Mitteilung vom 29.01.15
Presse-Infos | Kultur
Das Licht nimmt zu und die Vorräte nehmen ab
Winterbräuche in Westfalen sind nah am bäuerlichen Wirtschaften
Westfalen (lwl). ¿Traditionell war die Adventszeit ja eine braucharme, stille Zeit, die der Vorbereitung auf ein christliches Hochfest gewidmet war. Nach Weihnachten ging es dafür umso lustiger zu¿, berichtet Christiane Cantauw, die Geschäftsführerin der Volkskundlichen Kommission beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL). In der Zeit nach Weihnachten gibt es viele Feste und Bräuche, die sich mit der relativen Arbeitsruhe in der ländlichen Gesellschaft gut in Einklang bringen ließen. Neben Silvester und dem Epiphaniastag (6.1.), besser bekannt als Dreikönigstag, boten Mariä Lichtmeß (2.2.), Petri Stuhlfeier (22.2.), der Valentinstag und natürlich die Fastnacht ideale Anlässe für mancherlei Bräuche, Feste und Feiern.
¿Spannend ist, dass sich innerhalb einer verhältnismäßig kurzen Zeitspanne von etwa zehn Wochen mehrere Anlässe für sogenannte Heischebräuche boten. Heischen bedeutet so viel wie bitten. Heischegänge sind Umgänge von Tür zu Tür, bei denen mit einem Lied oder einem Gedicht Gaben erbeten wurden¿, erläutert Cantauw.
Dreikönigs-/Sternsingen und Sonnenvogelklopfen
Das Dreikönigs- oder Sternsingen ist heute noch bekannt. Weniger bekannt ist, dass es sich um einen recht alten Brauch handelt, den es bereits im Spätmittelalter gab. In Bocholt kann ¿dat spyl der hiligen Koninge¿ bereits für das Jahr 1526 nachgewiesen werden. ¿Traditionell wurde aber nicht für einen caritativen Zweck gesammelt, sondern für den eigenen Unterhalt¿, weiß Cantauw. ¿Es waren nämlich ursprünglich die Schüler und Studenten, die von Stadt zu Stadt und von Kloster zu Kloster zogen, um sich einigermaßen über Wasser zu halten, war doch für ihren Unterhalt eher schlecht als recht gesorgt.¿
Gelegenheit zum Heischen bot auch der 22. Februar, an dem die katholischen Christen die Berufung des Apostels Petrus zum Lehramt in der Kirche feiern. Vor allem im Sauerland waren an diesem Tag die Kinder unterwegs, um ¿ wie es hieß ¿ das Ungeziefer aus den Häusern herauszuklopfen. Mit kleinen Holzhämmern schlugen sie an Türschwellen und Pfosten und hofften auf eine Entlohnung mit Mehl, Eiern oder anderen Lebensmitteln, die dann in mitgebrachte Säckchen wanderten. ¿Hintergrund dieses Brauches ist die pure Not, denn gerade bei den Landarmen gingen im Februar die Vorräte rapide zur Neige¿, erläutert Cantauw. In Soest wurde der Tag (Kathedra Petri) übrigens nicht für Heischebräuche, sondern für die Wahl des Bürgermeisters genutzt.
Fastnacht
Auch zur Fastnacht wurde wieder geheischt. Im Sauerland waren es die Kinder, die sich zu ¿Lüttke Fastnacht¿ mit dem Lied vom kleinen König, dem man nicht zu wenig geben sollte, an den Türen des Dorfes das ein oder andere erheischten. Im Münsterland und im Paderbornschen waren es demgegenüber eher die jungen Burschen, die von Haus zu Haus zogen und sich Würste für eine gemeinsame Fastnachtsfeier erhofften.
Mariä Lichtmeß
Die großen Themen der Winterbräuche waren die Versorgung mit Lebensmitteln und die zunehmende Helligkeit, mit der sich der allmähliche Beginn der Außenarbeiten ankündigte. Ein wichtiger Stichtag war in diesem Zusammenhang der Lichtmeßtag (2.2.). Ab diesem Tag gab es bereits genügend Tageslicht, um die anfallenden Arbeiten ohne künstliches Licht zu erledigen. Symbolisch brachte man das Ende der ¿dunklen Jahreszeit¿ dadurch zum Ausdruck, dass die Knechte dem Bauern die Laterne zurückgaben, die dieser ihnen zu Beginn des Winters gegeben hatte. ¿Lichtmeß war darüber hinaus ein wichtiger Stichtag: An diesem Tag mussten die Drescharbeiten erledigt sein und auch die Schulden vom vergangenen Jahr mussten bezahlt sein¿, weiß Cantauw. Auch für die Wettervorhersage war Lichtmeß bedeutsam: ¿Lichtmeß hell und klar, gibt ein gutes Weizen-, Roggen und Flachsjahr¿, hieß es allenthalben, weshalb man an diesem Termin besonders auch auf das Wetter achtete.
Wie wichtig in der vormodernen Gesellschaft die Frage war, ob die Vorräte wohl bis zum Frühjahr ausreichen würden, zeigt das Sprichwort ¿Lichtmeß lecht, is de Buer en Knecht, Lichtmeß dunkel, is de Buer en Junker¿. ¿Damit war gemeint, dass man an Scheune und Speicher ablesen konnte, ob der Bauer gut gewirtschaftet hatte: Waren die Vorräte schon sehr zur Neige gegangen und war es dort entsprechend licht, so sprach das nicht gerade für ein vorausschauendes Wirtschaften¿, erläutert Cantauw.
Vortrag zu Winterbräuchen
Ein Vortrag über Bräuche im Winter und ihre Besonderheiten findet statt am Freitag (30.1.) um 19.30 Uhr in der Gaststätte Brintrup in Münster-Roxel. Neben den Erläuterungen von LWL-Volkskundlerin Christiane Cantauw, die mit zahlreichen Fotos illustriert werden, gibt es niederdeutsche Prosatexte und Gedichte, die von dem bekannten münsterschen Mundartautor und Rezitator Hannes Demming vorgetragen werden.
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