LWL-Newsroom

Mitteilung vom 06.09.13

Presse-Infos | Kultur

Aus Galizien nach Ostwestfalen

Exponatgeschichten zur Ausstellung Wanderarbeit im LWL-Ziegeleimuseum Lage

Bewertung:

Lage (lwl). "Wanderarbeit - Mensch, Mobilität, Migration" heißt eine Ausstellung, die der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) bis zum 29. September in seinem Ziegeleimuseum Lage zeigt. Eine kleine Serie stellt in den kommenden Wochen Exponate vor, die besondere Geschichten erzählen. Heute: Die Spanischen Gastarbeiterinnen der Fa. Seidensticker.

Die 1950er Jahre in Deutschland: Petticoat, Nierentisch und Rock ¿n¿ Roll, Fußballweltmeister, Toast Hawaii und Schlager. Und über allem schwebte das Wirtschaftswunder. Arbeitsplätze gab es reichlich, Arbeitskräfte waren rar. 1955 war der Bedarf an Arbeitskräften so groß, dass die Bundesregierung Anwerbeabkommen mit Italien, Spanien, Griechenland, der Türkei, Marokko, Portugal, Tunesien, Jugoslawien und Südkorea schloss. Aufgrund dieses rechtlichen Anreizes kamen bis 1973 Millionen ausländische Arbeitskräfte nach Deutschland. Bald überreichte man dem einmillionsten "Gastarbeiter" ein Moped, dem zweimillionsten ein mobiles Fernsehgerät. Es handelte sich meist um junge Männer und Frauen zwischen 20 und 40 Jahren. Für sie war Deutschland finanziell attraktiv: ein bis zwei Jahre Arbeit, um sich vom angesparten Geld in der Heimat den Wunsch nach einem eigenen Haus oder Selbständigkeit zu erfüllen. Doch aus den ¿Gästen¿ wurden nicht selten Menschen, die blieben und zu deren Heimat Deutschland wurde.

Auch nach Lage kamen im Winter 1962 80 junge Frauen im Alter zwischen 17 und 21 Jahren aus Spanien nach Lage in Lippe. Ihre Heimat Galizien war zu dieser Zeit eine der ärmsten Regionen Spaniens. Die Arbeit in Deutschland war für sie finanziell sehr attraktiv, aber auch das Streben nach Unabhängigkeit und die Auflehnung gegen die Eltern spielten eine Rolle. Der Bielefelder Hemdenproduzent Seidensticker hatte in seiner Fabrik im spanischen Tarragona bereits gute Erfahrungen mit den dortigen Arbeitskräften gemacht. Er warb die jungen Frauen daher extra aus Nordspanien für seine Werke in Bielefeld und Lage an. Sie wohnten in Lage im Wohnheim in der Elisabethstraße im Untergeschoss einer Möbelfabrik und wurden mit dem Bus zu ihren Arbeitsplätzen in Bielefeld gebracht. Die Galizierinnen erhielten ein bis zwei Jahresverträge und wollten schnell viel Geld verdienen. Sie arbeiteten im Akkord. Die Spanierinnen fanden auch an ihrem Wohnort in Lage schnell Anschluss. Es entwickelten sich Freundschaften, Beziehungen, Ehen mit Deutschen, es entstanden Familien. Obwohl sie nur ein paar Jahre geplant hatten, sind viele von ihnen geblieben und haben in Ostwestfalen eine neue Heimat gefunden. Im LWL-Industriemuseum Ziegelei Lage steht in der Ausstellung ¿Wanderarbeit. Mensch-Mobilität-Migration¿ ein möbliertes Zimmer, wie es auch die spanische Näherin Carmen Köhler kurz nach ihrer Ankunft in Bielefeld anmietete. Sie wollte nicht länger mit vielen anderen Mädchen in einem Wohnheimzimmer leben und fand über eine Freundin ein Zimmer bei einer Familie in Bielefeld. Carmen Köhler heiratete später einen deutschen Angestellten der Fa. Seidensticker. Sie lebt heute noch wie viele der damals nach Deutschland gekommenen Näherinnen hier in der Region. Nur im Winter fahren sie wegen des Klimas fast alle wieder zurück nach Spanien. Ihre Lebensgeschichte erzählt Carmen Köhler in einem Interview in der Ausstellung.

Sie können dieses Interview noch bis zum 29. September täglich von Di-So von 10-18 Uhr in der Ausstellung ¿Wanderarbeit. Mensch ¿Mobilität ¿ Migration¿ im LWL-Industriemuseum Ziegelei Lage sehen.

Wanderarbeit. Mensch-Mobilität-Migration
28.4. bis 29.9.2013

LWL-Industriemuseum I Ziegeleimuseum Lage
Sprikernheide 77
32791 Lage
Geöffnet Di ¿ So 10-18 Uhr
http://www.lwl-industriemuseum.de



Pressekontakt:
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235 und Christiane Spänhoff, LWL-Industriemuseum, Telefon: 0231 6961-127
presse@lwl.org



LWL-Einrichtung:
LWL-Museum Ziegelei Lage
Sprikernheide 77
32791 Lage
Karte und Routenplaner



Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


Der LWL auf Facebook:
https://www.facebook.com/LWL2.0






Ihr Kommentar




zur Druckansicht dieser Seite

zu den aktuellen Presse-Infos