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Mitteilung vom 14.10.15

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Eine Einheit bei der kein Haus dem anderen gleicht

LWL zeichnet Zechensiedlung Teutoburgia als Denkmal des Monats aus

Herne (lwl). Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) hat die Zechensiedlung Teutoburgia in Herne als Denkmal des Monats ausgezeichnet. Beim Bau der Zechensiedlung ab 1909 wollte der ¿Bochumer Verein für Bergbau und Gußstahlfabrikation¿ jedem Angestellten mit seiner Familie den Rückzug ins Private ermöglichen. Wichtig war den Auftraggebern von Architekt Otto Berndt auch die gestalterische Vielfalt. So entstand eine Siedlung im Baukastensystem, die als Einheit zu erkennen ist, bei dem aber fast keines der 136 Häuser dem anderen gleicht.

¿Dem Architekten ist es gelungen, einen Ausgleich zwischen der Vielfalt anspruchsvoller Einzelarchitekturen und dem harmonischen Zusammenhang der Siedlungseinheit zu erreichen. Dieses Gestaltungsziel ist bis heute in der Zechensiedlung erlebbar¿, sagt LWL-Denkmalpflegerin Judith Sandmeier. Um die bauliche und gesellschaftshistorische Aussage der Siedlung zu erhalten, hatte die Stadt Herne 1992 eine Denkmalbereichssatzung erlassen. In Zusammenarbeit mit der LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur wurde diese Satzung jetzt aktualisiert. ¿Diese neue Version der Satzung soll gemeinsam mit der Gestaltungssatzung und dem Bebauungsplan den historischen Zeugniswert der Siedlung für die gegenwärtige und zukünftige Generationen erhalten¿, so Sandmeier. ¿Wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist dazu auch im 21. Jahrhundert immer ein Ausgleich zwischen den privaten Interessen und der gestalterischer Einheit notwendig. Auch in diesem Bemühen setzt die Siedlungsgemeinschaft heute die von Otto Berndt und dem Bochumer Verein begründeten Traditionen fort¿, so die LWL-Denkmalpflegerin weiter.

Hintergrund
Der ¿Bochumer Verein¿ beauftragte 1908 Otto Berndt mit der Planung einer unmittelbar neben der Zeche Teutoburgia gelegenen Arbeitersiedlung. Für den Entwurf der Anlage samt der äußeren und inneren Gestalt ihrer Wohnhäuser stand für den Bauherrn ein Aspekt besonders im Vordergrund: Von der Haustür bis zum rückwärtigen Gartenbereich sollten die Bewohner der einzelnen Doppel- und Mehrfamilienhäuser getrennte Lebens- und Arbeitsbereiche bekommen. Für die Trennung der Wohneinheiten wurden soweit möglich sogar die Wohnungseingänge an jeweils unterschiedlichen Seiten eines gemeinsamen Hauses angelegt. Dieses Prinzip der getrennten Wohn- und Wirtschaftsbereiche wurde nicht nur in dem zwischen 1909 und 1911 errichteten Kernbereich der Siedlung verfolgt, sondern auch in den 1912, 1913 und 1918 hinzugekommenen Erweiterungen und den Reihenhäusern des 1921bis 1923 erbauten Teutoburgiahofs durchgesetzt.

Damit die einzelnen Wohneinheiten ein selbständiges Leben ermöglichen konnten, benötigten sie eigene Herdstellen sowie eigene Gartenbereiche. Aufgrund der zahlreichen Herdstellen gab es eine Vielzahl an Kaminen pro Wohnhaus. Diese sorgten für eine bewegte Siedlungssilhouette. Die durchschnittlich 200 bis 250 Quadratmeter großen Gartengrundstücke waren zwar einheitlich durch niedrige Hecken und Jägerzäune abgegrenzt, boten aber Gestaltungsspielräume, die zum Anbau von Gemüse, zur Aufzucht von Kleintieren oder zum Bleichen der Wäsche genutzt wurden.

Um die Wohnungen und Häuser individuell zu gestalten, entwarf Berndt 21 Typen von ein- bis zweigeschossigen Wohngebäuden, die er im Baukastensystem mit kleinen An- und Aufbauten erweiterte. Mit verschiedenen Baudekoren und Materialien sowie verschiedenfarbigen Gliederungselementen und Architekturdetails gestaltete er die Fassaden der Häuser so unterschiedlich, dass fast keines dem anderen glich. Anstelle des monotonen Erscheinungsbildes einer als Einheit geplanten Siedlung sollte der Eindruck einer mit der umgebenden Landschaft gewachsenen, malerischen Kolonie treten. Das angestrebte Bild einer dörflichen Idylle diente auch dazu, die Identifikation der angesiedelten Arbeiter mit ihrer neuen Heimat zu stärken.

Anstatt die Häuser streng nebeneinander aufzureihen, wurden sie versetzt an den meist leicht geschwungenen Straßen angeordnet. ¿Für den Betrachter ergab sich durch die vor- und zurückspringenden Straßenfluchtlinien und die dadurch begrenzten Sichträume im Zusammenspiel mit den unterschiedlichen Architekturdetails und der bewegten Silhouette ein vielfältiges, aber dennoch überschaubares Straßenbild¿, so Sandmeier. ¿Gerahmt wurde dieser lebendige und trotzdem wohlgeordnete Siedlungscharakter vom straßenbegleitenden Grün der Alleen. Die beiden öffentlichen Grünflächen am Teutoburgiahof und an der südlichen Baarestraße waren in ihrer Ausgestaltung als Flächen für die Siedlungsgemeinschaft konzipiert. Denn trotz aller Privatheit sollte in der Außenwahrnehmung der Siedlungszusammenhang im Vordergrund stehen.¿ Auch die von der Straße aus einsehbaren privaten Vorgärten der Siedlungshäuser waren daher nach Auflage des Bochumer Vereins möglichst einheitlich zu gestalten.



Pressekontakt:
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
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