LWL-Newsroom
Mitteilung vom 01.06.17
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Achtung Redaktionen: Freigabe ab Donnerstag, 01.06.2017, 18:00 Uhr
Redetext zur Ausstellungseröffnung "Triumph ohne Sieg. Roms Ende in Germanien"
Redetext zur Ausstellungseröffnung "Triumph ohne Sieg. Roms Ende in Germanien" am 01.06.2017 um 18:00 Uhr im Festzelt vor dem LWL-Römermuseum in Haltern am See Dieter Gebhard, Vorsitzender der der LWL-Landschaftsversammlung
- Es gilt das gesprochene Wort -
Anrede,
ich freue mich, Sie heute Abend hier in Haltern wieder einmal zu einer Ausstellungseröffnung begrüßen zu dürfen. Die meisten von Ihnen werden sich an die letzte Eröffnung erinnern vor 8 Jahren; am 16. Mai 2009 wurde die großartige "IMPERIUM" - Ausstellung aus Anlass der 2000-sten Wiederkehr der Schlacht im Teutoburger Wald eröffnet.
Heute haben wir wieder einen Anlass, der 2000 Jahre her ist - oder besser gesagt -sogar zwei Anlässe, die 2000 Jahre zurück liegen.
"Triumph ohne Sieg. Roms Ende in Germanien"
So heißt die Sonderausstellung des LWL-Römermuseums aus Anlass der 2000-sten Wiederkehr der Beendigung der Germanienkriege im Winter 16/17 n. Chr. durch Kaiser Tiberius - erstens - und des Triumphes des Feldherrn Germanicus dazu in Rom - zweitens - am 26. Mai 17 n. Chr., somit vor 2.000 Jahren und 6 Tagen.
Darüber - meine sehr verehren Damen und Herren - könnte ich auf Grund lebhafter Erzählungen meines Freundes Wilm Brepohl und umfangreicher schriftlicher Informationen des Leiters unseres LWL-Römermuseums Haltern, Herrn Dr. Rudolf Aßkamp, beide ausgewiesene Experten römischer Geschichte, ganze historische Seminare bestreiten. Das muss ich mir natürlich verkneifen. Aber auf das eine oder andere Detail möchte ich schon gern eingehen.
Bei Tacitus - beispielsweise - kann man lesen, dass in Rom vor den genannten ziemlich genau 2.000 Jahren ein Spektakel stattfand.
Nero Claudius Drusus GERMANICUS feierte seinen vermeintlichen Triumph.
Nun:
Wir wissen es besser.
Nach der verheerenden Varusniederlage im Jahre 9 n. Chr. nämlich erschienen germanische Krieger nicht - wie befürchtet - auf der anderen, der westlichen Rheinseite. Noch im Winter 9 auf 10 n. Chr. überquerte der Neffe des Varus, Lucius Asprenas, den Strom und befreite u.a. die in Aliso - dem heutigen Haltern am See - belagerten Römer.
Tiberius, dem 5 Jahre zuvor Quinctilius Varus im Oberkommando gefolgt war, übernahm dieses wieder im Frühjahr 10 n. Chr. Spätestens im folgenden Jahr überquerte er mit seinen Truppen den Rhein und blieb dort bis zum Spätherbst.
Aber dort passierte nach den uns vorliegenden Überlieferungen rein gar nichts Triumphales.
Auch danach nicht.
Im Jahr 15 gelingt es Germanicus, das Schlachtfeld der Varusschlacht aufzusuchen und dort die noch umherliegenden sterblichen Überreste der Truppen des Varus zu bestatten, von Tacitus detailreich beschrieben.
Nur mit der genauen Angabe der Örtlichkeit war er nicht detailliert genug, und der Teutoburger Wald ist groß:
Das hat bis heute zu dem seit Jahrhunderten erbittert geführten Streit um die Örtlichkeit der Schlacht des Jahres 9 n. Chr. geführt.
Nach vielen Niederlagen und den damit verbundenen Verlusten an Menschen und Material konnte Germanicus im Sommer des Jahres 16 n. Chr. endlich zwei Siege gegen Arminius und seine Koalition aus germanischen Stammeskriegern erringen.
Der Feldzug des Sommers 16 n. Chr. musste aber aus logistischen Gründen schließlich abgebrochen werden und endete katastrophal. Der Teil des Heeres, der mit der Flotte transportiert wurde, geriet in Seenot. Viele ertranken, strandeten an der Nordseeküste, Teile soll es bis nach Britannien verschlagen haben.
Wohl nur, um zu demonstrieren, dass er weiterhin über ein schlagkräftiges Heer verfüge, ließ Germanicus im Herbst desselben Jahres den Gaius Silius mit 30.000 Mann Fußtruppen und 3.000 Reitern bei den wieder unruhig gewordenen Chatten einmarschieren. Und er selbst ging gegen die Marser vor, wo ihm mit Unterstützung eines übergelaufenen Fürsten die Rückholung des zweiten Adlers aus der Varusschlacht gelang.
Ohne auf weitere Scharmützel einzugehen komme ich zu einem Fazit:
Zwei zurückeroberte Legionsadler und die gefangene Frau des Arminius, Thusnelda, wogen die Tausenden von Toten der letzen Feldzüge und die gewaltigen Kosten wohl kaum auf.
Das soll nach drei Jahren Krieg ein endgültiger Sieg über die germanische Koalition gewesen sein?
War dies quasi eine Zurückgewinnung der schon im Jahr 7 v. Chr. zur Provinz erklärten Gebiete?
Und:
Hatte es sich wirklich gelohnt, derartige Opfer für die Erhaltung eines Gebietes, das nicht reich war, das keine unermesslichen Bodenschätze aufwies und keine strategische Bedeutung hatte, gebracht zu haben?
Bis zu einem Viertel der eingesetzten Truppen hatten die dreijährigen Kriegszüge nicht überlebt. Die Elbe war in Wirklichkeit nicht erreicht worden. Arminius war trotz zweier Niederlagen nicht endgültig besiegt. Vermutlich konnten keine neuen Stützpunkte angelegt und Tribute konnten ebenfalls nicht eingetrieben werden. Ganz abgesehen von dem Leid und Elend, welches die Kriegszüge über die germanische Bevölkerung gebracht hatten, was für die römische Seite natürlich nicht zählte.
Roms Ende in Germanien trotzdem als Triumph zu feiern⿊
Heute gibt es eine Wortschöpfung, die das beschreibt:
"fake news" für das Volk in Rom - geglaubt haben es alle - weil sie es glauben wollten oder aber für dumm verkauft wurden.
Mit dem Rückzug der Römer auf die linke Rheinseite hielt dort in den beiden Provinzen Ober- und Niedergermanien römische Kultur weiter ihren Einzug; Städte wurden gegründet an den Orten der ehemaligen Legionslager.
Rechts des Rheins verharrte die germanische Bevölkerung in ihren überkommenen Stammesstrukturen.
Dies ist die Wende in der römischen Außenpolitik, die für die nächsten Jahrhunderte die Entwicklung westlich und östlich des Rheins maßgeblich bestimmte - bis heute.
Aber auf die Mentalitätsunterschiede der Rheinländer und Westfalen möchte ich hier nicht näher eingehen ⿊
Zusammen gefasst:
"Triumph ohne Sieg. Roms Ende in Germanien".
Vor dem skizzierten historischen Hintergrund sind in der Ausstellung in vier Abteilungen die Themen dargestellt bzw. miteinander verbunden worden.
In der ersten Abteilung werden die Besucher quasi zu Zuschauern beim Triumphzug des Germanicus.
Bevor dieser Triumphzug in eine allgemeine Darstellung des römischen Triumphzuges mündet, geht es in die zweite Abteilung, die die Vorgeschichte dieses Triumphes vom 26. Mai 17 n. Chr. in Westfalen und Nordwestdeutschland behandelt. Natürlich werden hier die Orte unserer altbekannten Römerlager an der Lippe, Holsterhausen, Haltern, Oberaden, Anreppen usw. vorgestellt.
Übrigens:
Besonders mutig finde ich es von unseren Archäologen in Haltern, Kalkriese nicht als den Ort der Varusschlacht anzusprechen, sondern das Geschehen, das sich dort im Boden abbildet, mit den Kämpfen der Germanicus-Truppen des Jahres 15 n. Chr. zu verbinden. Weitere Fragen dazu bitte an Dr. Aßkamp, das Eis ist mir zu dünn.
Die dritte Abteilung der Ausstellung widmet sich ganz dem "Römischen Triumph" und den zentralen Fragen, wer, wann, wie und aus welchem Anlass im antiken Rom einen Triumphzug abhalten durfte.
Mit einer Vielzahl an hochkarätigen Leihgaben aus internationalen Museen und Sammlungen wird die Organisation eines Triumphes im antiken Rom veranschaulicht, angefangen von den Vorbereitungen bis hin zur Gliederung des Zuges durch das Zentrum der Stadt und dem abschließenden Opfer auf dem Kapitol.
Die vierte und letzte Abteilung bietet dann einen Blick in die Zukunft von Aliso, wie sie hätte stattfinden können, wenn sich die Römer nicht wieder über den Rhein zurückgezogen und die Germanen sich selbst überlassen hätten.
"Triumph ohne Sieg. Roms Ende in Germanien" dürfte der letztmögliche Anlass sein, ein 2.000-Jahr Jubiläum mit den Römern in Westfalen zu verbinden.
Der LWL hat es sich zur Aufgabe gemacht, Gedenktage und Jubiläen historischer Daten zu beachten, sie zur Pflege des kulturellen Erbes zu würdigen und angemessen daran zu erinnern.
Sie bieten zudem die Gelegenheit zu wissenschaftlicher Aufarbeitung und Veröffentlichung von lange brach liegenden Themen und zur Organisation attraktiver Ausstellungen und Veranstaltungen für die interessierte Öfentlichkeit.
Ich bin sehr froh, dass unser LWL-Römermuseum daran festgehalten hat, diese für den weiteren Verlauf unserer westfälischen Geschichte so wichtigen Ereignisse vor 2.000 Jahren in einer prächtigen Ausstellung zu thematisieren.
Es sind mindestens so wichtige Ereignisse wie die Varusschlacht, an die der LWL mit Partnern in gebührender Weise 2009 in Detmold, Haltern und Kalkriese erinnert hat.
Wer, wenn nicht wir, der LWL mit seinem Römermuseum, sollte dies sonst in NordWestDeutschland tun. Liefern wir doch mit unseren Römerlagern an der Lippe nach wie vor die Hauptereignisorte dieser kurzen, aber historisch bedeutungsvollen Zeitspanne zwischen 12 v. Chr. und 16. n. Chr..
Zum Schluss möchte ich Dank sagen:
Herrn Dr. Aßkamp und seinem engagierten Team im LWL-Römermuseum Haltern, den anderen Dienststellen und Einrichtungen des LWL, die an der Vorbereitung der Ausstellung beteiligt waren sowie allen Förderern, die unsere Ausstellung finanziell ermöglicht und unterstützt haben.
Für die nächsten 5 Monate wünsche ich der Ausstellung gute Besucherzahlen!
Ich schließe mit einem Dank für Ihre Aufmerksamkeit und einem herzlichen
Glück auf!
Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org
LWL-Einrichtung:
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