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Mitteilung vom 23.09.14

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Seit Jahrhunderten in aller Westfalen Munde

LWL-Volkskundler erklärt, wie die Butter aufs Brot kam

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Westfalen (lwl). Internationale Konkurrenz macht ihm das Leben schwer: Der Earl of Sandwich schickte die nach ihm benannte Brotspeise im 18. Jahrhundert ins Rennen, Frankreich schickt ein Jahrhundert später das Croissant hinterher und auch Italien rief mit seinem Ciabatta eine Alternative auf den Plan. Doch können diese dynamischen Jungspunde unter den Backwaren das Jahrhunderte alte Butterbrot vom Thron und damit von deutschen Frühstückstischen stoßen? Die Volkskundliche Kommission für Westfalen kennt die Antwort und berichtet passend zum Tag des Butterbrotes am 26. September aus der Zeit von Bierbrei, Schmalz und Bertoldus Botterbroth: dem Mittelalter.

Von der Speise für Wohlhabende...
¿Viele Hinweise zum Aufkommen des klassischen Butterbrotes führen ins 14. und 15. Jahrhundert¿, erklärt Marcel Eckert, Mitarbeiter bei der Volkskundlichen Kommission für Westfalen beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL). Bis zu dieser Zeit aßen die Menschen vor allem Getreidebrei. Nur der Adel konnte sich Brot leisten. Bei den meisten Menschen kam Brot in dieser Zeit nur zu festlichen Anlässen auf den Tisch. Das Butterbrot war besonders in Westfalen, Nord-West-Deutschland und den Niederlanden beliebt, in Süddeutschland wurde es kaum erwähnt. Ein Grund dafür sind Konservierungsmethoden, die sich zu dieser Zeit regional unterschieden. ¿Im Norden und Westen Deutschlands wurde die Butter durch Salzen konserviert, im Süden durch Sieden. Das Salzen machte die Butter hart und über ein Jahr haltbar, während man durch das Sieden Fett erhielt, das zwar ideal zum Kochen und Braten war, aber als Brotaufstrich nicht nutzbar¿, erläutert Eckert.
Viele Historiker verorten die Sitte Butterbrote zu essen erst ins 16. bis 18. Jahrhundert. Ein Grund dafür ist die Tatsache, dass sich die Mahlzeiten zu dieser Zeit verschoben haben. Nahm man bis dato immer um etwa 9 Uhr und 16 Uhr sein Essen ein, verschoben sich diese Zeiten nach französischem Vorbild auf 12 Uhr und 18 Uhr. Doch da die Menschen natürlich trotzdem weiterhin in der Früh zur Arbeit mussten, fehlte ihnen nun eine Nebenmahlzeit für die Morgenstunden.

¿Bei diesen Nebenmahlzeiten aß man Brot nicht mehr als Zugabe zu Suppen oder Breien, sondern als Hauptinhalt, ein Vorläufer des Frühstücks, so wie wir es kennen¿, erklärt Eckert. Das Butterbrot mauserte sich über die Jahrhunderte von einer Nebenmahlzeit zu einer morgendlichen und abendlichen Hauptmahlzeit.

Doch das Butterbrot war schon weit vor dem 16. Jahrhundert bekannt, ein Indiz sind Familiennamen. Der Name ¿Butterbrot¿ war besonders im östlichen Westfalen keine Seltenheit. Um 1550 gab es in Minden mehrere Personen mit dem Namen ¿Butterbrot¿. In Städten des Westfälischen Hellwegs, etwa Soest und Unna, kannte man ebenso wie in Städten des Münsterlandes, wie Warendorf, Familien mit ähnlich lautenden Namen: Botterbrod, Botterbroit usw. ¿Im Süden Deutschlands fehlten diese Namen ¿, so Eckert. ¿In Rostock lebte bereits im Jahr 1349 ein Bertoldus Botterbroth, der wahrscheinlich aus Westfalen oder Niedersachsen einwanderte.¿

Ein weiteres Indiz für das Butterbrotessen vor dem 18. Jahrhundert liefern die Inventarlisten von Krankenhäusern. Das Magdalenen-Hospital in Münster etwa hatte um 1500 Bier, Butter, Brot und Käse auf Vorrat, woraus meist ¿Bierbrot` zubereitet wurde, ein Brei aus eben diesen Zutaten, der vor allem zur Stärkung dienen sollte. ¿Anhand des Käses kann man aber schlussfolgern, dass nicht nur dieser Brei sondern auch Brot mit Butter und Käsescheiben zum Bier gegessen wurde¿, sagt Eckert.

...zum praktischen Sattmacher für alle
Die Wissenschaft ist sich zwar nicht einig, wie alt das Butterbrot ist, wohl aber über dessen Funktion: ¿Es sollte in erster Linie satt machen und schnell zu neuen Kräften verhelfen. Deshalb war es wegen seines Gehaltes an Fett besonders bei Kindern und Schwerarbeitern auf Feldern, in Wäldern, Stollen oder in der Industrie beliebt. Dazu kommt noch, dass es überall und vor allem ohne Hilfsmittel verzehrt werden konnte. Man konnte es einfach in die Hand nehmen und an Ort und Stelle essen, ein Vorteil gegenüber Breien aller Art¿, erklärt Eckert.

Die große Bedeutung des Butterbrotes lässt sich auch an Redewendungen ablesen, etwa wenn wir jemanden warnen, er solle sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. ¿Wir kennen auch den Spruch: jemandem etwas aufs Butterbrot schmieren. Damit ist gemeint: Ist die Butter erst mal auf dem Brot, müssen wir uns damit befassen¿, so Eckert.

Heute, mehrere Jahrhunderte später, ist das Butterbrot nicht nur in den Brotdosen von Schulkindern zu finden, sondern es ist in jeder sozialen und beruflichen Schicht angekommen. Mal klassisch mit Schinken und Käse, mal exotisch mit Cranberries und Apfelspalten auf Frischkäse; mal sendet man mit ihm Grüße aus dem Norden mit Krabbenrührei auf Vollkornbrot, mal aus dem Reich der aufgehenden Sonne mit Hähnchenbrust unter einer Soja-Curry-Sauce.

¿Die Variationen sind endlos und deshalb wird das Butterbrot auch nicht aussterben, wie es, aufgrund der harten Konkurrenz aus unseren Nachbarländern, schon mehrfach prophezeit wurde¿, ist sich Eckert sicher. Kein Wunder also, dass man dem Butterbrot seit 1999 einen eigenen Tag widmet: den letzten Freitag im September. ¿Wer also am 26. September an der Theke beim Bäcker steht und sich zwischen Schoko-Croissant, Käse-Baguette oder Salat-Brötchen nicht entscheiden kann, sollte mal wieder zum Klassiker greifen: dem Butterbrot¿, empfiehlt der Volkskundler.



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