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Mitteilung vom 30.04.18

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LWL zeichnet das "Landhaus Ilse" in Burbach als Denkmal des Monats aus

Bewertung:

Burbach (lwl). Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe ( LWL) hat das "Landhaus Ilse" am Erzweg 3 in Burbach (Kreis Siegen-Wittgenstein) als Denkmal des Monats ausgezeichnet. Lange Zeit war nicht bekannt, dass das "Landhaus Ilse" die einzige bekannte Kopie des Musterhauses "Am Horn" in Weimar ist. Dieses Haus war der Beitrag zur Bauhausausstellung 1923 von Georg Muche und Walter Gropius, das seit 1996 als Weltkulturerbe in der Denkmalliste der Vereinten Nationen verzeichnet ist. Im Gegensatz zum Haus "Am Horn" in Weimar, das aufgrund umfangreicher Umbau- und auch Rekonstruktionsmaßnahmen nur noch relativ wenig originale Substanz aus den 1920er-Jahren aufweist, bietet das "Landhaus Ilse" der Forschung und dem Betrachter ein große Fülle ursprünglicher Befunde.

"Versteckt hinter regionaltypischen Attributen wie Eternitverkleidung und sprossierten Kastenfenstern fristete der Bau, der mit seiner ungewöhnlichen Form so gar nicht zu diesen Stilblüten passen will, lange Zeit ein Dasein fernab der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit", sagt LWL-Denkmalpfleger Tobias Venedey. "Erst 2001 als das Haus verkauft wurde, hat sich die neue Eigentümerin dafür eingesetzt, dass der Denkmalwert des Hauses überprüft wurde. Dabei wurde nach und nach die Bedeutung des ungewöhnlichen Baus deutlich, und die Gemeinde Burbach hat das Haus in die Denkmalliste eingetragen."

Das als Atriumhaus mit überhöhtem Mittelbau konzipierte Gebäude wurde nach jetzigem Wissensstand 1924 als Gästehaus der "Grube Sachtleben AG" der Westerwald-Brüche AG gebaut. Nach dem Niedergang des Betriebes erstritt sich 1927 dessen ehemaliger Direktor Friedrich Willi Gustav Adolf Grobleben (1883 - 1964) das Gästehaus als Abfindung, das er bis zu seinem Tod 1964 bewohnte. Das heute als "Landhaus Ilse" bekannte Gebäude blieb bis zum Tod der namensgebenden Tochter Groblebens im Jahr 2000 in Familienbesitz.

"Weil sowohl Ilse als auch ihre Eltern ein recht zurückgezogenes Leben führten, ist das Gebäude nahezu unverändert erhalten. Der darauffolgenden Eigentümerin ist es nicht nur zu verdanken, dass das Haus, für das es auch Abbruchpläne gab, heute noch vorhanden ist, sondern auch dass sie dringend erforderliche Reparaturen ausgeführt hat und dass das Haus 2001 in die Denkmalliste eingetragen werden konnte", lobt Venedey.

Hintergrund
Das Besondere an dem Haus ist laut Venedey nicht nur das Alter und die ungewöhnliche Bauform des Gebäudes oder seine vollständig erhaltenen, bauzeitlichen Wandfassungen, sondern die Tatsache, dass es die einzige bekannte Kopie des Musterhauses "Am Horn" in Weimar ist. "Die Übereinstimmungen zwischen beiden Bauten sind mehr als verblüffend. Bis auf eine in Burbach nachträglich entfernte Trennwand und geringe Abweichungen in der Positionierung von Türöffnungen gleichen sich die Grundrisse der beiden quadratischen Bauten bei nahezu identischen Dimensionen", erklärt Venedey. "In Burbach wurden die geordnete Struktur und die Funktionalität des Bauhausentwurfs übernommen, die schlichte Ästhetik im Äußeren mit klaren Formen und nüchternen Fensterbändern aber nicht."

Trotz intensiver Recherchen und öffentlicher Aufrufe konnten die LWL-Denkmalpfleger bislang keine weiteren Informationen zur Baugeschichte des Burbacher Bauhausklons finden. "Dies ist umso bedauerlicher, als es aus heutiger Sicht absolut unbegreiflich erscheint, wie in den 1920er-Jahren ein architektonischer Avantgardeentwurf, der ohne bekannte Nachfolger blieb, innerhalb kürzester Zeit seinen Weg in das zwar preußische, aber dennoch von Weimar weit entfernte Siegerland fand", so Venedey.

Die Abweichungen von dem idealisierten Prototypen in Weimar zeigen, wie die neuen Ideen in ihrer Zeit bereits übernommen und weitergeführt wurden. Dies gilt auch für die mitunter recht farbgewaltigen Wandgestaltungen im Inneren des "Landhauses Ilse", die sich mit der weit verbreiteten Vorstellung einer nüchtern-sachlichen Bauhausarchitektur nicht in Einklang bringen lassen. Auf die Farbenlehre des Bauhauses sind auch die nur wenig später entstandenen Meisterhäuser in Dessau mit ihrer ausdrucksstarken Farbgebung zurückzuführen. Damit lässt sich im Burbacher Haus die unterschiedlich einfarbige Erstfassung gut vergleichen, die in verschiedenen Räumen nachweisbar ist. Die Zweitfassung, die der Umnutzung des ehemaligen Gästehauses als Privatwohnsitz durch Grobleben im Jahr 1927 zuzuordnen ist, weicht mit den vertikalen, kontrastierenden Streifenmustern und minimalistischen Ornamentrapporten bereits deutlich davon ab. Bei einer Voruntersuchung im Frühjahr 2018 haben die Restauratoren Musterbücher dieser Zeit ausfindig gemacht, in denen sich solche Dessins wiederfinden. Grobleben war also gestalterisch absolut auf der Höhe der Zeit.

"Im September 2016 ging das "Landhaus Ilse" durch Schenkung in das Eigentum der Gemeinde Burbach über." Die Gemeinde möchte das Gebäude einer sinnvollen, möglichst öffentlichen Nutzung zuführen. Zur Zeit entwickeln Architekturstudierende der Universität Siegen Nutzungskonzepte für das Haus.



Pressekontakt:
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