LWL-Newsroom
Mitteilung vom 26.09.14
Presse-Infos | Der LWL
Achtung Redaktionen: Freigabe ab Freitag, 26.09.2014, 11:00 Uhr
Grußwort anlässlich der Eröffnung der Ausstellung ¿Westfalen hilft Köln ¿ Die Wiedergeburt eines Archivs¿
Grußwort der 3. stellvertretenden Vorsitzenden der Landschaftsversammlung im Landschaftsverband
Westfalen-Lippe (LWL),
Frau Gertrud Welper,
anlässlich der Eröffnung der Ausstellung
¿Westfalen hilft Köln ¿ Die Wiedergeburt eines Archivs¿
am 28.09.2014 um 16 Uhr
im Stadtmuseum Münster
- Es gilt das gesprochene Wort! -
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Roters (Köln),
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Lewe,
sehr geehrte Frau Dr. Schmidt-Czaia (Leiterin des Historischen Archivs der Stadt Köln),
verehrte Frau Dr. Rommé (Leiterin des Stadtmuseums Münster),
als 3. stellvertretende Vorsitzende der Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe begrüße ich Sie im Namen des LWL herzlich zur Eröffnung der Ausstellung ¿Westfalen hilft Köln. Die Wiedergeburt eines Archivs¿.
Angekündigt war an dieser Stelle unsere Kulturdezernentin, Frau Dr. Barbara Rüschoff-Thale, von der ich Sie herzlich grüßen soll. Da sie kurzfristig aus einem terminlichen Engpass heraus ihre Teilnahme leider absagen musste, hat sie mich gebeten, meine Damen und Herren, Sie an ihrer Stelle zu begrüßen. Dieser Bitte komme ich gerne nach und freue mich sehr darüber, dass es gelungen ist, diese Ausstellung ¿ fünfeinhalb Jahre nach dem Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln ¿ hier in Münster zu realisieren.
Verehrte Gäste,
an den Einsturz des Stadtarchivs Köln hat jeder von uns seine eigenen Erinnerungen. Im ersten Moment war wohl bei vielen Menschen zunächst Ungläubigkeit: Das kann doch nicht wahr sein! Gebäude stürzen nicht einfach so ein, nicht in Deutschland, wo die Erdbebengefahr gering ist. Der nächste Gedanke galt dann den Menschen: Die Erleichterung darüber, dass sowohl die Bauarbeiter wie auch das Archivpersonal und die Benutzerinnen und Benutzer im Lesesaal unverletzt entkommen waren, wurde schnell dadurch getrübt, dass zwei Bewohner des Nachbarhauses vermisst wurden.
Beide Vermisste konnten in den ersten Tagen der Bergung leider nur noch tot aus den Trümmern geborgen werden. An diese beiden zu erinnern, an den 23-jährigen Khalil und den 16-jährigen Kevin, ist deshalb auch heute wichtig!
Die Sorge galt dann aber auch und vor allem den Schätzen des Kölner Stadtarchivs. Denn das Stadtarchiv war eines der ganz wenigen kommunalen Archive in Deutschland, die über elfhundert Jahre praktisch keine Verluste erlitten hatten. Es galt und gilt daher als eines der bedeutendsten Stadtarchive nördlich der Alpen. Weder Stadtbrände noch der Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs hatten den Archivbeständen etwas anhaben können!
Doch am 3. März 2009 geschah es: Der Magazinzweckbau aus den frühen 70er Jahren rutschte in die Baugrube des U-Bahnschachtes auf der Severinstraße. Als sich die Staubwolken verzogen hatten, war zunächst völlig unklar, wie stark die Schäden sein würden. Man musste das Schlimmste befürchten. Die Sorgen erwiesen sich dann auch als berechtigt, denn es konnten während der monatelangen Bergung zwar rd. 95% des Archivguts geborgen werden, aber sehr vieles hatte stark oder sehr stark gelitten. Das Allermeiste war in großer Unordnung. Schnell wurde in Klön das Schlagwort geprägt: ¿Geborgen, aber noch nicht gerettet¿. Und dies beschreibt bis heute den Zustand sehr zutreffend!
Meine Damen und Herren,
bereits ein Jahr nach dem Einsturz stellte das Kölner Stadtarchiv anlässlich der Gründung der ¿Stiftung Stadtgedächtnis¿ in Berlin schon wieder eine erste Ausstellung auf die Beine. Unter dem prägnanten Titel ¿Köln in Berlin¿ wurden im Martin-Gropius-Bau Kölner Archivalien gezeigt. Darunter waren herausragende und weniger herausragende Stücke, ein Querschnitt dessen, was in Archiven aufbewahrt wird. Es waren kostbare Handschriften und Urkunden aus dem Mittelalter zu sehen, ein Originalmanuskript von Heinrich Böll, Nachlassteile von Konrad Adenauer aus seiner Zeit als Kölner Oberbürgermeister. Ausgestellt waren natürlich auch weniger spektakuläre Stücke, aber alles einzigartiges, unersetzbares Archivgut.
In einem Artikel für die FAZ nannte deren Berliner Kulturkorrespondent Andreas Kilb die rund hundert in der Ausstellung gezeigten Exponate mit ihren ganz unterschiedlichen Schäden zutreffend ¿Opfer des launischen Dämons¿. Denn die Schau zeigte das ganze Spektrum: teils wenig bis gar nicht, teils massiv beschädigte Archivalien. ¿Unter ihnen¿ ¿ so Kilb ¿ ist auch jener Haufen zerrissenen Papiers, in dem Materialien aus ganz verschiedenen Stockwerken und Epochen zu einem trostlosen Schnipselberg vermischt sind.¿ [Zitatende]
Unter dem Eindruck der Berliner Ausstellung, die im Anschluss auch noch im Kölner Stadtmuseum zu sehen war, wurde die Idee zu der Schau geboren, die wir heute eröffnen. Dabei war die anfängliche Idee zunächst eine ganz pragmatische: Die Berliner Ausstellung sollte in Münster aufgebaut werden, um das Ausmaß der Katastrophe auch hier in Westfalen erlebbar zu machen, um Köln öffentlichkeitswirksam zu helfen und um für den Schutz von Kulturgut zu werben. Denn Sensibilisierung und das Wachhalten der Erinnerung sind entscheidend!
Aus der ersten Idee entwickelte sich dann aber doch ein neues, ein umfassenderes und auch facettenreicheres Konzept.
Die Ausstellung sollte
erstens: die gewachsenen historischen Beziehungen zwischen Köln, dem Rheinland und Westfalen beleuchten
zweitens: die Situation und die spezifischen Aufgaben des Kölner Stadtarchivs im Wiederaufbau beschreiben ¿ eine absolut singuläre Situation! und
drittens: auch und gerade die westfälische Hilfe für Köln würdigen!
Denn tatsächlich setzte schon am Tag des Einsturzes und erst recht danach, gerade auch in Westfalen eine Welle der Solidarität mit dem Stadtarchiv ein.
Wenige Stunden nach dem Einsturz, meine Damen und Herren, begannen in Münster die Archivarinnen und Archivare, Restauratorinnen und Restauratoren des Landesarchivs und des LWL-Archivamtes mit der Vorbereitung zur Nothilfe. Denn gebraucht wurde in Köln im Grunde ALLES, und das sehr schnell und unbürokratisch. Ob zusätzliche Manpower ¿viele der Kölner Kollegen standen unter Schock ¿ oder Notfallmaterialien wie Packtische, Archivkartons, Transportbehälter, Stretchfolie, Handschuhe und Kittel. Die Liste ließe sich unendlich verlängern, denn vor Ort war nichts mehr vorhanden. Einfach alles lag dort unter dem Schutt begraben.
Am 5. März machten sich freiwillige Helferinnen und Helfer aus Münster auf den Weg nach Köln. In Schichten ¿ anfangs rund um die Uhr ¿ nahm das westfälische Notfallteam zusammen mit ihren Kölner Kollegen an der Einsturzstelle und im sofort eingerichteten Erstversorgungszentrum Archivgut in Empfang, welches die Feuerwehr aus dem Schutt geborgen hatte. Die Archivalien wurden grob erfasst, sortiert und für den Weitertransport in Kühlhäuser und Ausweicharchive sortiert. Viele Freiwillige halfen in den Monaten darauf in Köln selbst bei der Erstversorgung. Archive und andere Einrichtungen stellten Beschäftigte für Unterstützungsleistungen ab oder boten unentgeltlich Magazinraum für die geborgenen Archivalien an.
Über 20 Archive nahmen kilometerweise Archivgut aus Köln für Monate und zum Teil für Jahre in ihren Magazinen auf, darunter ebenfalls eine ganze Reihe westfälischer Archive.
Der LWL half nicht nur durch Anpacken vor Ort und mit seiner archivarischen und restauratorischen Expertise, sondern er stellte auch seine Gefriertrocknungsanlage im LWL-Archivamt zur Verfügung. Über ein Jahr lang lief sie nur für das Kölner Stadtarchiv, insgesamt wurden 27 t oder 500 laufende Meter nassgewordener Archivalien darin behandelt, immerhin eine Unterstützungsleistung im Wert von 150.000¿.
Für diese solidarische Unterstützung wurde im LWL sehr schnell ein Konsens erzielt. Zwar liegt Köln bekanntlich im Rheinland, wo wir unseren ähnlich schlagkräftigen Schwesterverband, den LVR, haben, aber bei den Ausmaß der Katastrophe galten und gelten keine Verwaltungsgrenzen. Eine gemeinschaftliche Hilfe war die einzig in Frage kommende Reaktion.
Meine Damen und Herren,
in seinem FAZ-Artikel zur Ausstellungseröffnung in Berlin forderte Andreas Kilb indirekt dazu auf, dass mehr deutsche Museen dem Stadtarchiv Köln ihre Schauräume öffnen sollten. Das Stadtmuseum Münster hat das nun getan, und ich hoffe sehr, dass die Ausstellung Früchte tragen wird. Besonders wichtig ist dabei ohne Zweifel, das Bewusstsein der Öffentlichkeit wieder zu schärfen. Denn Köln braucht weiter Unterstützung. Dort ist in den letzten fünf Jahren Ungeheures geleistet worden, aber die Wiederherstellung der Ordnung des Archivs und die Restaurierung der Archivbestände werden noch Jahrzehnte brauchen. Hier ist jede Unterstützung, auch und gerade in Form von Patenschaften, hoch willkommen.
In weiterer Perspektive sind aber auch alle Institutionen, Archiven, Bibliotheken und Museen, und ihre Träger in der Pflicht, alles dafür zu tun, dass unsere kulturellen Schätze sicher aufbewahrt und für zukünftige Generationen erhalten werden. Der Einsturz des Stadtarchivs hat hierfür sensibilisiert. In Deutschland entstehen seither vielerorts lokale und regionale Notfallverbünde von Kultureinrichtungen. Auch hierbei war NRW, insbesondere der Notfallverbund in Münster, ein Vorbild.
Ihnen, Herr Oberbürgermeister Roters und Frau Dr. Schmidt-Czaia, Ihrer Stadt und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Stadtarchivs wünsche ich, dass die Menschen beim Stichwort Stadtarchiv so bald wie möglich nicht mehr an den Einsturz denken, sondern an das neue, das wiedergeborene Stadtarchiv im neuen und vorbildlichen Gebäude am Eifelwall.
Ihnen, Herr Oberbürgermeister Lewe und Frau Dr. Rommé, aber auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des LWL-Archivamtes danke ich für die Initiative zu dieser Ausstellung und für ihre Umsetzung in den Räumen des Stadtmuseums Münster.
Und um abschließend noch einmal den Titel der Ausstellung aufzugreifen: Das Historische Archiv der Stadt Köln ist wiedergeboren, es lebt, es braucht aber weiter unsere Solidarität und Unterstützung.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!
Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org
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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
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