstehende Gespräche mit den westfälischen Regierungspräsidenten zu einer solchen "Westfalen-Statistik".

Cluster-Analyse
Kernstück der Studie ist eine so genannte Clusteranalyse aller Kommunen in Westfalen-Lippe. Anhand von ausgewählten Faktoren werden alle 231 Städte und Gemeinden in Westfalen-Lippe vier Gruppen (Cluster) zugeteilt: Größere Städte, die zum Teil bereits deutlich gealtert sind, aber dennoch junge Menschen anziehen (Cluster 1), wirtschaftlich starke, mittelgroße Städte mit stabilen Bewohnerzahlen (Cluster 2), junge, wachsende Speckgürtel-Gemeinden im Umland der Städte (Cluster 3) sowie schrumpfende, ländliche Gemeinden, die im westfälischen Vergleich am Rande liegen (Cluster 4).

Nach Aussage der Studie ist Westfalen-Lippe eine Region, die nicht den demografischen und wirtschaftlichen Trends in Deutschland folgt. In Westfalen-Lippe gebe es wirtschaftlich starke ländliche Räume, die noch Bewohner anziehen können. Doch wenige Kilometer entfernt fänden sich vom Strukturwandel geprägte Großstädte, die lange Zeit Einwohner verloren hätten und bereits deutlich gealtert seien.

"Da ist das bislang junge Münsterland mit seiner rasant wachsenden Universitätsstadt im Zentrum. Im westfälischen Ruhrgebiet gleich nebenan sind die Bewohner im Schnitt schon einige Jahre älter", heißt es in der Studie. "Und während die Großstädte an Emscher und Ruhr noch immer mit einer hohen Arbeitslosigkeit zu kämpfen haben, gehen vielen Betrieben im ländlich geprägten Südwestfalen und in Ostwestfalen-Lippe zunehmend die Arbeitskräfte aus. Trotz guter Jobangebote ziehen dort die jungen Bewohner in Richtung der urbanen Zentren. Die Dörfer werden leerer und die Versorgung wird schwieriger."

Somit stehen die westfälischen Teilregionen vor ganz unterschiedlichen Aufgaben. Die Studie hat untersucht, mit welchen Ideen die verschiedensten Akteure in den Regionen versuchen, die Versorgung auf dem Land weiterhin zu sichern und Fachkräfte anzulocken.

"In Westfalen sehen wir, dass wirtschaftlich erfolgreiche Regionen mit guten Arbeitsmöglichkeiten nicht automatisch auch junge Menschen halten oder gewinnen können", so ein Fazit der Studie. Die häufig geäußerte Annahme, es müsste nur genug Arbeitsplätze geben, dann könnte die Landflucht gestoppt werden, bestätige sich in manchen Gebieten Westfalens nicht. Die klein- und mittelständischen Betriebe stehen sogar vor einem doppelten Problem. Die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer und damit ein Großteil ihrer Belegschaft gehen demnächst in Rente, während die Jahrgänge mit dem potenziellen Nachwuchs dünner besetzt sind und die jungen Menschen zum Teil auch noch fortziehen.

"Um diese Lücke einigermaßen zu schließen, reicht ein Ansatz allein nicht aus", sind sich die Forscher sicher. Einerseits müssen die vor Ort noch schlummernden Arbeitskräftepotenziale besser genutzt werden. Das können Frauen sein, die bislang aufgrund familiärer Aufgaben kaum beruflich tätig sind. Oder ältere Arbeitnehmer, deren Kompetenzen mit gezielten Weiterbildungen auch jenseits der 50 möglichst lange im Betrieb gehalten werden. Andererseits müssen Unternehmen ihre Suche nach Fachkräften räumlich weiter ausdehnen. Manche tun dies, indem sie IT-Experten täglich mit einem Bus aus einer Großstadt abholen und zum ländlichen Firmensitz bringen. Andere, indem sie Auszubildende aus Spanien mit attraktiven Arbeitsbedingungen ins Münsterland locken.

Regionale Bündnisse
"Trotz vieler guter Ideen werden die Unternehmen im Wettbewerb um die weniger werdenden Fachkräfte aber kaum bestehen können, solange sie auf sich allein gestellt sind", so die Wissenschaftler des Berlin-Instituts. "Die Lebensbedingungen vor Ort, von der Schule bis zu den Versorgungsangeboten, spielen ebenfalls eine Rolle dabei, ob sich Fachkräfte für ein Jobangebot fern der Zentren entscheiden." Daher werden regionale Bündnisse von Unternehmen, Kommunen und Verbänden immer wichtiger.

Denn dort, wo die Jungen wegziehen, die Menschen weniger werden und vor allem Ältere zurückbleiben, verschwinden Versorgungsangebote und lassen die Lebensqualität sinken. Die Studie zeigt an vielen Beispielen, wie sich dies verhindern lässt, etwa mit wohnortnahen medizinischen Versorgungangeboten oder neuen, flexiblen Mobilitätslösungen. "In den westfälischen Teilregionen werden schon an vielen Orten innovative Konzepte erprobt, wie das Landleben auch bei schwindender Versorgung weiterhin gut funktionieren kann", heißt es weiter.
So beliefert ein regionaler Online-Händler Menschen aus Siegen und Umgebung mit Lebensmitteln und sonstigen Waren aus dem Sortiment lokal ansässiger Einzelhändler. Eine Dorfinitiative erprobt ein Car-Sharing-Modell, bei dem die Bewohner die Kleinbusse selbst fahren oder mit ehrenamtlichen Fahrer mieten können.

Die Studie sowie die demografischen und wirtschaftlichen Daten aller 231 westfälischen Gemeinden für die Clusteranalyse stehen als Download zur Verfügung unter: https://www.berlin-institut.org/publikationen/studien/eine_region_viele_aussichten



Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org




Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


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