Mitteilung vom 08.11.18
Presse-Infos | Kultur
Experimente in Licht und Bewegung
LWL-Museum für Kunst und Kultur zeigt, wie Bauhaus-Ideen in Amerika den Kunstbegriff erweitern
Münster (lwl). Das Bauhaus ist mehr als das gebaute Manifest oder ikonisches Design. Mit seinem innovativen Anliegen, die strengen Grenzen zwischen bildender, darstellender und angewandter Kunst aufzulösen, prägte das Staatliche Bauhaus zahlreiche Künstlerinnen und Künstler der Moderne.
Das LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster überschreitet mit der Ausstellung "Bauhaus und Amerika. Experimente in Licht und Bewegung" (9. November 2018 bis 10. März 2019) ebenfalls Grenzen: Bewusst richtet es den Blick auf die wechselseitigen Beziehungen der um 1930 nach Amerika emigrierten Bauhäusler zu amerikanischen Kunstschaffenden und konzentriert sich dabei auf das bisher wenig beachtete Feld von Licht- und Bewegungsexperimenten. Mehr als 150 Arbeiten aus dem Bereich Malerei, Skulptur, Fotografie und Film ermöglichen einen Einblick in das Schaffen von über 50 Künstlerinnen und Künstlern.
In der von Walter Gropius 1919 in Weimar gegründeten Kunstschule war die interdisziplinäre Zusammenarbeit aller Gewerke und Künste das Grundprinzip der Lehre. Nach der Schließung des Bauhauses in Dessau 1932 und in Berlin 1933 durch die Nationalsozialisten emigrierten viele ehemalige Bauhäuslerinnen und Bauhäusler nach Amerika. Als Professoren an wegweisenden Kunstinstitutionen wie dem Black Mountain College in North Carolina oder dem New Bauhaus in Chicago brachten sie bedeutende, vom Bauhaus geprägte Ideen in die USA und entwickelten sie dort weiter. Durch die fruchtbaren Interaktionen entstand ein erweiterter - grenzüberschreitender - Kunstbegriff, der die Kunst- und Kulturszene nach 1945 revolutionierte und bis heute wirksam ist.
Bauhausbühne, Tanz und Performance
Licht und Bewegung waren in den 1920er Jahren zentrale ästhetische Kategorien der künstlerischen Avantgarde. Die Bauhausbühne mit ihrem abstrakten Tanz und mechanischen Bühnen- und Lichtapparaten, aber auch die innovativen Fotografie- und Filmprojekte am Bauhaus zeugen hiervon.
In den amerikanischen Nachfolgeinstitutionen setzt sich diese Freude am Experiment fort. Es entstehen mit Licht- und kinetischer Kunst, experimenteller Film- und Videokunst sowie Tanz- und Performancekunst neue künstlerische Experimentierfelder. Arbeiten von Oskar Schlemmer, Xanti Schawinsky und Andor Weininger aus der Bühnenwerkstatt des Bauhauses verdeutlichen in der Ausstellung den historischen Bezug.
Tanz als Experiment
Für Schlemmer war Tanz Bewegungs- und Raumexperiment, er untersuchte insbesondere das Verhältnis des Bühnenraums zu den Formen und Farben der sich in ihm bewegenden Akteure. Mit der Entstehung einer am Prozess orientierten Performance-Kunst in den 1950er und 1960er Jahren entwickelten amerikanische Choreografen, Tänzer und Künstler - unter ihnen Merce Cunningham, John Cage, Robert Rauschenberg und Bruce Nauman - diese Ansätze weiter, indem sie nach alternativen Bewegungsformen suchten. Sie wandten sich rigoros von den Gesetzen der Bühne ab und erforschten das Verhältnis des Körpers zum Raum, zur Zeit und zur Bewegung.
Lichtkunst, Kinetische Kunst
Lange bevor Kunstströmungen wie Lichtkunst, Kinetische Kunst und Op Art in den 1950er und 1960er Jahren populär wurden, beschäftigten sich zahlreiche Bauhaus-Künstler mit den Themen Licht und Bewegung als integrale Bestandteile der Kunst, darunter László Moholy-Nagy und sein langjähriger Assistent und Kollege nach der Bauhaus-Zeit György Kepes. In den USA wurden die Überlegungen am Institute of Design in Chicago und dem Center for Advanced Visual Studies am Massachusetts Institute of Technology (MIT) fortgeführt.
Am MIT studierten auch Künstler wie Otto Piene, die bedeutende Impulse der Licht- und kinetischen Kunst zurück nach Deutschland brachten. Moholy-Nagys "Licht-Raum-Modulator" (1930) gilt als erste großformatige, kinetische Lichtskulptur. Die Arbeit ist in der Ausstellung täglich 11 und 16 Uhr für 15 Minuten in Aktion zu erleben. Mit Ludwig Hirschfeld-Macks Apparatur für "Farbenlichtspiele" (1923) ermöglicht das Museum eine einmalige Licht-Raum-Erfahrung. Beide Apparaturen sind als Nachbildungen seit langem wieder zusammen in Deutschland ausgestellt.
Experimenteller Film und Fotografie
Moholy-Nagy gilt zudem als Vorreiter der experimentellen Fotografie. In seinen Fotogrammen schuf er experimentelle Bildräume mit bewegtem Licht und testete immer wieder die Grenzen des Mediums aus. An den amerikanischen Schulen beeinflusste er zusammen mit Kepes Fotografen wie Harry Callahan, Aaron Siskind oder Nathan Lerner. Das geeignetste Experimentierfeld, um Licht und Bewegung in reinster Form zum Ausdruck zu bringen, war jedoch der Film als neues Medium künstlerischer Auseinandersetzung. In den Lichtexperimenten der 1920er und 1930er Jahren wurden Farben und Formen zum Tanzen gebracht, Klänge und Töne verbildlicht oder das Licht zum alleinigen Akteur auf der Kinoleinwand erhoben. Bedeutende Werke des Absoluten Films von Viking Eggeling, Hans Richter und Oskar Fischinger sind in der Ausstellung vertreten, aber auch die Arbeit "Rhythm in Light" (1934) der amerikanischen Filmpionierin Mary Ellen Bute.
Op Art
Josef Albers prägte mit seinen Werken und seiner erzieherischen Praxis am Black Mountain College und später in Yale zahlreiche Künstlerinnen und Künstler in den USA. Durch seine Überlegungen zu Optik und Wahrnehmung gilt er als ein Vorbereiter der Op-Art-Bewegung der 1960er Jahre. Seine Publikation "Interaction of Color" (1963) machte die Amerikaner mit dem skeptischen Sehen vertraut. In der Ausstellung sind Arbeiten seiner Schülerinnen und Schüler zu sehen, wie Richard Anuszkiewicz, Julian Stanczak und Sue Fuller. Auch für die illusorische Lichtkunst war Albers von Bedeutung, was durch Werke von Robert Irwin und James Turrell veranschaulicht wird.
Aktualität und Rahmenprogramm - Kooperation mit dem TanzTheaterMünster
Ein weiterer Aspekt findet zum ersten Mal in einer Ausstellung Beachtung: die Rückwirkung dieser vom Bauhaus geprägten Kunstströmungen aus den USA auf die europäische und insbesondere auf die deutsche Kunst - beispielsweise auf die Künstlergruppe ZERO - sowie ihr weitreichender Einfluss auf die Gegenwartskunst.
Die Ausstellung konzentriert sich nicht nur auf Positionen des Bauhauses und seiner amerikanischen Nachfolgeinstitutionen, sondern zeigt auch Werke europäischer und deutscher Künstlerinnen und Künstler der 1950er Jahre bis in die Gegenwart. Darunter sind Arbeiten von Tauba Auerbach, Daria Martin, Barbara Kasten, Marcel Dzama und Johanna Reich.
Eigens für die Ausstellung entwickeln die beiden Choreografen Matthias Markstein und Isaac Spencer die Tanzperformance "MESH", die an acht Terminen im Foyer aufgeführt wird. Das Museum des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) kooperiert darüber hinaus und im Sinne der ganzheitlichen Auffassung des Bauhauses erstmals mit dem TanzTheaterMünster, das mit "Unknown Territories" einen spartenübergreifenden Abend entwickelt hat.
"100 jahre bauhaus im westen" ist ein Projekt des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen und der Landschaftsverbände Rheinland (LVR) und Westfalen-Lippe (LWL). Förderer der Ausstellung sind das Land Nordrhein-Westfalen, die Provinzial Stiftung für das LWL-Museum für Kunst und Kultur, der Kunststiftung NRW, die LWL-Kulturstiftung sowie die Freunde des Museums für Kunst und Kultur Münster e. V. und die Stiftung kunst³, der Stifterkreis des Museums.
Katalog
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog (deutsch oder englisch) im Kerber Verlag, Bielefeld. Die Museumsausgabe ist für 27 Euro erhältlich.
Einen kleinen Einblick zur Ausstellung finden Sie unter diesem Video-Link:
https://www.video.lwl.org/kultur/bauhaus-und-amerika-lwl-museum-fuer-kunst-und-kultur?&single=1
Tanzperformance MESH
9./10. November 2018, 17-18 Uhr
29./30. Dezember 2018, 17-18 Uhr
2./3. Februar 2019, 16-17 Uhr
9./10. März 2019, 16-17 Uhr
Licht-Raum-Modulator
Täglich 11 und 16 Uhr, 15 Minuten
Vorträge
Freitag, 14. Dezember 2018, 19.30 Uhr
"Isn't that bauhausy?" - Fotografie am Institute of Design, Chicago
Kristina Lowis (Berlin)
Freitag, 1. Februar 2019, 19.30 Uhr
Die Bauhausbühne als pädagogisches Konzept: Xanti Schawinsky und Oskar Schlemmer
Torsten Blume (Bauhaus-Archiv, Dessau)
Donnerstag 7. Februar 2019, 19.30 Uhr
Die Bauhaus-Bühne und ihr Einfluss auf Amerika
Dr. Sigrid Pawelke (Aix-en-Provence)
Öffentliche Führungen
Jeden Samstag und Sonntag, 14-15 Uhr
Kuratorinnenführungen
Mittwoch, 12. Dezember 2018, 16.30-17.30 Uhr mit Kristin Bartels
Donnerstag, 17. Januar 2019, 16.30 - 17.30 Uhr, mit Dr. Tanja Pirsig-Marshall
Dienstag, 12. Februar 2019, 16.30 - 17.30 Uhr, mit Kristin Bartels
Freitag, 1. März 2019, 16.30 - 17.30 Uhr, mit Dr. Tanja Pirsig-Marshall
Führung buchen
besucherbuero@lwl.org
T +49 251 5907 201
Öffnungszeiten
Dienstag bis Sonntag 10-18 Uhr
am zweiten Freitag im Monat bis 22 Uhr
Junge Nacht Freitag, 11.1.19
Familientag Sonntag, 10.2.19
LWL-Museum für Kunst und Kultur
Domplatz 10
48143 Münster
+49 251 5907 201
museumkunstkultur@lwl.org
http://www.lwl-museum-kunst-kultur.de
http://www.bauhaus-amerika.de
Statements
Matthias Löb, Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL)
"Wir erzählen mit 'Bauhaus in Amerika', dass das Bauhaus - übrigens durchaus mit internationalen Künstlerinnen und Denkern - den Ausgang zwar in Deutschland nahm. Nachdem viele Bauhaus-Künstler aber aus Deutschland emigrieren mussten, hat sich die Bauhaus-Idee in den USA zu neuer Blüte entwickelt. Nach dem Zweiten Weltkrieg schwappten diese Ideen wieder zurück nach Europa und beeinflussten dort maßgeblich die Kunst. Das Bauhaus ist also mitnichten in Dessau, Weimar und Berlin stehen geblieben. Mit künstlerischem Schaffen zum Beispiel von westfälischen Künstlern wie den Eheleuten Albers oder Otto Piene werden wir das belegen.
Der zweite Aspekt in der Ausstellung erschließt sich aus dem Untertitel 'Experimente in Licht und Bewegung'. Wir wollen nämlich auch zeigen, dass das Bauhaus viel mehr ist als funktionale Möbel, quadratische Häuser und schickes Design. Das Bauhaus hatte den Anspruch, die Welt neu zu denken. Und deswegen war das Bauhaus von Anfang an auch immer die Lust am Experiment, also auch am Rauen, am Unfertigen. Experimente, die sich auch nicht an herkömmliche Gattungsgrenzen gehalten haben.
Ausgehend vom Bauhaus als interdisziplinärem Laboratorium für Licht- und Bewegungsexperimente zeigen wir ein Spektrum von Licht- und kinetischer Kunst über den Experimentalfilm bis hin zu Tanz- und Performancekunst. Vieles davon ist weit weg vom heutigen Wikipedia-Wissen über das Bauhaus. Wir bleiben dabei auch nicht in der Vergangenheit stehen, sondern überlegen, was die Bauhaus-Idee uns auch heute noch zu sagen hat - in Zusammenarbeit mit dem Tanztheater."
Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger, LWL-Kulturdezernentin
"Erstmalig haben sich die beiden Landschaftsverbände Westfalen-Lippe (LWL) und Rheinland (LVR) mit dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein- Westfalen zusammengeschlossen, um das Jubiläum "bauhaus 100 im westen" zu feiern. Über 40 lokale und regionale Partner und Museen gehen den Spuren des Bauhauses im Westen nach. Eine davon führt zu Henry van de Velde und dem Sammler und Mäzen Karl Ernst Osthaus, die entscheidende Vorarbeit leisteten: in Westfalen und im Rheinland wurden die Weichen für die berühmte Reformschule gestellt."
Dr. Hermann Arnhold, Direktor des LWL-Museums für Kunst und Kultur
"In der Sammlung des Museums befinden sich nicht nur Werke zahlreicher Bauhaus- Künstler, mit Josef Albersâ¿¿ 'Supraporten' und Otto Pienes 'Silbernen Frequenz' sind zwei vom Bauhaus geprägte Künstler an der Fassade des Museums weithin sichtbar. Von zentraler Bedeutung für die Ausstellung ist die institutionsübergreifende Kooperation mit dem TanzTheaterMünster, die ganz im Sinne des Bauhauses geleitet ist von der Überwindung der Gattungsgrenzen. Mit dieser Verschränkung von bildender und darstellender Kunst, die sich in der Ausstellung fortsetzt, heben wir uns entscheidend von anderen Projekten im Bauhaus-Jahr ab."
Dr. Tanja Pirsig-Marshall, Kuratorin der Ausstellung
"Die Ideen des Bauhauses wurden in den USA vor allem durch die Lehre von Persönlichkeiten wie Josef Albers und László Moholy-Nagy vorangetrieben, die ihre Studierenden zum Experimentieren mit unterschiedlichen Medien, Materialien und Technologien anregten. Diese künstlerische Offenheit ist auch noch für die zeitgenössische Kunst relevant. In der Ausstellung geht es uns jedoch weniger darum, eine einseitige Beeinflussung der amerikanischen Kunst durch die Bauhäusler nachzuweisen, sondern vielmehr um die fruchtbaren wechselseitigen Interaktionen, die sich auf die Entwicklung von Licht- und kinetischer Kunst, experimentellen Film und Fotografie, Op Art, Tanz und Performancekunst auswirkten."
Kristin Bartels, Kuratorin der Ausstellung
"In der Ausstellung werden unerwartete und interessante Bezüge im Leben und Werk von Künstlerinnen und Künstlern sichtbar, die bisher selten im Fokus standen. Für mich sind besonders die Positionen spannend, die für die amerikanische Avantgarde bedeutsam waren, aber heute leider in Vergessenheit geraten sind. Wir zeigen auch Werke kaum bekannter amerikanischer Künstlerinnen, wie Sue Fuller und Lillian Florsheim, die damit erstmals in Deutschland ausgestellt sind."
Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235 und Judith Frey, LWL-Museum für Kunst und Kultur, Telefon: 0251 5907-209, judith.frey@lwl.org
presse@lwl.org
LWL-Einrichtung:
LWL-Museum für Kunst und Kultur
Tel.: 0251 5907-210
Domplatz 10
48143 Münster Karte und Routenplaner
Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
Der LWL auf Facebook:
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